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22. Juli 2022

Ist Holz der Baustoff der Zukunft?

In dieser Podcast-Folge ist der Berliner Bauingenieur Vadim Rabinovic bei uns zu Gast. Er ist selbstständig und begeistert für den Holzbau, schließlich ist Holz der wohl nachhaltigste natürliche Baustoff auf unserem Planeten. Was macht diesen Bereich des Bauwesens so spannend?

Vom Lego-Technik-Club zum Bauingenieur

Zunächst möchten wir unseren Gast kurz vorstellen. Vadim ist Tragwerksplaner für urbanen Holzbau und Fachplaner für vorbeugenden Brandschutz. Gerade dieses Gefühl, etwas theoretisch zu erschaffen und dann in die Realität umzusetzen, übte schon als Kind eine gewisse Faszination auf ihn aus. Aus leidenschaftlichen Lego-Bauwerken wuchs im Laufe der Zeit das Interesse an Architektur und so studierte er Bauingenieurwesen.
Während des Studiums fiel ihm schnell auf, dass gerade in diesem Fachgebiet häufig ältere Lehrmethoden Anwendung fanden. PV-Folien lagen auf den Projektoren, weit überholt vom damaligen Stand der Technik. Wir alle kennen diese speziellen Professoren, die nicht einmal die Pandemie von ihren geliebten Folien abbringen konnte. Und wir geben mit einem schmunzelnden Seufzen zu: Das wird sich wohl nie ändern. Doch wie verhält es sich mit Holz als Baustoff? Bleibt auch hier alles beim Alten?

Vadim entdeckte seine Liebe zum Holzbau erst im Zuge seines Masterstudiums. Gleichzeitig rückte das Thema des nachhaltigen Bauens in den Fokus seiner Interessen. Sein heutiges Tätigkeitsfeld ist bunt gemischt. Etwas Marketing, ein wenig Tragwerksplanung, eine Prise Beratung und Brandschutz. Wie kann man am besten ein Tragwerk für den Entwurf des Kunden erstellen? Worauf muss man in der späteren Planung achten? Noch dazu die Genehmigung und Ausführungsplanung – Ganz schön umfangreich, wie wir finden!

Stärken eines natürlichen Rohstoffs im Bauwesen

Der urbane Holzbau spielt seine größte Stärke ganz klar aus, wenn es um das Thema Klimaerwärmung geht. Wie können wir die CO2-Emissionen senken? Holz als nachhaltiger Werkstoff ist geradezu prädestiniert dafür, denn Stahlbeton und Stahl benötigen zur Herstellung Unmengen an Energie sowie Rohstoffen. Holz dagegen kann nachwachsen, wenn auch nur in begrenztem Umfang.

Der natürliche Feind von Holz ist? Feuer, ganz klar! Allerdings steht es um Holzkonstruktionen besser, als ihr vielleicht vermutet. Denn die Abbrandrate ist sehr gut bestimmbar. Dadurch sind Vorkehrungen zum Brandschutz leicht umzusetzen, was Holz zu einem sehr sicheren Baustoff macht.

Auch in Sachen Festigkeit muss Holz sich ganz und gar nicht verstecken. Beim Holzwerkstoff geht es um die Faser: Wie verläuft die Faser und wo ist der Lastangriff? Rechtwinklig zur Faser gibt Holz schnell nach. Aber greifen die Lasten parallel zur Faser an, zeigt es seine ganze Stärke. Innovative Holzwerkstoffe, wie zum Beispiel die Baubuche, erreichen zum Beispiel eine Festigkeit, die mit mittelfestem bis hochfestem Beton verglichen werden kann. Faszinierend, nicht wahr?

Momentan ist nahezu jeder Neubau ein klassischer Massivbau oder Stahlbetonbau. Die Einfamilienhäuser dagegen sind größtenteils aus Mauerwerk. Spielt hier eventuell der Preis für Holzbauten mit hinein? Vadim holt zu diesem Thema etwas aus, denn tatsächlich ist das nicht so leicht zu beantworten.

Es kommt ganz auf die Art und Weise an, wie mit dem Werkstoff gearbeitet wird. Die Vorfertigung des Materials in Werkhallen ist ein großer Pluspunkt. Ob Massivholz, Brettschichtholz, Brettsperrholz oder Holztafelelemente – Die Vorplanung ist oft etwas aufwendiger, aber der Bau an sich dafür wesentlich kürzer. Der Bauherr kann sein Gebäude wesentlich früher nutzen und dadurch wiederum mehr Einnahmen durch Vermietung generieren. Hier gehen Meinungen auseinander. Manche sagen es ist gleich teuer, manche sagen es ist fünf bis zehn Prozent teurer. Andere sagen, dass es sogar günstiger ist. Aber grundsätzlich zählt die Gesamtbetrachtung. Vadim selbst geht davon aus, dass Holzbauten künftig vielleicht um einen geringen Prozentsatz teurer sein werden als herkömmlicher Massivbau.

Holzbau in Deutschland

Wieso aber wird in Deutschland dann so wenig mit Holz gebaut? Vadim sieht hier die Tatsache in der Verantwortung, dass Holz ein relativ junger Werkstoff ist. Zumindest, wie wir ihn heutzutage kennen. Es fehlen auch ein wenig die Erfahrungswerte, beispielsweise bei mehrgeschossigen Bauten mit Brettsperrholz. Vor allem mangelt es an Expertise, da eine gewisse Scheu vor dem alten "neuen" Werkstoff Holz mitschwingt. Das Wissen ist hier noch nicht allzu weit verbreitet.

Zwar wird Holz bereits vom Staat als Baumaterial gefördert, aber mehr wäre immer wünschenswert, gerade im Hinblick auf die Klima-Problematik. Mittlerweile gibt es viele Programme, die sich der Vorfertigung beim Holzbau widmen und beispielsweise im Bereich Robotik den Werkstoff Holz mit einarbeiten.

Mythos Holzbau und Brandschutz: Wie sicher ist Holz?

Kommen wir noch einmal zum wohl bekanntesten Mythos. Holz brennt, das ist nicht von der Hand zu weisen. Schon im Studium lernt man dann: Holz ist eigentlich, verglichen mit anderen Materialien wie zum Beispiel Stahl, viel besser in Sachen Brandschutz. Vadim erklärt uns, warum.

  • "Es gibt da ein Bildchen. Ich finde es leider nicht mehr wieder. Da war ein abgebranntes Bauwerk zu sehen. Man hat einen total verkohlten Holzträger gesehen und darauf war ein Stahlträger, der wie Spaghetti herunterhing. Ich glaube, das erklärt es eigentlich ganz gut."

Aufgrund des Abbrands bildet sich auf der Oberfläche sozusagen eine schützende Schicht, die den weiteren Abbrand verhindert. Damit Holz bis ins Innere hinein verbrennt, braucht es viel Hitze und viel Zeit. Brandschutztechnisch ist ein Holzgebäude einfach wesentlich sicherer als eines aus Stahl, da hier genau berechnet werden kann, was passiert und wann das Material nachgibt. Um Holz zu schützen, helfen Verkleidungen wie Promat-Platten oder spezielle Anstriche.

Wie steht es um unsere Wälder: Gibt es genügend Holz?

Ja, zumindest, wenn man von unseren heimischen Wäldern ausgeht. Pro Sekunde wächst etwa ein Kubikmeter Holz in Deutschland nach. Vadim erklärt uns, dass die hohen Holzpreise nicht unbedingt damit zusammenhängen, dass wir selbst zu viel Holz verbauen. Ein Großteil des Holzes, das hier bei uns abgebaut wird, geht als Export ins Ausland. Hier existiert eine hohe Nachfrage aus China und den USA. Am besten wäre es natürlich, wenn wir unser Holz direkt vor Ort verarbeiten und nutzen könnten. Teilweise wird so viel exportiert, dass für Bauvorhaben mit Holz im eigenen Land wieder importiert werden muss – definitiv paradox. Hier müsste dringend entgegengewirkt werden.

Holzbau in der Forschung

Im 21. Jahrhundert kam das Thema Nachhaltigkeit wieder mehr auf. Die Menschen wollen bewusster leben und das zeichnet sich auch im Bauwesen nach und nach deutlicher ab. Holz als bewährter Rohstoff, der uns schon über Jahrtausende begleitet, ist dafür wie geschaffen.
Aktuell wird an einer verstärkten Nutzung von Holz geforscht. Brettsperrholzelemente und auch Brettschichtholz benötigen Leim, um zusammenzuhalten – und davon nicht wenig. Leider dämpft das die Nachhaltigkeit enorm. Doch es gibt Hoffnung. Vadim erzählt uns von einem Kleber auf Lignin-Basis. Dabei handelt es sich um einen Bestandteil, der aus Holz extrahiert wird. Hier steckt die Forschung noch in Kinderschuhen, aber es ist ein deutliches Zeichen für Innovation.

Wo liegt die Zukunft im Bauwesen?

Auch hier hat Vadim Antworten für uns. Robotik und die künstliche Intelligenz werden sich durchsetzen, davon ist er fest überzeugt. Das ist auch für die Vorfertigung von Bauteilen ein Vorteil – nicht nur aus Holz. Gerade im Hybridbau sieht er großes Potential. Das "zirkuläre Bauen" nennt er uns als besonders zukunftsweisend. Der Begriff "cradle-to-cradle" fällt dabei, also eine Kreislaufwirtschaft der Rohstoffe. Vieles soll wiederverwendet und nicht einfach entsorgt werden. Holz wird abgeholzt, daraus wird ein Haus gebaut und zum Schluss sollte es der Erde im besten Fall wieder als Humus zurückgegeben werden.

Vadim selbst befasst sich aktuell mit leimfreiem Massivholz. Mit nachhaltigem Leim würde das Material nochmals weniger Schadstoffe nach sich ziehen – sozusagen ein Optimum dessen, was man nachhaltig verbauen kann. Klingt gut, nicht wahr? Auch die Vorteile von BIM fallen im Zusammenhang mit der Digitalisierung.

Vadim, was ist dein Lieblingsbauwerk?

  • "Für mich als Berliner ist es ganz klar der Fernsehturm. Es besteht nicht aus Holz oder irgendwas, aber es ist halt symbolisch gesehen in meinem Herzen."

Ein klassischer Holzbauer nimmt den klassischen Betonbau als Lieblingsbauwerk. Das hatten wir auch noch nicht, aber gerade das macht unseren Gast so sympathisch.

Vielen Dank, Vadim! Schön, dass du da warst.


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