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4. November 2019

Wege vom BIM-Modell zur Tragwerksplanung und zurück

Die Berechnung von Tragwerken basierend auf digitalen Zwillingen wird zunehmend zur Alltagsaufgabe im Ingenieurbüro. Denn wenn schon ein digitales Bauwerksmodell existiert, will man auch die darin enthaltenden Informationen möglichst nahtlos weiter nutzen. Dies stellt weitreichende Anforderungen bezüglich Modellierung und Schnittstellen bei BIM-kompatibler Statiksoftware.

Einführung

Dreidimensionale virtuelle Gebäudemodelle sind sehr beindruckend. Wenn es möglich ist, alles bis ins letzte Detail in Renderings so real darzustellen, dass man den digitalen Zwilling auf dem ersten Blick nicht mehr vom realen Modell unterscheiden kann, dann sollte doch eine statische Berechnung kein Problem darstellen? Doch das, was man mit dem Auge wahrnimmt, ist nur ein Teil der Information, welche für die Tragwerksplanung benötigt wird. Denn mechanische Materialeigenschaften, Gelenke, Lasten und Lastfälle oder Beanspruchbarkeiten sieht man dem Gebäudemodell nicht einfach an. Dazu braucht es eine weitere Anreicherung an Information und das Interpretationsvermögen von Ingenieuren, die das sichtbare Modell in ein idealisiertes und mechanisch äquivalentes Modell überführen können. Ein BIM-Modell ist mehr als zum Beispiel ein 3D-Volumenmodell eines Gebäudes und daher ein idealer Einstieg für die statische Dimensionierung von Tragwerken. Welche Wege können hierbei beschritten werden?

Relevante Objekte in BIM-Modellen für die Tragwerksplanung

Für die Tragwerksplanung sind nur bestimmte tragende Teile wie Wände, Stützen, Decken oder Träger relevant. Es muss also zunächst eine Auswahl der Bauteile erfolgen, die im BIM-Modell für die statische Berechnung von Interesse sind. Man spricht hier auch vom Struktur-Modell. Im Regelfall lässt eine moderne BIM-Software zu, diese Teile besonders zu kennzeichnen. Beim Datenaustausch bezieht man sich dann bezüglich der Tragwerksplanung nur auf dieses als tragend gekennzeichnete Teilmodell. Beispiele für nicht relevante Teile sind etwa Fenster, Türen oder Installationen wie Elektrik oder die Wasserrohre.

Das so für die Tragwerksberechnung entstehende Teilmodell muss dann in der Regel weiterbearbeitet werden. Nicht verbundene Stützen und Träger müssen entweder verschoben oder über Koppelelemente verbunden werden. Ebenso müssen Decken und Wände angeschlossen werden, wenn deren Wirklinien sich nicht in einer Schnittkante treffen. Gegebenenfalls ist zu entscheiden, ob ein gesamtes Modell oder ein Teilmodell berechnet werden muss. Zum Beispiel kann es bei einer Halle ausreichend sein, einen Rahmen zu rechnen, der mehrfach identisch ausgeführt wird. Gleiches gilt für Decken im Geschoßbau.

Typen von Schnittstellen

Sollen Modelle von Software zu Software übertragen werden, so stellt sich die Frage, in welchem Datenformat dies geschehen soll oder ob direkte Programmkopplungen genutzt werden sollen.

Offene Schnittstellen

Wenn offene Standards (openBIM) verwendet werden, so ist das IFC-Format das Maß aller Dinge. Der Vorteil von offenen Standards ist, dass im Idealfall jedes Softwarehaus mit der Unterstützung dieses Standards sofort mit allen anderen Softwarehäusern, die ebenfalls diesen Standard unterstützen, Daten austauschen kann. Die Qualität des Datenaustauschs steht und fällt jedoch damit, wie gut die jeweiligen Konverter für Lesen und Schreiben von IFC implementiert sind und die IFC-Daten in native Daten des jeweiligen Programms umwandeln können. In den meisten Fällen werden die IFC-Modelle in der jeweils anderen Software lediglich referenziert. Dabei verwendet man immer entweder Daten basierend auf den IFC 2x3 Coordination View 2.0 oder die neuere Fassung des IFC 4 Reference View 1.2. Dies bedeutet, dass man die Daten visualisieren und Informationen abfragen kann. Ebenso sind diese Modelle für Kollisionskontrollen geeignet. Für ein Weiterarbeiten mit dem Modell müssen die IFC-Modelle jedoch erst in das native Datenformat der verwendeten Software umgewandelt werden. Für Statikprogramme interessant ist der Structural Analysis View. Dieser View eignet sich zum Austausch von statischen Modellen und er beinhaltet die Beschreibung von Analyse-Modellen mit statischen Daten wie Auflagern, Gelenken, Lastfällen und Lasten. Beim Datenaustausch über IFC ist es daher sehr wichtig zu wissen, welchen View die entsprechende IFC-Datei enthält.

Direkte Schnittstellen

Bei direkter Kopplung zweier Softwarelösungen entfällt der Weg über das IFC-Format oder ein anderes Datenformat. Es wird keine Austauschdatei erstellt. Die Informationen werden über notwendige APIs (Application Programming Interfaces, programmierbare Schnittstellen) direkt von Anwendung A gelesen und in Anwendung B werden dann sofort native Objekte erzeugt. Da mit jedem Datenaustausch die Gefahr besteht, Daten zu verlieren, hat eine direkte Kopplung gewisse Vorteile, da die beiden Konvertierungsschritte des Schreibens und Lesens der IFC-Datei entfallen. Es ist lediglich ein Umwandlungsprozess direkt von Software A nach B notwendig. Weiter spielen bei direkten Kopplungen fehlende Definitionsstrukturen im IFC-Format keine Rolle und man muss sich keine Gedanken machen, wie spezielle Objekte über das IFC-Format beschrieben werden können. Nachteil der direkten Kopplung ist, dass diese für jedes Programmpaar individuell programmiert werden muss und Anbieter nicht beliebig gewechselt werden können. Mittlerweile gibt es aber auch realisierte Projekte, bei denen Planungsbüros selbst genau auf die eigenen Prozesse zugeschnittene Programmschnittstellen geschrieben haben. Voraussetzung dafür ist, dass die Programmpaare die APIs zur Verfügung stellen und Programmdokumentationen vorhanden sind. Diese Art von angepassten Schnittstellen bieten bei überschaubarem Aufwand einen wesentlich höheren Automatisierungsgrad des Planungsprozesses und somit ein enormes Potential für das Einsparen von Zeit, Kosten und der Vermeidung von Fehlern. Zudem besteht die Möglichkeit, gerade in der Entwurfsphase in Abhängigkeit von Parametern zu konstruieren.

Änderungen synchronisieren

Bereits in der Entwurfsplanung (Leistungsphase 1 bis 3) sind statische Berechnungen erforderlich, um den Tragwerksentwurf zu optimieren und Profilgrößen zu konkretisieren. Dabei werden in der Regel mehrere Entwürfe betrachtet und architektonischer Entwurf und Statik aufeinander abgestimmt. Ausgehend vom Bauwerksentwurf in der BIM-Software (Architekt, Tragwerk) werden die tragenden Bauteile an die Statiksoftware (RFEM, RSTAB) als Gesamtmodell oder Teilmodell übergeben und dort berechnet. Mögliche Änderungen aus der Statik können das Aussteifungs-Konzept oder Querschnitte betreffen. Aktueller Stand der Technik ist, dass Änderungen digital kommuniziert werden können. Zum Beispiel ist es bei der direkten Schnittstelle zwischen RFEM und Autodesk Revit oder Tekla Structures möglich, Profiländerungen zu aktualisieren oder neu hinzugefügte Bauteile im Entwurfsmodell zu ergänzen. Neueste Entwicklungen erlauben es auch, Bewehrungsentwürfe (Zusatzmodul RF-BETON) in Form von tatsächlicher Bewehrung (Stäbe und Matten) auf digitalem Weg zu übergeben. Damit sind optimale Voraussetzungen für die Mengenermittlung und weitere Detailplanung geschaffen.

BIM Modelle mit Informationen aus der Statik anreichern

BIM steht für fach- und leistungsphasenübergreifende Koordination. Zur frühzeitigen Beurteilung der Machbarkeit oder zur weiteren Verarbeitung von Ergebnissen in anderen Unternehmen oder anderen Dienstleistern kann es hilfreich sein, statische Ergebnisse im BIM-Modell (Verformungen, Schnittgrößen) darzustellen oder dort verfügbar zu machen. Zusätzlich bietet sich die Möglichkeit, die spezifischen Stärken einer BIM-Software in der Planerstellung mit denen einer typischen Statiksoftware zu kombinieren. So können im BIM-Modell auch statische Positionspläne erstellt werden oder je nach Applikation direkt auch Bewehrungspläne auf Basis der Statik generiert werden. Ebenso lassen sich beispielsweise aus dem FEM-Programm RFEM die Bemessungsergebnisse direkt als 3D-Bewehrung in Revit übergeben.

Auf dem Laufenden bleiben und testen

Durch die Forcierung von digitalen Planungsmethoden werden von den Softwarehäusern fortwährend neue Lösungen und Verbesserungen angeboten. Es ist daher wichtig, sich zu informieren und die möglichen Workflows zu kennen. Alles Wichtige zu BIM von Dlubal Software findet man unter Anderem in Form von Fachbeiträgen, Webinaren und Videos auf www.dlubal.com/BIM.


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