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11. Januar 2024

Postmoderne Architektur: Gebt Gebäuden ihre Seele zurück!

Während die Moderne immer nüchternere Bauten hervorbrachte, entstand Ende der 60er Jahre eine Gegenbewegung. Vertreter der Postmoderne forderten: Gebt der Architektur ihre Seele zurück! Durch diese Bewegung entstanden faszinierende Bauwerke, von denen wir euch einige genauer vorstellen werden. Lest gerne rein!

Die Nachkriegszeit hinterließ uns vor allem in den größeren Städten zahlreiche baugleiche Häuser mit schmucklosen Fassaden und einem Fokus auf größtmöglicher Funktionalität bei möglichst geringem finanziellen Aufwand. Vielen Architekten waren diese seelenlosen Gebäude ein Dorn im Auge. Aus diesem Hintergrund entwickelte sich zwischen etwa 1960 und 1980 eine neue architektonische Bewegung: die Postmoderne.

Postmoderne Architektur: Merkmale

In der postmodernen Architektur lag der Fokus nicht mehr nur darauf, im Schatten des Zweiten Weltkriegs mit all seiner Zerstörung möglichst schnell Gebäude zu bauen. Vergangen waren Zeiten, in denen mit geringem finanziellen Einsatz Wohnraum entstand, bei dem die Form der Funktion unterliegt (form follows function).

Während gerade regionale Bautraditionen in den eher nüchtern geprägten Architekturstilen der Moderne gänzlich überwunden oder strikt abgelehnt wurden, änderte sich das mit dem Eintritt der Postmoderne.

Die prägendsten Merkmale der postmodernen Architektur sind:

  • Zurückgreifen auf geschichtliche Vorbilder und Wurzeln (Architekturzitate)
  • Oftmals beinahe ironischer, spielerischer Umgang mit traditionellen Architekturmerkmalen
  • Verwendung von Schmuck, Ornamenten, Symbolen oder Zeichen an Fassaden
  • Kaum sichtbarer Beton, dafür oft bunte Fassadengestaltung
  • Bauwerke sollen sich in Umgebung einordnen und diese ergänzen
  • Form follows fiction – Architektur soll Geschichten erzählen und Emotionen hervorrufen
  • Mix aus (oft regionaler) Bautradition und Internationalität

Postmoderne Architektur Beispiele

Piazza d’Italia

New Orleans, USA

Beim Piazza d’Italia handelt es sich um das Bauwerk der postmodernen Architektur, welches wohl am bekanntesten ist. Die Brunnenanlage ist so arrangiert, dass sie aus der Vogelperspektive die Umrisse des Landes Italiens formt. Umgeben ist sie dabei von Säulen.

Schon vor ihrer Fertigstellung im Jahr 1978 traf die Brunnenanlage in Architektenkreisen auf Empörung und Unverständnis. Der Architekt Charles Moore wollte mit seinem Entwurf für die italienisch-stämmigen Einwohner des Stadtviertels einen Ort schaffen, an dem sie sich ihrer Heimat nahe fühlen. Allerdings ist die Architektur der Anlage eher ein indirektes Zitat italienischer Baukunst.

Da die Postmoderne in der Architektur sich nicht, wie beispielsweise der Klassizismus, exakt an Vorgaben der zitierten Architekturepoche hält, sondern diese abändert und mit ihnen spielt, stößt dieser Stil oftmals auf wenig Verständnis. Es war gar nicht das Ziel, mit der Piazza d’Italia Brunnenanlage den tatsächlichen barocken Baustil nachzuahmen.

Moore provozierte mit seinem Bauwerk bewusst und verfolgte das Ziel, eine Veränderung des damals recht vernachlässigten Stadtbilds im Lagerviertel herbeizuführen. Er verewigte sich sogar selbst, indem er Wasserspeier mit seinem eigenen Gesicht in Auftrag gab. Zunächst verwahrloste die Anlage und wurde Anlaufpunkt für Vandalismus. In den frühen 2000ern wurde sie grundlegend saniert und ist heute ein berühmtes Beispiel für die Architektur der Postmoderne.

Neue Staatsgalerie Stuttgart

Stuttgart, Deutschland

Die Neue Staatsgalerie Stuttgart ist im Besitz einer der größten Kunstsammlungen Deutschlands. Vor allem Werke der Moderne finden hier ihren Platz. Durch die immer weiter anwachsende Sammlung wurde die Staatsgalerie mehrmals ausgebaut.

Die Alte Staatsgalerie wurde 1843 vom Architekten Georg Gottlob Barth entworfen und durch Albert von Bok im Jahr 1888 mit einem Anbau erweitert. Ein weiteres Mal wurde das Gebäude 1984 durch den postmodernen Bau der Neuen Staatsgalerie, entworfen von James Stirling, vergrößert, um mehr Platz zu schaffen.

Hier fällt Besuchern vor allem die Verbindung von traditionellem Sandstein mit modernen Glasfassaden und auffälligen Farben ins Auge. Die Neue Staatsgalerie fügt sich in das Ensemble problemlos ein und ist dennoch etwas ganz Besonderes. Genau diese Kombination aus traditionell und modern ist es, was die Neue Staatsgalerie einzigartig macht.

Im Jahr 2002 wurde ein weiterer Erweiterungsbau eröffnet, der mehr Platz für die Graphiken des Museums schuf. Heute umfasst die Ausstellungsfläche der Staatsgalerie insgesamt etwa 12.000 m². Alle Gebäude sind miteinander verbunden und bilden eine kunstvolle Einheit – in jeder Hinsicht.

Museum der japanischen Kunst und Technik

Krakau, Polen

Als Gemeinschaftsprojekt zweier Nationalitäten ist das Museum der japanischen Kunst und Technik (Manggha) ein beliebtes Beispiel für postmoderne Architektur. Die Geschichte des Bauwerks begann, als der Regisseur Andrzej Wajda im Jahr 1987 den Kyoto-Preis gewann.

Dabei handelt es sich in etwa um das japanische Gegenstück zum Nobelpreis im Bereich Kunst, Philosophie, Technologie und Wissenschaft. Wajda war, ebenso wie seine Frau Krystyna Zachwatowicz, fasziniert von der japanischen Kultur.

Das Preisgeld von 400.000 $ wollte er nutzen, um in Krakau ein neues Museum zu bauen. Gemeinsam mit dem berühmten japanischen Architekten Arata Isozaki sowie den Krakauer Architekten Krzysztof Ingarden und Jacek Ewý entwarf er ein Gebäude, das den japanischen Ausstellungsstücken im Krakauer Nationalmuseums einen ganz eigenen Platz bieten sollte.

Geformt ist das Gebäude wie eine teils gläserne Welle, die sich hervorragend in den Standort direkt an der Weichsel einfügt. Traditionelles Bauen mit Beton traf auf organische Strukturen und große, moderne Fensterflächen. Neben wechselnden Ausstellungen geht es im Manggha vor allem darum, Besucherinnen sowie Besuchern die japanische und asiatische Kultur näherzubringen.

Sozialistische Postmoderne

Im Gebiet der ehemaligen DDR, wie auch in anderen sozialistisch geprägten Staaten des Warschauer Paktes, brach die Epoche der Postmoderne erst etwas später an. Gerade in den Großstädten klafften noch immer Löcher des Zweiten Weltkriegs inmitten des Stadtkerns. In den 80er und 90er Jahren beschlossen die Stadtplaner, diese baulichen Lücken wieder zu füllen.

Zwar war der Wille da, zerstörte Denkmäler und Bauten vergangener Zeit wieder aufzubauen, doch es mangelte an notwendigem Baumaterial. Womit sollte gebaut werden? Beton war die schlichte Antwort auf jede Nachfrage. Die Plattenbauweise wurde ins Leben gerufen, um Städte möglichst günstig mit verfügbaren Mitteln zu sanieren oder neue zweckgebundene Bauten zu errichten.

Dabei handelt es sich um geschosshohe Betonfertigteile, die seriell in Fabriken hergestellt und vor Ort auf der Baustelle zusammengesetzt wurden, sozusagen ein Vorläufer des heutigen Modulbaus. Daher verfügen viele dieser sogenannten Plattenbauten über gleiche Grundrisse, was sie vor allem für den Wohnungsbau attraktiv machte. Doch nicht nur Wohngebäude wurden auf diese Weise hergestellt, auch einige repräsentative Bauten der Öffentlichkeit.

Friedrichstadt-Palast

Berlin, Deutschland

Die 80er Jahre waren zugleich Höhepunkt und Endpunkt der DDR. Nur wenige Jahre vor dem Mauerfall und damit dem Ende des Eisernen Vorhangs wurde der Friedrichstadt-Palast in Berlin eröffnet. Als letzter Repräsentationsbau vor der Wiedervereinigung ist er ein gelungenes Beispiel dafür, wie im Sinne der Postmoderne moderne Bauweisen mit traditionellen kombiniert wurden.

Nicht umsonst ist der Friedrichstadt-Palast mit einer halben Million Besuchern pro Jahr die meistbesuchte Bühne der Stadt. Merkmale des Jugendstils und Art déco trafen direkt auf die Plattenbauweise und erschufen gemeinsam ein Gebäude mit nach wie vor hohem Wiedererkennungswert.

Der rechteckige Grundriss und die Rundbogenformen der Fassade mit ihren großflächigen, bunten Glaselementen ziehen noch immer die Blicke der Besucher auf sich. Seit 2020 steht das Gebäude aufgrund seiner baugeschichtlichen und künstlerischen Bedeutung unter Denkmalschutz.

Zeitgenössische Postmoderne

In den späten 90ern und frühen 2000ern erlebte die Postmoderne einen erneuten Aufschwung. Gerade beim Errichten von repräsentativen Gebäuden wurde auf den Stilmix zwischen Tradition und Moderne zurückgegriffen, um einzigartige, kreative Bauwerke zu erschaffen.

Das Nutzen traditioneller Bauweisen in Verbindung mit modernen Ansätzen in der Architektur verhalf Gebäuden der zeitgenössischen Postmoderne zu einem hohen Wiedererkennungswert. Daher finden wir solche Bauwerke vor allem in Form von öffentlichen Gebäuden.

Bundeskanzleramt (Berlin, Deutschland)

Eines dieser Bauprojekte der zeitgenössischen Postmoderne ist das Bundeskanzleramt in Berlin. Als nach dem Fall der Mauer beschlossen wurde, Berlin zur Hauptstadt Deutschlands zu ernennen, sollte der Spreebogen neu bebaut werden.

Im Jahr 1993 gewann die Ausschreibung der Entwurf von Berliner Architekten: Axel Schulte und Charlotte Frank. Die Spree galt zuvor als Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Ein geradliniges breites Band sollte beide Ufer miteinander verbinden – ganz im Sinne der Wiedervereinigung.

Bereits 2001, vier Jahre nach Baubeginn, wurde das Ensemble eingeweiht. Biodiesel, Solarenergie und Strom aus ökologischen Quellen garantieren eine langfristig umweltschonende Energieversorgung. Das Regierungsgebäude selbst, ein 36 m hoher Kubus, schließt sich einem Ehrenplatz für den Empfang von Staatsgästen an.

Typisch für die Postmoderne ist das Spielen mit Elementen aus unterschiedlichen Architekturstilen. Gerade die Betonung von Symmetrie und Harmonie in der Grundstruktur sowie die Monumentalität eines Repräsentationsbaus orientiert sich sehr an der klassischen Architektur. Die helle, schlichte Fassade erinnert ebenfalls an Klassik. Genau so wurde allerdings auch auf moderne Elemente zurückgegriffen, wie die kubische Form und große Fensterfronten.

In jedem Fall ist das Bundeskanzleramt ein wirklich beeindruckendes Gebäude mit prägender Geschichte, die im Gesamtkonzept dieses Bauprojekts eine große Rolle spielt.

Fazit: Postmoderne Architektur

Zusammenfassen lässt sich die Postmoderne in der Architektur mit einer entschlossenen Gegenbewegung zur Moderne. Statt Gebäude ohne Seele zu bauen, sollten mit Architektur wieder Geschichten erzählt werden. Bauprojekte, denen eine besondere Bedeutung zukommt, müssen diese Intention schließlich auch nach außen hin vermitteln.

Die Postmoderne in der Architektur spielt mit Vergangenheit und Gegenwart des Bauwesens und vermengt verschiedene Baustile, um neue, kreative Bauwerke zu erschaffen, die in Erinnerung bleiben. Es ist nicht Fokus der Postmoderne, bereits Vergangenes exakt wiederzugeben, sondern es abzuwandeln, zu zitieren und in Verbindung mit zeitgenössischer Architektur zu ganz neuen Projekten zusammenzusetzen.

Was wir von postmoderner Architektur lernen können

Die wohl wichtigste Lektion, die wir für unsere Baubranche aus der postmodernen Architektur mitnehmen können, ist der kritische Umgang mit konventionellen Bauweisen sowie Baustilen. Immer wieder forderten Architekten der Postmoderne konventionelle Ansichten und Praktiken heraus. Sie hinterfragten die Sinnhaftigkeit starrer Muster und brachen die Grenzen zwischen Architekturstilen auf.

Auch wir können bestehende Annahmen und Methoden, unabhängig davon, wie etabliert sie in den letzten Jahrzehnten waren, infrage stellen. Nur mithilfe innovativer Lösungen sind wir in der Lage, über unseren Tellerrand hinauszuschauen und Möglichkeiten zu finden, aktuelle Probleme wie Klimaschutz und Bauen mit dem Bestand zu bewältigen.


Autor

Frau Ruthe ist im Marketing als Copywriterin zuständig für die Erstellung kreativer Texte und packender Headlines.