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22. Mai 2024

Das Schwabylon und der Yellow Submarine Club in München

Der wohl größte Pleitebau Münchens und ein exklusiver Club, in dem man mit Haien tanzen konnte. Klingt verrückt? Das war es auch! Das Schwabylon war in den 70er Jahren ein riesiges Freizeit- und Shoppingcenter, gleich neben dem dazugehörigen Yellow Submarine Club. Was als utopischer Traum geplant war, wurde zum wirtschaftlichen Albtraum. Nach wenigen Jahren war bereits Schluss: zu groß, zu schrill, zu teuer. Heute existieren beide Einrichtungen leider nicht mehr. Wir nehmen euch mit auf eine Reise durch die Geschichte des berühmten Schwabylon mit seinem Yellow Submarine Club.

Vorgeschichte zum Schwabylon

Die wilden 70er Jahre

In den 70er Jahren florierte die Baubranche. Verschiedene Architekturstile fassten Fuß und in den größeren Städten Deutschlands entstand eine Vielzahl von Bauten, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Brutalistische Betonklötze, nüchterne moderne Einfamilienhäuser und ganze Wohnsiedlungen, die innerhalb weniger Jahre aus dem Boden gestampft wurden: definitiv eine spannende Zeit!

Was in den 70ern ebenso florierte, war das Nachtleben. Überall eröffneten exklusive, teure Clubs, in denen die Nacht zum Tag wurde. Wir kennen die Geschichten von steigendem Drogenmissbrauch, der Zunahme organisierter Kriminalität in solchen Lokalen und Auswirkungen großer gesellschaftlicher oder kultureller Veränderungen. All das hatte große Einflüsse auf die Party-Szene der 70er.

Auch vor dem Alltagsleben machten diese kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen nicht Halt. In Stadtteilen wie Schwabing (München) etablierten sich neben tristem Grau in Grau zahlreiche Galerien, Künstlerwerkstätten und bekannte Clubs. Künstlerisch und in Sachen Nachtleben hatte Schwabing einiges zu bieten. Hier war man offen für andere Kulturen und Lebensweisen.

Schwabing war Zentrum vieler Studentenproteste, politischer Diskussionen sowie Ausgangspunkt des Widerstands gegen Autorität und traditionelle Werte. Doch wie in den meisten Stadtteilen war es hier auf den ersten Blick sehr grau und eintönig. Anfang der 70er fiel der Startschuss für einen Gebäudekomplex, der all diese besonderen Eigenschaften widerspiegeln sollte: Es entstand das Konzept von Schwabylon.

Ein völlig neues, nie dagewesenes Kulturzentrum sollte das gesamte Viertel revitalisieren. Endlich würde Schwabing auch nach außen so bunt und besonders sein, wie es im Inneren ist. Der Plan war ein riesiger Komplex, der alles verändern sollte, allerdings bereits nach einigen Jahren vollständig scheiterte. Gemeinsam tauchen wir ein in die Geschichte des wohl größten Pleitebaus, der in München je das Licht der Welt erblickt hat.

Der Schwabylon-Komplex

Wie entstand die Idee für das Schwabylon in München?

Ende der 60er Jahre beschloss der Augsburger Immobilienunternehmer Otto Schnitzenbaumer, dass im Münchner Stadtteil Schwabing etwas fehlte: ein kulturelles Zentrum. Er beauftragte den Schweizer Architekten Justus Dahinden mit dem Design eines riesigen Gebäudekomplexes.

Wohn-, Gewerbe-, Freizeit- und Kultureinrichtungen sollten an einem Ort zentriert dafür sorgen, dass der gesamte Stadtteil aufgewertet wurde, wie er es verdiente. Der Name des Komplexes setzt sich demnach aus dem Stadtteil Schwabing und Babylon zusammen – dem größten kulturellen Zentrum des alten Orients.

Wie sah das Schwabylon aus?

Sehen wir uns alte Fotos aus der Zeit nach dem Bau an, fällt der fast fensterlose Koloss sofort auf. Wie eine Stufenpyramide erhebt sich das Schwabylon in knalligen Farben der aufgehenden Sonne vor der grauen, schlichten Fassade des Holiday-Inn. Rechts daneben springt uns direkt das tiefblaue Yellow Submarine ins Auge – benannt selbstverständlich nach dem 1968 veröffentlichten Song der Beatles.

Der Schwabylon-Komplex an sich umfasste zahlreiche verschiedene Gebäude, darunter ein gesamtes Hotel mit Ladenflächen. Auch gewöhnliche Büros und Wohnungen gehörten dazu. Im farbenfrohen Hauptbau, dem eigentlichen Schwabylon, hatten Besucher die Wahl zwischen beinahe 100 Läden, Boutiquen und Galerien. Für das leibliche Wohl sorgten zwölf Restaurants und ein Biergarten mit altem Baumbestand für eine urige Atmosphäre.

Ebenfalls zum Schwabylon-Komplex gehörten eine klassische Spielhalle, ein Kino und verschiedene Sportanlagen wie eine Kunsteisbahn. Unterirdisch luden eine römische Therme und ein Schwimmbad Wellness-Enthusiasten zum Verweilen ein. Und natürlich das absolute Highlight: Vom benachbarten Holiday-Inn Hotel gelangten Feierwütige ins Yellow Submarine.

Das Schwabylon mit allen Bereichen, die dazugehörten, war ein großer Hoffnungsträger – nicht nur für seinen Besitzer Otto Schnitzenbaumer. Der Gebäudekomplex sollte für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen. Sein Ziel: Einheimische und Touristen gleichermaßen begeistern! Schließlich hatte das Schwabylon alles, was die Leute brauchten – rückwirkend betrachtet war es allerdings wohl etwas zu viel. Sehen wir uns aber erst einmal genauer an, was das Schwabylon in der damaligen Zeit so besonders machte.

Design und Architektur des Schwabylon

Wir haben bereits festgestellt, dass die Architektur und Farbgebung des Hauptgebäudes wirklich einzigartig ist. Irgendwo zwischen brutalistisch und futuristisch entstand ein beinahe fensterloser Koloss, der schon ohne die grelle Farbe aus der baulichen Umgebung hervorsticht. Der Architekt Justus Dahinden zeigte schon mit dem Meilenstein seiner Karriere, der Pyramide am See (Zürich, Schweiz), ein ganz ähnliches gestalterisches Konzept.

Und nicht nur von außen zeigten sich gewisse rebellische Züge: Es gab im gesamten Gebäude keine Treppen. Zwischen den Etagen zogen sich Rampen statt Stufen – allerdings wohl eher aus dem Wunsch nach Abgrenzung zum klassischen Design solcher Gebäudekomplexe. Ein früher Vorstoß in Richtung Barrierefreiheit ist es demnach nicht, was der innovativen architektonischen Gestaltung aber auch keinen Abbruch tut.

Früher Nachhaltigkeitsgedanke

Besonders interessant am Schwabylon war die Berücksichtigung von Aspekten, die wir heute unter dem Begriff Nachhaltigkeit zusammenfassen. Viel ist zur genauen Planung des Gebäudekomplexes nicht bekannt, aber was sich finden lässt, kann durchaus als Sammlung innovativer Ansätze im Bauwesen gesehen werden.

Als eines der ersten öffentlichen Bauwerke nutzte das Design des Schwabylon einfallendes, natürliches Sonnenlicht. Durch bewusste Planung wurde der Bedarf an künstlichem Licht so gut es ging reduziert. Zahlreiche Innenhöfe und angelegte Gärten sorgten für eine angenehme Atmosphäre.

Beim Bau und auch bei der Innenausstattung des Schwabylon setzten die Verantwortlichen auf recycelte Materialien, so weit es möglich war. Schließlich sollte dieses Bauwerk ja in jedem Sinn besonders werden. Eine bewusste Begrünung der Dächer und die Anpassungsfähigkeit des Grundrisses durch Modulbauweise runden Ansätze von architektonischen Ideen ab, die heute längst zu aktuellen Trends der Baubranche zählen. Das Schwabylon war seiner Zeit demnach um einiges voraus.

Yellow Submarine: Highlight des Schwabylon

Im Jahr 1971, noch zwei Jahre vor dem Schwabylon-Hauptbau, eröffnete direkt daneben ein Nachtclub, der vor allem unter dem Namen „Haifischdisko“ bekannt war. Und dieser Beiname war tatsächlich Programm.

Das Yellow Submarine war ein unterirdischer Club mit drei Etagen, umgeben von einem riesigen Wassertank. In etwa 650.000 l Meerwasser schwammen über dreißig Haie und einige Meeresschildkröten – ja, echte Tiere, leider. Zur damaligen Zeit war das ein absolutes Highlight, das zahlreiche Besucher anzog. Schließlich gab es damals nur wenige so große Aquarien in Deutschland.

Getreu dem Namen des Clubs war der Innenbereich des Yellow Submarine dem Inneren eines U-Boots nachempfunden. Eine Reling verband den 12 m hohen Bau über drei Stockwerke hinweg. Durch Bullaugen waren direkt die Meerestiere zu sehen, ein echter Hingucker also.

Dieses ganz besondere und einzigartige Ambiente machte das Yellow Submarine als Club über Nacht berühmt. Es entwickelte sich schnell zum wohl teuersten und bekanntesten Nachtclub der Stadt, wenn nicht sogar zu einem der berühmtesten Deutschlands.

Nicht nur für Partyhungrige bot das Yellow Submarine einiges. Auch für private oder geschäftliche Feiern war der Club buchbar. Neben der klassischen Disco hatten Besucher die Möglichkeit, exotische Speisen im Themenrestaurant zu genießen. Es gab beispielsweise gegrillten Hai, während man durch die Bullaugen hindurch die passenden Tiere dazu beobachten konnte – wie romantisch!

Gab es echte Haie im Yellow Submarine?

Diese Frage drängt sich aufmerksamen Lesern schnell auf. Wie passen eine wilde Disko und ruheliebende Tiere wie Haie und Meeresschildkröten zusammen? Richtig, gar nicht. Der Tierwohlgedanke war in den 70ern noch nicht sonderlich weit verbreitet.

Niedliche Affen als Haustiere, eine eigene Hyäne, Direktimporte tropischer Fische, deren natürlicher Fortbestand dadurch gefährdet wurde: ganz normal. Erst 1973 wurden im CITES, auch bekannt als Washingtoner Artenschutzübereinkommen, internationale Regeln festgelegt, die den uneingeschränkten Handel mit gefährdeten Tierarten stark eingrenzten.

Die Haie und Meeresschildkröten für das Yellow Submarine stammten stets direkt aus Mexiko – ein lukratives Geschäft für alle Beteiligten. Bereits 1971, kurz nach der Eröffnung des Yellow Submarine, kam es laut Aussagen von Verantwortlichen des Aquariums zu einem großen Wasserschaden. An einem Sonntagmorgen lief das Aquarium über und das gesamte Innere wurde mehrere Meter unter Wasser gesetzt. Alle Haie, die dadurch aus dem Becken geschwemmt wurden, verstarben, die Meeresschildkröten überlebten das Unglück.

Doch auch danach wurde es für die neu eingeflogenen Tiere nicht besser. Es war nicht möglich, in diesem Wassertank auf Dauer ausgewachsene Haie von bis zu 1,8 m Körperlänge unterzubringen. Tatsächlich schwammen dort lediglich junge Haie, die immer wieder neu importiert wurden. Denn die rauchgeschwängerte Luft und Zigarettenkippen betrunkener Gäste verkürzten ihre Lebensspanne auf oft nur wenige Monate.

Verbessern ließ sich die Lebensqualität der Tiere kaum, denn verantwortlich für dieses Becken war ein Mann, der nicht etwa Meeresbiologe oder ein anderer Experte für Meeresbewohner war, sondern lediglich der Besitzer einiger großer Zoohandlungen in München.

Scheitern des Schwabylon-Komplexes

Letztendlich erwies sich das gesamte Konzept des Schwabylon als komplette Fehlinvestition. Einerseits stieß das gesamte Projekt auf großes Interesse und zog auch die Aufmerksamkeit der Medien auf sich. Andererseits war der Schwabylon-Komplex einfach zu groß, um sich wirtschaftlich dauerhaft halten zu können.

Mit der Ölkrise im Jahr 1973, nur wenige Monate nach der Eröffnung des Schwabylons, wurde der Wirtschaftsboom in Deutschland abrupt gestoppt. Die arabischen Länder verhängten ein Embargo, demnach einen Stopp des internationalen Handels mit Rohstoffen. Zu diesen Ressourcen gehörte auch Öl. Wir haben vor kurzem erst selbst, zumindest in Anfängen, erlebt, was so etwas bedeuten kann. Die gesamte Wirtschaft lag 1973 still.

Fahrverbote, Stromspar-Tipps von der Regierung und ein Überdenken der Energiepolitik waren die Folge. Das Schwabylon und auch das Yellow Submarine traf dieser Umstand unverhofft stark. Der Ölpreis stieg um mehr als das Vierfache und die hohen Betriebskosten ließen Mietpreise explodieren. Die Kaufkraft und die Bereitschaft der Menschen, in den zahlreichen Bereichen des Komplexes Geld auszugeben, ging schnell gegen null.

Die Auswirkungen der Ölkrise hielten lange an. Im Jahr 1979, bereits sechs Jahre nach der Eröffnung, wurde den verbliebenen sechs Ladenmietern gekündigt und mit dem Abriss des Schwabylon-Hauptbaus begonnen.

Auch das Yellow Submarine litt unter den Konsequenzen der wirtschaftlichen Lage. Allein das Füttern der Tiere im Wassertank verschlang pro Tag etwa 500 DM und die Technik für eine so große Anlage zu warten, war sehr teuer. Zwar wurde der Club noch weiter betrieben, aber schon bald gab es dort keine echten Tiere mehr. Hinter den Bullaugen wurden stattdessen Bildschirme installiert – aus Tierschutzsicht wäre das wohl von Anfang an die beste Wahl gewesen.

Der Club kam schon bald in die Jahre und musste Anfang der 80er renoviert werden. Ab 1983 war das Trend-Lokal unter dem Namen „Aquarius“ bekannt. Neben seinem Dasein als Club für Events und Partys war das Aquarius weiterhin als beliebter Treffpunkt bekannt und behielt seinen ursprünglichen Charme bei.

Um Platz für Neues zu schaffen, wurde das Aquarius im Jahr 2013 geschlossen und das Gebäude abgerissen, entgegen deutlicher Bürgerproteste. Heute steht etwa an der gleichen Stelle das Schwabinger Tor, ein moderner Gebäudekomplex aus Freizeit- und Shoppingangeboten. Ein würdevoller Ersatz für ein so einzigartiges Projekt wie das Yellow Submarine? Das zu entscheiden, bleibt wohl jedem selbst überlassen.

Fazit: Schwabylon in München

Ein gescheiterter Traum?

Zusammengefasst ist das Projekt Schwabylon seiner Zeit weit voraus gewesen, vermutlich einfach etwas zu weit. Das Ziel, eine Utopie von einem Freizeit- und Kulturzentrum zu erschaffen, das absolut einzigartig ist, scheiterte wohl genau an diesem Punkt. Es war zu groß, zu schrill und zu schwer zu unterhalten.

Zwar passte es voll und ganz zum Zeitgeist und zum Stil des Stadtviertels Schwabing, eckte allerdings in zu vielen Bereichen an. Besucher fühlten sich geradezu erschlagen von der Fülle an Angeboten und der Betrieb des Schwabylon-Komplexes war schlicht zu teuer. Gerade der Ausbruch der Ölkrise 1973 markierte bereits das unausweichliche Ende eines solch komplexen Bauprojekts.

Schade ist es allemal, gerade aus architektonischer Sicht, dass der gesamte Komplex so schnell abgerissen wurde. Auch die Schließung des Yellow Submarine und der anschließende Abriss haben einen bitteren Beigeschmack. Schließlich sollte es uns doch darum gehen, gerade so einzigartige Gebäude mit einer bewegten Geschichte zu erhalten.

Leider gibt es nicht viele Informationen oder Bilder vom Schwabylon und dem Yellow Submarine. Was geblieben ist, sind Erinnerungen weniger Zeitzeugen, die hier und da schriftlich festgehalten wurden. Ein vergleichbares Projekt wird es vermutlich nie wieder geben und gerade München hat mit dem Schwabylon-Komplex ein großes Stück Architekturgeschichte verloren. Vor allem durch die Pop-Kultur bleiben uns zumindest einige Filmausschnitte oder Bilder erhalten.


Autor

Frau Ruthe ist im Marketing als Copywriterin zuständig für die Erstellung kreativer Texte und packender Headlines.