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21. September 2023

Zurück zu den Wurzeln: Der Klassizismus

Zwischen 1770 und 1840 zeigte sich eine alte Bauweise in neuem Gewand. Der Klassizismus brachte bis heute berühmte und bekannte Wahrzeichen hervor, inspiriert von Bauwerken der Antike. Was macht den Klassizismus aus und was können wir in unserem modernen Bauwesen daraus lernen?

Die prunkvolle Architektur des Barock kam Ende des 18. Jahrhunderts immer mehr aus der Mode. Überschwängliche, vollkommen übertriebene Dekorationen und überall protzendes Gold: Das wollten die Bauherren nicht mehr. Wie so oft änderte sich der Geschmack der Herrscherklasse und es entstand ein neuer Baustil. Streng genommen ist er nicht unbedingt neu, sondern basiert auf den Prinzipien antiken Tempelbaus, weist teils aber auch Merkmale der italienischen Frührenaissance auf.

Die Architektur kehrte also zurück zu ihren Wurzeln. Viele Bauwerke, gerade bekannte Regierungsgebäude, wurden im klassizistischen Stil errichtet und strahlen oftmals in einem hellen Weiß. Wir stellen euch die Merkmale dieses faszinierenden Baustils vor und sehen uns im Anschluss daran einige Beispiele für klassizistische Gebäude an. In unserem Fazit geht es dann darum, ob wir uns für unsere moderne Baubranche vielleicht sogar etwas aus dem Klassizismus mitnehmen können. Was können wir von alten Baumeistern lernen? Seid gespannt!

Merkmale des Klassizismus

Klassizistische Gebäude schon von weitem zu erkennen, ist nicht schwierig – im Gegenteil. Die oftmals weißen, grauen oder pastellfarbenen Bauwerke mit klarer Symmetrie und schlichter Fassade haben eine so monumentale Wirkung, dass sie schwer zu übersehen sind. Alte, oftmals griechische Architektur mit ihren Säulen und Pilastern ist hier unverkennbar Inspirationsquelle für beeindruckende Baukunst: die dorische, ionische und korinthische Ordnung feiern eine neue Blütezeit.

Erhaben thront der klassische Dreiecksgiebel über dem Eingang oder in der Mitte der Fassade, verziert mit Skulpturen oder einem kunstvoll gestalteten Relief, während die Grundrisse des Bauwerks in klaren, achsensymmetrischen Formen geplant wurden. Überhaupt spielt Symmetrie eine bedeutende Rolle im Klassizismus. Akribische mathematische Genauigkeit und die genaue Festsetzung von Proportionen greifen auf den Baustil der Antike zurück, um diesen in neuem Licht erstrahlen zu lassen.

Die Bauherren sehnten sich nach klassischer Schönheit und Harmonie als Reaktion auf die opulenten und verspielten Designs vorangegangener Epochen. Diese schlichte Eleganz verbunden mit klaren Linien und Strukturen macht den Klassizismus zu einer faszinierenden Baukunst, die uns noch heute nicht nur durch ganz Europa, sondern bis in die Vereinigten Staaten begleitet.

Beispiele Klassizismus

Ihr habt es gerade bereits gelesen: Interessante Klassizismus-Bauten gibt es nicht nur auf dem europäischen Kontinent. Die vermutlich bekanntesten von ihnen finden wir in den USA, direkt in der Regierungshauptstadt Washington D.C. Beide Gebäude haben eine bewegte Geschichte, die wir uns genauer ansehen wollen. Aber das Wichtigste: Was macht diese Bauwerke klassizistisch?

Das Weiße Haus

Washington D.C., USA

Beginnen wir mit dem wohl bekanntesten Gebäude überhaupt: dem Wohnsitz der US-Präsidenten. Seit Juni 1791 war das auffällige Bauwerk in der Pennsylvania Avenue das Zuhause aller US-Präsidenten, abgesehen von George Washington. Sein ursprünglicher Name lautete übrigens Presidential Mansion. Erst Präsident Theodore Roosevelt legte 1902 offiziell fest, dass der Spitzname „White House“ ab sofort auch der offizielle sein sollte.

Wie viele bedeutende Bauten wurde auch das Design des Weißen Hauses durch einen Architekten-Wettbewerb bestimmt, den der gebürtige Ire James Hoban für sich entschied. Der Bau wurde pünktlich zur Jahrhundertwende 1800 fertiggestellt. Auch interessant: Ursprünglich war die ikonische Fassade gelb gestrichen.

Lange hielt das Glück der Presidential Mansion allerdings nicht an, denn 1812 brach der zweite Unabhängigkeitskrieg aus. Britische Soldaten eroberten das Gebäude 1814 und brannten es vollkommen nieder. Erst einige Jahre später wurde der Wiederaufbau abgeschlossen: dieses Mal mit bis heute weiß gestrichener Fassade.

Bereits auf den ersten Blick fallen klassizistische Merkmale auf. Die Fassade ist beinahe schmucklos elegant, absolut symmetrisch und Säulen tragen einen typischen Dreiecksgiebel. Bei der Farbgebung handelt es sich übrigens um ein Creme-Weiß namens Whisper White, welches von einer Firma mit Sitz in Deutschland stammt.

Das Kapitol

Washington D.C., USA

Von hoch oben auf dem Capitol Hill leuchtet uns das Wahrzeichen Washingtons entgegen. In klassizistischem Weiß erstrahlt das Symbol für die Demokratie der Freien Welt: das Kapitol. Erbaut wurde es, das legt bereits die beeindruckende Kuppel nahe, nach dem Vorbild des antiken Pantheon. Seit 1800 werden hier die gesetzgebenden Sitzungen der USA abgehalten. Die Freude über einen festen Platz für Repräsentantenhaus, Senat, Supreme Court und die Library of Congress hielt nur einige Jahre.

Zunächst zahlte das Gebäude den Preis für damalige Missstände in der Bauwirtschaft. Materialknappheit und fehlendes Fachpersonal führten schnell dazu, dass 1806 im fertiggestellten Nordflügel bereits ein undichtes Dach, bröckelnder Putz und schimmelnde Fußböden für Unmut sorgten. 1811 sollte der Innenraum daher neugestaltet werden, doch diesem Vorhaben wurde schnell ein Riegel vorgeschoben.

Wie auch das Weiße Haus fiel das Kapitol im zweiten Unabhängigkeitskrieg britischen Truppen zum Opfer und brannte fast vollständig nieder. Das wiederaufgebaute Gebäude wurde einige Male vergrößert, da der Platz für die nach und nach beitretenden Staaten regelmäßig zu klein wurde. Am auffälligsten ist die das Bauwerk dominierende Kuppel. Die Rotunde wurde bereits als Holzbau fertiggestellt, später dann durch eine 55 Meter hohe Kuppel aus Gusseisen ersetzt.

Nicht nur die monumentale Kuppel ist ein deutlicher Bezug auf antike Baukunst. Auch die schlichte, aber elegant-weiße Fassadengestaltung mit ihren Säulen und der typische Dreiecksgiebel auf der Ostseite sind Merkmale des Klassizismus.

Das Panthéon

Paris, Frankreich

Der Werdegang dieses interessanten Bauwerks geht auf die lange Geschichte des Platzes zurück, auf dem es erbaut wurde. Seit dem fünften Jahrhundert stand hier stets eine Kirche. Auch Ende des 18. Jahrhunderts waren die Pläne klar: Errichtet werden sollte im Auftrag von König Ludwig XV. hier eine Kirche der mächtigen Abtei Sainte-Genevièvein.

1790 wurde das Bauwerk nach 26 Jahren vollendet, fiel damit allerdings in eine turbulente Zeit. Mit dem Sturm auf die Bastille 1789 begann die Französische Revolution und damit die Abkehr von Monarchie und der weltlichen Macht der Kirche. Die Führer der Revolution erklärten das Gebäude zu einer säkularen Gedenkstätte und das ist es bis heute.

Die nationale Ruhmeshalle der Helden und Revolutionäre Frankreichs ist noch heute ein beeindruckendes Touristenziel. Neben der klassizistischen grauen Fassade mit mächtigen Säulen und einem Dreiecksgiebel findet sich auch hier ein monumentaler Kuppelbau, inspiriert vom römischen Namensvetter, dem Pantheon. Von dieser Kuppel hängt an einem 67 Meter langen Drahtseil ein riesiges Pendel. Damit bewies Jean Bernard Foucault am 26. März 1851 die Erdrotation.

Das Brandenburger Tor

Berlin, Deutschland

Das Wahrzeichen Berlins wurde von König Friedrich Wilhelm II. in Auftrag gegeben und 1791 nach drei Jahren Bauzeit fertiggestellt. Bereits zwei Jahre später wurde die berühmte Plastik auf dem Brandenburger Tor angebracht: ein zweirädriger Streitwagen, gezogen von vier nebeneinander laufenden Pferden, während die Siegesgöttin Victoria die Zügel in der Hand hält. Diese Quadriga symbolisierte den einziehenden Frieden in die Stadt.

Doch das war erst der Beginn einer bewegten Geschichte. Die schweren Schäden durch Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg sorgten unter anderem dafür, dass die Plastik im Zuge der Rekonstruktion ersetzt werden musste.

Mit der Teilung Deutschlands und dem Bau der Mauer 1961 bildete sich rund um das Wahrzeichen ein Sperrbereich, der sich erst mit der Öffnung des Tores beim Mauerfall 1989 wieder mit Menschen füllte. Das Brandenburger Tor wurde zum Symbol der Wiedervereinigung Deutschlands.

Der Triumphbogen mit dorischen Säulen und einer Quadriga auf der Spitze erinnert stark an die Propyläen der Athener Akropolis. Er ist eines der bedeutendsten klassizistischen Bauwerke.

Die Walhalla

Regensburg, Deutschland

Bei der Walhalla handelt es sich um eines der bedeutendsten deutschen Nationaldenkmäler. Geradezu majestätisch thront der Tempel auf einem Hügel oberhalb der Donau. Doch sein Ursprung liegt nicht, wie das typische Aussehen vermuten lässt, in der Antike. Es handelt sich um einen der beeindruckendsten klassizistischen Bauten aus dem frühen 19. Jahrhundert.

Als das Heilige Römische Reich Deutscher Nation durch die Konsequenzen der Napoleonischen Kriege unterging, kam es zur Bildung des Deutschen Bundes. König Ludwig I. von Bayern fühlte sich angesichts dieser hohen Verluste verpflichtet, eine zentrale nationale Gedenkstätte zu schaffen.

So beauftragte er Leo von Klenze, einen der berühmtesten Architekten des Klassizismus, mit dem Bau einer Ruhmeshalle für berühmte deutsche Persönlichkeiten mit „teutscher Zunge“. Der Bau dauerte von 1830 bis 1842 an und gilt für seine Synthese aus traditionellen Gestaltungsformen der Antike und dem damaligen Stand der Bautechnik als klassizistisches Meisterwerk.

Besucher finden hier Marmorbüsten von 131 Persönlichkeiten und Gedenktafeln weiterer 65 bedeutender Menschen der deutschen Geschichte. Mit seiner strahlend weißen Fassade, dem verzierten Dreiecksgiebel und den Säulengängen gleicht der Tempel seinen antiken Vorbildern in Schönheit und Präzision: ein wahres Meisterstück der klassizistischen Baukunst.

Fazit Klassizismus

Nach Jahrhunderten von Pracht und Prunk absolutistischer Herrschaft sowie der Macht der Kirche kehrte die Baukunst sich wieder alten Idealen zu. Wir finden in diesen beeindruckenden Wahrzeichen stiltypische Merkmale der Antike, die bei Betrachtern eine völlig andere Form von Ehrfurcht auslösen.

Ruhige, neutrale Fassaden ohne viel Schnickschnack treten beinahe leuchtend aus ihrer Umgebung hervor und fallen Besuchern der Region sofort ins Auge. Solche Bauwerke hinterlassen einen bleibenden Eindruck und ziehen uns Menschen selbst nach Jahrhunderten noch immer in ihren Bann. Was also können wir uns für unsere moderne Baubranche von Baumeistern des Klassizismus abschauen?

Was wir vom Klassizismus lernen können

Beeindruckende Gebäude brauchen Zeit. Das bezieht sich nicht nur auf den Bau an sich, sondern vor allem auf die Planung. Mit der Planung und sorgfältigen Vorbereitung waren klassizistische Architekten und Ingenieure oftmals über Monate oder Jahre beschäftigt.

Natürlich haben wir heute ganz andere Möglichkeiten, um diese Zeitspanne zu verkürzen. Allerdings können wir uns diese Sorgfältigkeit zum Vorbild nehmen. Durch mehr Zeit bei der Konzeption von Gebäuden passieren später beim Bau weniger Fehler. Die eingesparten Stunden können ansonsten schnell in ungeahnte Höhen umschlagen.

Verzögerungen oder Umplanungen aufgrund von Fehlern der ersten Planungsstufen kosten Zeit und Geld: Ressourcen, die in unserer modernen Baubranche schnell zu Problemen führen. Würden wir uns mehr Zeit für die Planung und Vorbereitung eines Bauprojekts nehmen, als alles immer möglichst schnell umsetzen zu wollen, könnten wir weit effizientere und exaktere Baufortschritte erreichen.

Hinsichtlich der Dekoration von Gebäuden ist weniger manchmal mehr, das zeigen die eleganten Fassaden klassizistischer Bauwerke deutlich. Noch dazu können wir das Wissen über architektonische Traditionen alter Baumeister dazu nutzen, mit einer weiterentwickelten Form der damaligen Techniken zeitlose, innovative Schmuckstücke zu konstruieren. Unsere moderne Baubranche braucht also ein wenig mehr Kreativität und Mut dazu, Bestehendes weiterzuentwickeln, anstatt beim Standard stehenzubleiben.


Autor

Frau Ruthe ist im Marketing als Copywriterin zuständig für die Erstellung kreativer Texte und packender Headlines.