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3. Mai 2024

Turm des Scheiterns: Das Ryugyong Hotel (Nordkorea)

In Pjöngjang, der Hauptstadt Nordkoreas, sollte mit dem Ryugyong Hotel ein einzigartiges Bauprojekt umgesetzt werden – das höchste Hotel der Welt. In diktatorischen Regimes haben monumentale Bauwerke eine wichtige Aufgabe: Sie unterstreichen den Machtanspruch der Regierung. Doch der Traum vom Propaganda-Palast scheiterte. Wie aber kam es dazu? Hier erfahrt ihr mehr!

Es sollte das Wahrzeichen für den Fortschritt einer gebeutelten Nation sein. Ein Symbol des Aufschwungs, der Überlegenheit. Eine Leinwand für Propaganda und das höchste Hotel der Welt: das Ryugyong Hotel in Nordkorea. Doch auch die aufwendigste Staatspropaganda kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Monument seit über 30 Jahren auf seine Fertigstellung wartet.

Initiator dieses Mammutprojekts war in den 1980er Jahren die nordkoreanische Regierung selbst. Mit zunächst 300, später 330 m Höhe galt das Ryugyong Hotel zu dieser Zeit als das höchste geplante Hotel der Welt. Ursprünglich sollte es über 105 Stockwerke mit mehreren tausend Hotelzimmern verfügen. Und schauen wir heute auf die Fassade, bietet sich uns ein beeindruckendes Bild: Von weitem erinnert das Gebäude an eine riesige verspiegelte Pyramide.

Tatsächlich entspricht der Grundriss einem gleichschenkligen Ypsilon. Eine weitere Besonderheit zeigt sich in der Spitze des Bauwerks. Hier sehen wir einen hervorstehenden Kegelstumpf aus acht Etagen, darüber sechs weitere Stockwerke. Diese acht hervorstehenden Geschosse sind in der Lage, zu rotieren und dadurch prädestiniert für ihre ursprüngliche Bestimmung. Denn hier sollten fünf luxuriöse Restaurants mit Blick auf die Hauptstadt ihren Platz finden.

Weshalb dieses monumentale Gebäude in unserer Reihe „Ewige Ruinen“ seinen Platz findet, mag auf den ersten Blick überraschend sein: Das Ryugyong Hotel wurde nie fertiggestellt. Seit Jahrzehnten trägt es den unheilvollen Namen „Hotel der Geister“ oder auch „Hotel of Doom“. Ob es hier spukt? Wer weiß. Genügend urbane Legenden weiß das Internet zu erzählen. Doch konzentrieren wir uns vorerst auf die Fakten, zumindest jene, die durch die strenge Zensur hindurch die Landesgrenzen Nordkoreas überwinden konnten.

Die Baugeschichte des Ryugyong Hotels

Die Planung des Ryugyong Hotels begann in den 1980er Jahren. Kim Il-sung, der erste Führer Nordkoreas, hegte den Wunsch nach einem unverwechselbaren Wahrzeichen mit starker Symbolik für sein Land. Die Wahl fiel auf eine dreiseitige pyramidenförmige Struktur, sehr ungewöhnlich für ein Bauprojekt dieser Größe, gerade mit den Mitteln, die der Tragwerksplanung zu dieser Zeit zur Verfügung standen.

Warum ist das Ryugyong Hotel eine Pyramide?

Bei näherer Betrachtung sieht das Ryugyong Hotel mit seinen drei Flügeln beinahe aus wie ein Düsenjet, bereit, senkrecht in die Luft zu starten – ein starkes Symbol für Nordkorea. Doch die Pyramidenform des Ryugyong Hotels dient bei weitem nicht nur der Stabilität des Gebäudes.

Denn schon seit Jahrtausenden ist die Pyramide ein Symbol für Macht, Stärke und Beständigkeit – denkt nur an die riesigen Grabmäler der ägyptischen Pharaonen. Nordkorea sollte hiermit ein Monument der Dominanz erhalten und sich mit vergangenen großen Herrscherkulturen messen können.

Nicht nur in vergangenen Kulturen findet die Pyramidenform eine außerordentliche symbolische Bedeutung. Vielmehr ging es hierbei um das sogenannte Juche-Prinzip (Prinzip der Eigenständigkeit / Autarkie): die offizielle Ideologie der Regierung Nordkoreas. Diese „Ein-Mann-Herrschaft“ unter Kim Il-sung sollte nach dem Fall der Sowjetunion auch auf institutioneller Basis gerechtfertigt werden.

In der grafischen Darstellung handelt es sich bei diesem Regierungsprinzip um die sogenannte Juche-Pyramide. Die Führung der Kim-Familie steht direkt an der Spitze der Gesellschaft und die Macht geht hierbei von oben nach unten aus.

Wieso baute Nordkorea ein so großes Hotel?

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines so großen Hotels in einem Land, das sich gesellschaftlich und wirtschaftlich stark abschottet, ist mehr als berechtigt. Eventuell war das Ryugyong Hotel als langfristige Investition geplant, um Touristen anzuziehen. Ob Kim Il-sung überlegte, Nordkorea irgendwann für den internationalen Tourismus zu öffnen? Unwahrscheinlich.

Denkbarer ist, dass dieses Gebäude allein für nationale und internationale Propaganda-Zwecke errichtet werden sollte. Ziel war es vielmehr, der restlichen Welt zu zeigen, wie breit die nordkoreanische Wirtschaft aufgestellt ist – auch abseits von Militär und Schwerindustrie.

Probleme beim Bau des Ryugyong Hotels

Im Jahr 1987 begannen die Bauarbeiten. Geplant war, das Hotel bereits wenige Jahre später, zum Start der 13. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Pjöngjang (1989), fertigzustellen. Doch es lief nicht wie geplant.

Durch die starke Isolation und interne wirtschaftliche Probleme geriet Nordkorea während der Bauzeit in eine schwere Krise, von der sich das Land bis heute nicht erholt hat. Der Eröffnungstermin wurde verschoben und als 1989 die Sowjetunion als starker Partner Nordkoreas zusammenbrach, riss sie Nordkoreas Wirtschaft mit sich in den Abgrund. Trotz Bemühungen der Kim-Regierung musste die Fertigstellung des höchsten Hotels der Welt 1992 vorerst eingestellt werden.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Ryugyong Hotel noch immer im Rohbau. Es stand lediglich die Stahlbetonkonstruktion. An Fenster und Inneneinrichtung war noch nicht zu denken. Jahrzehntelang ragte der Stahlbetonkoloss mit seinem Baukran an der Spitze über der Hauptstadt.

Obwohl bis 2008 vieles in den internationalen Medien spekuliert wurde, gab es nie eine öffentliche Äußerung oder Stellungnahme der Regierung zur Bauruine. Die nordkoreanischen Behörden taten einfach, als ob es diesen von überall aus sichtbaren Koloss nicht gab. Nicht einmal auf offiziellen Stadtplänen oder Karten war das Hotel zu finden.

Ausländische Investoren

Im Mai 2008 drangen erste Informationen nach außen, allerdings nicht durch Nordkorea selbst. Ein südkoreanischer Politiker berichtete von einem Deal Nordkoreas mit der ägyptischen Orascom Group. Orascom Telecom sollte als Mobilfunkanbieter das nordkoreanische Mobilfunknetz ausbauen und betreiben. Als Teil dieser Vereinbarung sollte die „Verschönerung“ des Gebäudes durch Orascom mit mehreren 100 Mio. Dollar bezuschusst werden und das Unternehmen erhielt 100 Jahre lang die exklusiven Nutzungsrechte für das Hotel.

Es wurden demnach wieder Bauarbeiten eingeleitet, die allerdings wenige Jahre später eingestellt werden mussten. Die genauen Gründe sind unklar, aber vermutlich ging es auch hier um wirtschaftliche und finanzielle Probleme. Schließlich war die Konstruktion seit über 20 Jahren unvollendet und sämtlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Wenn überhaupt bereits Technik verbaut worden war, wäre sie sicher bereits veraltet. Wie Gebäude bei uns aussehen, wenn sie jahrelang unbewohnt sind, wissen wir schließlich.

Renovierungsversuche am Ryugyong Hotel

Laut nordkoreanischen Behörden sollte das Hotel zum 100. Geburtstag des Staatsgründers Kim Il-sung (1912–1994) fertiggestellt sein. Der ursprüngliche Plan wurde auf eine gemischte Nutzung heruntergebrochen: ein rotierendes Restaurant, Hotelzimmer sowie verschiedenste Geschäftsräume und Wohnungen. Von 2009 bis 2011 wurde die verspiegelte Fassade fertiggestellt. Auch mit dem Innenausbau, so kündigte Orascom als Investor an, sollte 2010 begonnen werden.

Es schien den nordkoreanischen Behörden nach gut zu laufen. Ab August 2013 sollte die Kempinski Hotels S.A., die älteste Luxushotelgruppe Europas, in den obersten Stockwerken ein Hotel betreiben. Geplant waren 150 Zimmer. Aus nicht geklärten Gründen wurde dieses Projekt nach einigen Monaten Planung jedoch wieder verworfen. Eine mögliche Erklärung dafür wäre der schlicht unmögliche Markteintritt in Nordkorea durch ein ausländisches Unternehmen.

Die offizielle Fertigstellung blieb aus. Es ist ruhig geworden um das Ryugyong Hotel, das einst höchste geplante Hotel der Welt. Selbst die LED-Streifen, die 2018 an der Fassade befestigt wurden, können mit den Szenen aus Filmen und die für Nordkorea typische Staatspropaganda nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Projekt wohl endgültig gescheitert ist.

Warum musste das Ryugyong Hotel scheitern?

Mit dem Zerfall der Sowjetunion 1989 endete der Kalte Krieg in Europa. Aufgrund des Atomwaffenprogramms und der erwiesenen Menschenrechtsverletzungen wurden Nordkorea strikte Sanktionen auferlegt. Die internationalen Beziehungen änderten sich und das Land verlor seine wichtigsten Handelspartner. Über die Hälfte aller Fabriken mussten schließen, oft ist sogar von 90 % die Rede.

Noch dazu wurde Nordkorea innerhalb der letzten Jahrzehnte Opfer von Naturkatastrophen. Dürren, Überschwemmungen, ausbleibende Ernten: Die Nahrungsmittelknappheit griff um sich und zog entsprechende wirtschaftliche Folgen mit sich. Nordkorea konnte sich kaum noch selbst versorgen. Zusätzliche Ressourcen in solch ein großes Bauprojekt zu stecken, war demnach keine Option.

Zwar finden sich in den letzten Jahren immer wieder Berichte darüber, Nordkorea würde sich der Welt allmählich wieder öffnen und wirtschaftliche Reformen durchführen wollen, doch messbare Auswirkungen auf die Wirtschaftslage lassen sich bisher nicht feststellen. Die Isolation zum Rest der Welt macht es demnach verständlicherweise schwer, ein solches Mammutprojekt wie das Ryugyong Hotel fertigzustellen.

Ein weiterer Grund für das Scheitern dieses Bauprojekts ist zweifellos auch der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Wir wissen aus unserer eigenen Baubranche, wie händeringend nach qualifiziertem Personal gesucht wird. In einem Land wie Nordkorea dürfte dieses Problem um einiges verschärft sein, gerade da der Fokus hier seit Jahrzehnten mehr auf der Rüstungsindustrie liegt.

Durch die Isolation vom Rest der Welt wäre zudem denkbar, dass moderne Technologien und Methoden zum Errichten von Hotelanlagen oder Wohngebäuden, die schon in unserem Bauwesen längst überholt werden müssten, in Nordkorea noch nicht einmal zur Verfügung stehen.

Wie steht es heute um das Ryugyong Hotel?

Heute sieht das futuristisch anmutende Ryugyong Hotel zumindest äußerlich fertiggestellt aus. Offiziell wurde der Bau allerdings nicht abgeschlossen und das Gebäude nie eingeweiht. Offensichtlich kann es demnach noch immer nicht genutzt werden. Was ihm zu einem funktionierenden und bewohnbaren Gebäude noch fehlt, ist nicht öffentlich bekannt. Durch die starke Zensur des Kim-Regimes dringen ohnehin kaum Informationen nach außen. Zumindest nicht, wenn sie negativ ausgelegt werden könnten.

Einigen wenigen Berichten zufolge können wir davon ausgehen, dass der Innenausbau nie wirklich begonnen wurde. Berichtet wird sogar von nach wie vor fehlenden Stromleitungen im gesamten Bauwerk. Diese Erzählungen stammen allerdings von wenigen nationalen Besuchern des Gebäudes und ob wir dem glauben können, sei dahingestellt.

Wie bei den meisten Bauprojekten mit einer solchen Geschichte ranken sich auch um das Ryugyong Hotel zahlreiche Gerüchte. Mangelnde Kompetenz der Ingenieure, fehlendes Baumaterial oder Unfälle aufgrund ungenügender Bausicherheit scheinen in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage Nordkoreas realistisch. Wenige Jahre vor dem Baubeginn des Hotels wurde der Triumphbogen eingeweiht, anlässlich des 70. Geburtstags von Kim Il-sung. Grundlegende Erfahrung mit Großprojekten hatte das Land also, aber an Wissen zu modernen Bauwerken fehlte es.

Die unvollendete Bauruine wird oftmals als Geisterhotel bezeichnet. Obwohl es tatsächlich Berichte über Geistererscheinungen im Gebäude gibt, geht es dabei vorrangig um die unheimliche Atmosphäre und die Verlassenheit, ähnlich wie in einer Geisterstadt. Letztendlich ist das Ryugyong Hotel ein Symbol für das Scheitern Nordkoreas: politisch und wirtschaftlich.

Wird das Ryugyong Hotel jemals fertiggestellt?

Mittlerweile ist die Fertigstellung des Ryugyong Hotels unwahrscheinlich. Die politische und wirtschaftliche Situation Nordkoreas ist und bleibt wohl auch in Zukunft instabil. Die Prioritäten der Regierung als alleiniger Entscheidungsträger liegen nicht in der Fertigstellung ihrer angefangenen Bauprojekte, wie schon das Yŏnggwang Hot’el zeigte – ein weiteres großes Hotelprojekt, das 2013 nach nur zwei Jahren Bauzeit auf Eis gelegt wurde.

Auch die Sanktionen gegen Nordkorea werden mit großer Wahrscheinlichkeit andauern, denn solange sich an der Kim-Dynastie nichts ändert, bleibt alles beim Alten. Doch selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass finanzielle Mittel, das Interesse der Regierung und genügend Baumaterialien zur Verfügung stünden: Es wäre nur schwer umzusetzen, ein so großes Gebäude, das über eine solch lange Zeitspanne leer stand, in einen zeitgemäßen Zustand zu bringen.

Noch dazu hat das Bauingenieurwesen in Nordkorea keinen besonders guten Ruf. Erst 2014 stürzte ein Wohnhaus in Pjöngjang aufgrund struktureller Probleme ein und riss den nordkoreanischen Behörden nach etwa 500 Menschen mit sich in den Tod. Vier Ingenieure, die an diesem Bauvorhaben beteiligt gewesen sein sollten, wurden laut offiziellen Quellen einige Tage nach dem Unglück hingerichtet. Es ist demnach wirtschaftlich und moralisch mehr als verständlich, dass ausländische Investoren sich von nordkoreanischen Projekten lieber fernhalten.

Fazit: Scheitern eines Bauprojektes und Scheitern einer Nation

Letztendlich können wir zusammenfassen, dass dieses Gebäude seinen Zweck als Zeichen des Fortschritts Nordkoreas nicht nur verfehlt, sondern ins Gegenteil verkehrt hat. Die angepriesene Überlegenheit des nordkoreanischen sozialistischen Systems und der Personenkult rund um die Führung der nordkoreanischen Regierung durch die Kim-Dynastie wirkt vor diesem Hintergrund fast ironisch.

Von offiziellen nordkoreanischen Medien haben wir nur Bilder und Berichte über das Ryugyong Hotel gesehen, die durch starke Zensur und einen ausgeprägten Propaganda-Charakter für eine moderne Großstadt sprechen sollen. Denkbar ist also, dass diese Darstellungen teils stark von der Realität abweichen.

Die Umsetzung von Großprojekten wie dem Ryugyong Hotel erfordert eine sorgfältige Planung, die transparente Zusammenarbeit verschiedener Gewerke und natürlich hohe fachliche Kompetenz. Wir haben schon bei Großprojekten in Europa, wie dem Berliner Flughafen (BER) oder Stuttgart 21, beobachten können, dass es oftmals sehr schwierig ist, solche Bauprojekte erfolgreich und wie geplant umzusetzen.

Auch das Fehlen der Trennung von Politik und Bauwesen in Nordkorea ist zweifellos ein großer Faktor, der zum Scheitern des Ryugyong Hotels geführt hat. Einmischungen der Politik im Bauwesen haben zahlreiche negative Effekte auf Bauzeit und Qualität der Bauwerke. Neben bürokratischen Verzögerungen kommt es oftmals zu nicht sinnvollen Entscheidungsprozessen und ineffizienter Ressourcennutzung.

Eine klare Trennung von Politik und Bauwesen verhindert Begleiterscheinungen wie Korruption oder Misswirtschaft und stärkt das Vertrauen der Öffentlichkeit, beispielsweise auch der Sponsoren, darin, dass dieses Projekt erfolgreich abgeschlossen werden kann.

Die Planung und Umsetzung eines so großen Projekts sollte ohne politischen Druck in die Hände fähiger Expertinnen und Experten gegeben werden. Durch die politische Einmischung stehen politische Ideale jedoch oftmals über Aspekten wie einer unabhängigen Bauaufsicht und entsprechender Qualitätskontrolle. Und das rächt sich oftmals, wie in diesem Beispiel auch ohne offizielle Stellungnahme der nordkoreanischen Regierung zweifelsfrei zu erkennen ist.


Autor

Frau Ruthe ist im Marketing als Copywriterin zuständig für die Erstellung kreativer Texte und packender Headlines.



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