Die Finite-Elemente-Methode (FEM) ist ein leistungsstarkes numerisches Verfahren, das im Bauwesen eingesetzt wird, um das Verhalten von Tragwerken unter verschiedenen Lasten und Randbedingungen zu untersuchen. Sie stellt einen mathematischen Ansatz dar, der komplexe Modelle in kleinere, überschaubare Elemente zerlegt und es den Ingenieuren ermöglicht, ihr Verhalten genauer anzunähern.
Im Kontext des Bauwesens wird FEM eingesetzt, um vorherzusagen, wie Strukturen wie Brücken, Gebäude und Dämme auf äußere Kräfte wie Lasten und Umweltbedingungen reagieren werden. Die Analyse umfasst mehrere wichtige Schritte:
- Diskretisierung: In einem ersten Schritt wird die gesamte Struktur in kleinere finite Elemente wie Dreiecke oder Rechtecke für 2D-Strukturen oder Tetraeder und Hexaeder für 3D-Strukturen zerlegt. Diese Elemente sind an bestimmten Punkten, den sogenannten Knoten, miteinander verbunden.
- Aufstellung der Gleichungen: Für jedes Element werden Gleichungen basierend auf den maßgeblichen physikalischen Gesetzen wie Gleichgewichtsgleichungen, Materialgesetzen und Verträglichkeitsbedingungen formuliert. Oft liegen diese Gleichungen in Form von Matrizen vor.
- Montage: Die Gleichungen der einzelnen Elemente werden zu einem Gleichungssystem für die gesamte Struktur zusammengefasst. Dieser Prozess umfasst das Zusammenstellen der Steifigkeitsmatrix und des Lastvektors, indem die Beiträge aller Elemente und ihrer jeweiligen Knoten berücksichtigt werden.
- Anwendung der Randbedingungen: Auf das Gleichungssystem werden Randbedingungen angesetzt, die durch Auflager und aufgebrachte Lasten auf dem System abgebildet werden. Dieser Schritt ist entscheidend, um das reale Verhalten der Struktur genau simulieren zu können.
- Lösung: Das Gleichungssystem wird mit numerischen Verfahren wie der Matrixinversion oder iterativen Methoden gelöst. Sie werden in späteren Kapiteln thematisiert. Die Lösung liefert Verschiebungen, von denen später Reaktionen und Schnittgrößen im System berechnet werden können.
- Nachbearbeitung: Sobald die Lösung steht, können die Ingenieure wertvolle Informationen wie die Spannungsverteilung, Verformungsbilder und Sicherheitsfaktoren abfragen. Im Post-Processing werden Reaktionen und Schnittgrößen basierend auf den Verschiebungsergebnissen berechnet. Mithilfe dieser Angaben kann beurteilt werden, ob die Konstruktion die Bemessungskriterien und Sicherheitsstandards erfüllt.
Die FEM bietet in der Baustatik mehrere Vorteile:
- Flexibilität: Mit FEM lassen sich komplexe Geometrien und Materialverhalten abbilden, die im Ingenieurbau häufig anzutreffen sind.
- Genauigkeit: Durch die Unterteilung von Strukturen in kleinere Elemente liefert die FEM eine genauere Abbildung des Verhaltens von Strukturen im Vergleich zu vereinfachten analytischen Methoden.
- Vielseitigkeit: Mit FEM ist es möglich, eine Vielzahl von Beanspruchungen zu analysieren, einschließlich statischer, dynamischer, thermischer und Fluid-Struktur-Interaktionen.
- Optimierung: Mit FEM können Bemessungen optimiert werden, indem das Tragwerk auf der Grundlage von Analyseergebnissen iterativ verfeinert wird.
- Realistische Simulationen: Mit FEM ist es möglich, das Verhalten von Tragwerken unter verschiedenen Bedingungen zu simulieren, wodurch bessere Design-Entschei-dungen getroffen werden und das Verständnis potenzieller Versagensarten gewährleistet wird.
Die nächsten beiden Unterkapitel beschäftigen sich mit linearen und nichtlinearen Solvern. Im Folgenden werden deren Unterschiede und Besonderheiten kurz erläutert.
Im Zusammenhang mit der Finite-Elemente-Methode (FEM) bezieht sich die Unterscheidung zwischen linearen und nichtlinearen Solvern darauf, wie das Verhalten von Materialien und Strukturen als Antwort auf aufgebrachte Lasten behandelt wird. Im Allgemeinen lauten die Unterschiede zwischen linearen und nichtlinearen Solvern wie folgt:
Linearer Löser
Ein linearer Solver wird verwendet, wenn das Verhalten des Materials oder der Struktur als linear angenähert werden kann. Lineares Verhalten impliziert, dass der Zusammenhang zwischen Spannungen und Dehnungen unabhängig von der Größe der aufgebrachten Lasten konstant bleibt. Mit anderen Worten wird das Superpositionsprinzip angewendet, was bedeutet, dass die Antwort auf eine Kombination von Lasten einfach die Summe der Antworten auf jede einzelne Last ist.
Lineare Gleichungslöser sind schneller und oft auch einfacher zu implementieren, da sie direkte Lösungsmethoden wie die Gaußsche Elimination oder die Matrixfaktorisierung verwenden können, um das Gleichungssystem zu lösen. Diese Solver eignen sich gut für Fälle, in denen Verformungen klein sind und sich Materialien elastisch verhalten, ohne wesentliche Änderungen in Steifigkeit oder Geometrie zu erfahren.
Nichtlinearer Gleichungslöser
Ein nichtlinearer Solver wird benötigt, wenn das Material oder das Tragverhalten nichtlinear ist. Nichtlineares Verhalten kann infolge von Faktoren wie großen Verformungen, Fließen von Materialien, Kontakt zwischen Flächen oder Änderungen der Steifigkeit infolge von Schäden oder anderen Effekten resultieren.
In der nichtlinearen Analyse ist der Zusammenhang zwischen Spannungen und Dehnungen nicht konstant und das Superpositionsprinzip gilt nicht mehr. Dies bedeutet, dass die Antwort auf kombinierte Beanspruchungen nicht einfach durch Aufsummierung der Antworten auf einzelne Beanspruchungen ermittelt werden kann.
Nichtlineare Solver verwenden iterative Verfahren, um die Lösung anzunähern. Dabei wird in der Regel die Steifigkeitsmatrix aktualisiert und so lange iteriert, bis eine Konvergenz erreicht wird. In RFEM stehen verschiedene Lösungsmethoden zur Verfügung, die im Unterkapitel Nichtlineare Solver näher erläutert sind.
Wichtige Unterschiede
Die Hauptunterschiede zwischen linearen und nichtlinearen Solvern sind in der folgenden Tabelle gegenübergestellt.
Aspekt | Linearer Löser | Nichtlinearer Gleichungslöser |
---|---|---|
Verhaltensannahme | Geht von linearem Materialverhalten aus und folgt dem Superpositionsprinzip. | Berücksichtigen Sie nichtlineares Materialverhalten, geometrische Nichtlinearität und andere komplexe Effekte. |
Lösungsansatz | Verwendet direkte Lösungsmethoden für das Gleichungssystem. | Verwendet iterative Methoden, die mehrere Iterationen zur Konvergenz erfordern. |
Konvergenzherausforderungen | Die Konvergenz ist in der Regel kein großes Problem. | Konvergenz kann aufgrund des nichtlinearen Verhaltens eine Herausforderung darstellen. Erste Vermutungen und Lösungsstrategien sind entscheidend. |
Berechnungszeit | Im Allgemeinen schneller als nichtlineare Gleichungslöser. | Langsamer aufgrund der iterativen Natur und Komplexität des Problems |
Anwendungen | Für Fälle mit kleinen Verformungen und linearem Materialverhalten geeignet. | Erforderlich für Fälle mit großen Verformungen, Fließen, Kontakt und anderen nichtlinearen Effekten. |