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23. Januar 2019

Lastkombinationen im Holzbau für europäische und amerikanische Holzbaunormen

Neben der Bestimmung der Lasten gibt es für die Bemessung im Holzbau hinsichtlich der Lastkombinatorik ein paar Besonderheiten, die berücksichtigt werden müssen. Anders als zum Beispiel im Stahlbau, bei dem die größte Beanspruchung aus allen ungünstigen Einwirkungen resultiert, sind im Holzbau die Festigkeitswerte abhängig von der Lasteinwirkungsdauer und der Holzfeuchte. Auch für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit gilt es, besondere Merkmale zu berücksichtigen. Welche Auswirkungen dies auf die Bemessung der Holzbauteile hat und wie dies in RSTAB und RFEM umgesetzt werden kann, wird nachfolgend erläutert.

Nachweis der Tragfähigkeit im Holzbau

Wie eingangs erwähnt, resultiert in der Regel aus der größten Beanspruchung auch die größte Auslastung der Bauteile. In den meisten europäischen sowie amerikanischen Normen ist die Festigkeit der Hölzer jedoch abhängig von der Lasteinwirkungsdauer und der Holzfeuchte. Daher kann es durchaus vorkommen, dass eine Lastkombination maßgebend wird, die betragsmäßig nicht die größte Beanspruchung liefert. Deswegen muss man darauf achten, die maßgebenden Lastkombinationen zu finden. In Bild 01 wird dies grafisch veranschaulicht.

Ed = Bemessungswert der Beanspruchung
Rd = Bemessungswert der Festigkeit
t = Einwirkungsdauer
g = Ständige Last
s = Schneelast
w = Windlast

Fall 1:
Maßgebende Lastkombination = g + s + w
Begründung: Beanspruchung aus g + s + w liegt am nächsten an der Kurve Rd.

Fall 2:
Maßgebende Lastkombination = g
Begründung: Beanspruchung aus g liegt am nächsten an der Kurve Rd.

Fall 3:
Maßgebende Lastkombination = g + s
Begründung: Beanspruchung aus g + s liegt am nächsten an der Kurve Rd.

Fall 4:
Maßgebende Lastkombination = g + s
Begründung: Beanspruchung aus g + s überschreitet Kurve Rd → Ed > Rd.

Der Einfluss der Lasteinwirkungsdauer wird in [1] mit dem Modifikationsbeiwert kmod berücksichtigt. In [2] wird dieser Umstand mit dem CD-Faktor (ASD) beziehungsweise λ-Faktor (LRFD) geregelt. Die Schweizer Norm [3] hat den Einfluss der Lasteinwirkungsdauer auf die Festigkeit vereinfacht im Faktor ηM untergebracht und ist somit für alle Einwirkungen identisch, Bild 01 hat deswegen hierfür keine Gültigkeit.

Nachweis der Gebrauchstauglichkeit im Holzbau

Für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit treten die größten Durchbiegungen dann auf, wenn alle Durchbiegungsanteile der ungünstig wirkenden Einwirkungen berücksichtigt werden. Gemäß [1] sind zum Beispiel für den deutschen und österreichischen Anhang folgende Verformungen zu untersuchen:

  • Elastische Anfangsverformung winst
    bestehend aus der charakteristischen Kombination
  • Endverformung wfin
    bestehend aus der charakteristischen Anfangsverformung sowie den Kriechanteilen der quasi-ständigen Kombination
  • Endverformung wfin,net
    bestehend aus der quasi-ständigen Anfangsverformung sowie den Kriechanteilen der quasi-ständigen Kombination. Für andere Länder wird auch hier mit der charakteristischen Anfangsverformung gerechnet, dies ist jedoch nach Auffassung des deutschen und österreichischen Anhangs zu "streng".

In [2] wird nicht explizit erläutert, aus welchen Lastfällen die Lastkombinationen für die Gebrauchstauglichkeit zu ermitteln sind. Hier wird auf anerkannte Regeln der Bautechnik verwiesen. In diesem Fall kann der IBC (International Building Code) [4] zur Ermittlung der maßgebenden Lastkombination verwendet werden (siehe Kapitel 1604.3). Ausschließlich die Berücksichtigung des Kriechens ist in [2] erläutert. Anders als in den europäischen Normen werden im IBC die Einwirkungen hinsichtlich der Verformungen getrennt betrachtet. Somit resultieren Grenzwerte für die Verformung rein aus Nutzlasten, Schnee oder Wind und für den Fall des Kriechens aus Eigengewicht + Nutzlast.

Gemäß [3] sind unter anderem folgende Grenzzustände zu untersuchen:

  • Seltene Bemessungssituation
    bestehend aus der charakteristischen Anfangsverformung sowie den Kriechanteilen der quasi-ständigen Kombination
  • Häufige Bemessungssituation
    bestehend aus der häufigen Anfangsverformung sowie den Kriechanteilen der quasi-ständigen Kombination
  • Quasi-ständige Bemessungssituation
    bestehend aus der quasi-ständigen Anfangsverformung sowie den Kriechanteilen der quasi-ständigen Kombination

Berücksichtigung der Einwirkungsdauer, Holzfeuchte und des Kriechens in RFEM und RSTAB

Um die Einflüsse der Einwirkungsdauer, der Holzfeuchte und des Kriechens zu berücksichtigen, existieren in RFEM und RSTAB separate Normen zur Klassifizierung der Lastfälle und deren Kombinationen. Darin findet sich bei der jeweiligen Norm der Zusatz "Holz".

In den Eigenschaften zur jeweiligen Norm können bereits normenspezifische Einstellungen wie die Definition des Kriechbeiwertes vorgenommen werden. Somit sind die erforderlichen Einstellungen für die Erstellung der Lastkombination gegeben.

Um den Einfluss der Einwirkungsdauer bei der Bemessung zu berücksichtigen, wird direkt bei der Erstellung des Lastfalls die zugehörige Einwirkungsdauer festgelegt.

Diese wird in den Bemessungsmodulen (RF-/HOLZ Pro, RF-/HOLZ AWC, RF-LAMINATE et cetera) automatisch übernommen und den einzelnen Lastkombinationen zugeordnet.

Somit ist sichergestellt, dass der Nachweis der Tragfähigkeit einer jeden Lastkombination immer mit der kürzesten Einwirkungsdauer der darin befindlichen Lastfälle geführt wird.

Für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit erfolgt die Zuordnung der Grenzwerte der jeweiligen Bemessungssituation in den Basisangaben des jeweiligen Moduls. Werden die Lastkombinationen manuell erstellt, ohne Zuhilfenahme der automatischen Lastkombination, so hat die Zuordnung gegebenenfalls manuell zu erfolgen.

Die Grenzwerte können für die jeweilige Bemessungssituation in den Einstellungen der Norm oder in den Einstellungen des nationalen Anhangs angepasst werden.


Autor

Herr Rehm engagiert sich in der Entwicklung im Bereich Holzbau und im Kundensupport.

Links
Referenzen
  1. Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten - Teil 1-1: Allgemeines - Allgemeine Regeln und Regeln für den Hochbau; DIN EN 1995-1-1:2010-12
  2. National Design Specification (NDS) for Wood Construction 2018 Edition
  3. SIA 265:2012: Holzbau. Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich, 2012
  4. 2018 International Building Code (IBC)