883x
000098
7. Februar 2023

Ist BIM die Zukunft?

Herkömmliche Baumethoden sind Schnee von gestern – oder? Mathias Obergrießer ist im Dlubal-Podcast zu Gast. Als Professor für digitales Planen und Bauen kennt er sich bestens damit aus, welche Chancen uns die Digitalisierung und BIM bieten und vor welchen Herausforderungen wir stehen. Lest hier mehr über Herrn Obergrießers Laufbahn und seinen Blick in die Zukunft!

Um das komplette Interview zu hören, klickt hier:

#019 Ist BIM die Zukunft? feat. Mathias Obergrießer

Wer ist Mathias Obergrießer?

Mathias Obergrießer lehrt an der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg zum Thema digitales Bauen. Dabei geht es darum, Bauprojekte mit moderneren Mitteln umzusetzen und zu koordinieren. Eigentlich kommt Herr Obergrießer aus der klassischen Planungsweise. Von Kind auf ist er mit dem Bauingenieurwesen in Berührung gekommen und machte sich schon immer Gedanken darüber, wie man die Art und Weise des Planens und Bauens verbessern kann.

Im Studium sind Herrn Obergrießer schwer greifbare Fächer wie Baubetrieb nicht leichtgefallen. Konstruktiver Ingenieurbau wie Mechanik, Statik etc. lag ihm mehr. Als Planer betrachtet man häufig nur den Endzustand, aber nicht die Zwischenphasen. Der baubetriebliche Teil war nicht sein Steckenpferd, aber er betont, wie wichtig dieser Teil trotzdem ist.

Was macht ihm an seinem Beruf am meisten Spaß?

In Herrn Obergrießers aktuellem Beruf ist das die Kommunikation und Diskussion mit den Studierenden. Von ihnen lernt er immer wieder Neues, weil Digitalisierung und Modernisierung so schnell vorangehen. Besonders viel Spaß macht es ihm auch, junge Leute für die Vision, wie man zukünftig besser plant und baut, zu motivieren und zu inspirieren.

Woher kam Herrn Obergrießers Interesse an BIM und allgemein am digitalen Planen und Bauen?

Dieses Interesse kam von der planerischen Seite her. Herr Obergrießer versuchte als Kind, per Hand dreidimensionale Ansichten eines Bauteils zu zeichnen. Er stellte schnell fest, dass diese Methode schwierig und Fehler zu korrigieren aufwändig ist. Daher kam die Idee, das Ganze an einem 3D-Modell durchzuführen und die einzelnen Bereiche zu vernetzen. Durch eine bessere Planung könnte man mehr Produktivität erreichen. Damit war die Initialzündung für Herrn Obergrießers Interesse am Thema ausgelöst.

Momentan lehrt Herr Obergrießer die Grundlagen von BIM. Ein besonderer Fokus liegt darauf, den Umgang mit digitalen Werkzeugen zu lernen und Workflows und funktionierende Prozessketten zu erkennen. So wird bei der Kommunikation von z. B. Architekt und Tragwerksplaner Zeit gespart und effizienter gearbeitet. Zudem geht es um Themen wie Virtual Reality, BIM im Infrastrukturbau und andere. Auch ein wenig Programmieren steht auf dem Lehrplan. Dadurch versteht man nämlich die Programme und den Umgang damit besser, ohne dafür gleich Informatiker werden zu müssen.

Sollte man schon im Bachelor anfangen, BIM zu lehren?

Herr Obergrießer gibt zu bedenken, dass man zuerst die Grundprinzipien des Baubetriebs verstehen muss, bevor man in die Ebene der Digitalisierung geht. Sie sollte laut ihm eher im letzten Drittel des Studienverlaufs eingeführt werden.

BIM und die digitale Planung in Deutschland

BIM soll den Bauprozess nicht ersetzen, sondern unterstützen. Die Art und Weise des Bauens bleibt gleich, nur die Werkzeuge ändern sich. Bei BIM geht es nicht nur um das 3D-Modell, sondern auch und vor allem um den Arbeitsprozess. Das dahinterstehende Konzept gibt es schon seit den Siebzigerjahren, aber wir besitzen erst seit relativ kurzer Zeit die nötige Technologie.

Deutschland liegt dabei etwas hinter den anderen Ländern zurück. Hier existieren viele kleine Büros und Firmen und die Projektbeteiligten setzen sich immer wieder unterschiedlich zusammen. In anderen Ländern gibt es eher ein paar einzelne große Baufirmen.

Mit dem Einsatz von digitalen Werkzeugen ist der Entwicklung dabei nicht Genüge getan. Wichtig ist besonders die Kommunikation zwischen den Beteiligten. Die Umstellung wird etwas Zeit und Geld in Anspruch nehmen, vor allem da der Mittelstand als Motor sowie das Know-how und der gute Ruf der deutschen Ingenieursarbeit erhalten bleiben sollen.

Wie könnte diese Entwicklung schneller vorangehen?

Es ist wichtig, Vertrauen in den Prozess zu haben und sich auch nicht von anfänglichen Fehlern abschrecken zu lassen, meint Herr Obergrießer. Diese Entwicklung sollte zudem nicht nur vom Bauleiter ausgehen, sondern sich bis zum Handwerker durchsetzen. Es besteht noch ein Defizit darin, dass bei Modellen alles gut dargestellt, aber auf der Baustelle selbst so wie vorher gearbeitet wird. Daher müssen die Handwerker gefragt werden, welche Informationen ihnen hier wirklich weiterhelfen würden.

Wie steht HOAI (Honorarabrechnung für Architekten und Ingenieure) in Verbindung mit BIM?

Die beiden zu verbinden ist schwierig, da durch die Trennung der Leistungsphasen immer ein Schnittstellenproblem erzeugt wird. Aktuell ist es zudem schwer, die Vergütung von BIM-Leistungen einzuschätzen, weil es davon abhängig ist, was der Kunde letztendlich für Szenarien abdecken will. Wichtig ist, dass der Bauherr von Anfang an weiß, was genau er von den Organisatoren verlangt. Zudem sollte klar sein, was für Leistungen jeder zu erbringen hat.

Allgemein lebt der Bau von der Erfahrung und dem Wissen, das man sich über die Zeit angeeignet hat. Auch bei der Digitalisierung kann man nicht heute einen Schalter umlegen und morgen alle Ergebnisse erwarten.

Was gibt es für Schwierigkeiten bei der Umsetzung von BIM-Projekten, besonders bei der Standardisierung?

Es sind genug Normen und Standards vorhanden, um Planer etc. zu unterstützen. Alles zu standardisieren, macht laut Herrn Obergrießer keinen Sinn, da die Entwicklung noch nicht soweit fortgeschritten ist. Bei Gebäuden mit vergleichsweise simpler Struktur und Technik lässt sich die Digitalisierung gut voranbringen. So kann man sich von klein nach groß vorarbeiten.

Wo liegt aktuell das größte Problem bei der Umsetzung von BIM?

Das größte Problem sieht Herr Obergrießer beim Faktor Mensch: Die Kollaboration. Kommunikation und Organisation der Prozessketten sind die ersten Meilensteine, die deutlich verbessert werden müssen. Man benötigt eine stärkere Vernetzung und Vorurteile sollten gelockert werden.

Wenn man Menschen mit der Digitalisierung überfordert, ist nichts erreicht. Oft besteht das Problem, dass zu viel Tempo aufgebaut und der Mitarbeiter nicht auf dem Grundlevel abgeholt wird.

Chancen und Möglichkeiten in der Anwendung von BIM

Wenn das Architekturmodell mit dem Tragwerksmodell vernetzt wird, bleibt mehr Zeit für die statische Analyse. Qualität und Produktivität werden gesteigert. Die Visualisierung stellt einen weiteren Vorteil dar: Durch sie ist das Endergebnis genau vorstellbar. Gebäude können mit BIM besser gewartet werden und das Gebäudemanagement wird optimiert. Dabei muss man aber immer den Mehrwert im Blick behalten und nicht um der Digitalisierung willen digitalisieren.

Wie sieht Herr Obergrießer die Zukunft im Bauwesen?

Die Baubranche wird immer gebraucht werden. In Zukunft gibt es vielleicht andere Arten der Bautechnik und die Planung von Gebäuden verändert sich; der Grundtenor wird laut Herrn Obergrießer jedoch erhalten bleiben.

Die Maschinensteuerung verbreitet sich immer stärker. Es werden mehr Roboter auf Baustellen eingesetzt und ein größerer Fokus liegt auf der Vorfertigung. Hierbei stellt die Digitalisierung immer eine Unterstützung dar, Grundaufgabe und Grundumsetzung bleiben jedoch die gleichen. Die Technologie wird den Menschen auch nicht ersetzen, wie Herr Obergrießer betont: Er bleibt einer der wichtigsten zentralen Steuerpunkte.

Welche Trends in der Baubranche sind am spannendsten?

Für Herrn Obergrießer ist das zum Beispiel die adaptive Fertigung. Fertigungsroboter, an die das digitale Abbild einfach übergeben werden kann, sind ebenso faszinierend wie der 3D-Druck. Auch für diese Trends gilt jedoch, dass Problemen vorgebeugt und dem Ganzen genug Zeit gegeben werden muss. Umweltverträglichkeit ist ein weiterer Punkt, der Herrn Obergrießer am Herzen liegt. Wenn man z. B. Informationen über Bestandsbauwerke sammelt und für die Digitalisierung nutzt, kann man Umnutzungen in Betracht ziehen, anstatt Gebäude einfach abzureißen.

Hängt das Bauwesen der technologischen Entwicklung hinterher?

Besonders im Vergleich zu anderen Ländern hinkt Deutschland tatsächlich hinterher. Jedoch werden hier Dinge auch detaillierter durchdacht, was wiederrum zum guten Ruf des Made in Germany Produktsiegels beiträgt. Diese Balance sollte auch bei der Digitalisierung bedacht werden.

  • Wir digitalisieren ja nicht für jetzt, für den Moment, sondern wir digitalisieren für die Zukunft.“ (Mathias Obergrießer)

Wenn er einen Wunsch freihätte, wie würde Herr Obergrießer die Planungs- und Baupraxis verbessern?

Herr Obergrießer würde die interdisziplinäre Kommunikation ganz nach oben stellen. Der Fokus läge auf dem Projekt anstatt auf einzelnen Gewerken und individuellen Befindlichkeiten. Man sollte kollaborativ miteinander denken, verhandeln, diskutieren, auch konstruktiv streiten und Konflikte als Team lösen. Das Team muss zulassen, dass die Informationen des digitalen Zwillings von jedem genutzt werden. Wenn der Prozess drumherum nicht gelebt wird, nützt auch das Modell nichts.

Was ist Herr Obergrießers Lieblingsbauwerk?

Das ist die Millau-Brücke in Frankreich, eine atemberaubende Konstruktion mit beeindruckender Bauweise. Ihre Spannweite, die Integration in das Gelände und die Tragwerkstechnik machen sie besonders für Ingenieure zu einem sehr interessanten Objekt.

Natürlich gibt es auch viele andere sehenswerte Bauwerke. Herr Obergrießer nennt den Regensburger Dom als Beispiel. Dome im Allgemeinen sind faszinierende Strukturen. Die Baumeister des Mittelalters hatten viel Wissen über komplexe, massive Gebäude, das wir inzwischen verloren haben. Durch die Digitalisierung kann Wissen dieser Art jedoch zukünftig gespeichert und für spätere Generationen zur Verfügung gestellt werden.