Hier gibt es das komplette Interview im Podcast zu hören:
#024 BIM in der Wasserwirtschaft feat. Daniel Alexander Oehler
Alexanders Weg zur Wasserwirtschaft
Alexanders Laufbahn begann mit einer Bauzeichnerlehre in der Fachrichtung Tiefstraßenlandschaftsbau. Dabei hat er die positive Erfahrung gemacht, dass man als Bauzeichner sowohl von der Tragwerksplanung als auch von der Architektur etwas mitbekommt. Sein Weg wurde schon immer vor allem vom Wissensdurst vorangetrieben. Während der Bundeswehrzeit fing Alexander ein Technikerstudium an und erhielt dabei auch Einblicke in die Statik. Er arbeitete dann als Techniker, bis er wiederrum nach neuem Wissen suchte und ein Fernstudium zum Umweltingenieur begann. Dort kam er mit Straßen- und Brückenplanung und auch Trinkwassergewinnung und -aufbereitung etc. in Berührung.
Im Studium gefielen Alexander besonders die Fächer physikalischer Natur und alle, die mit Wasser zu tun hatten, z. B. Wasserbauplanung. Chemische und biologische Fächer waren hingegen eher nicht seine Lieblingsfächer. Nach dem Bachelor im Jahr 2010 sammelte er Erfahrungen als Anlagenbauer. 2014 hieß es: Zurück in die Planung. Seitdem plant Alexander hauptsächlich Kläranlagenprojekte, wobei er viel Kontakt mit anderen Gewerken hat.
Seit 2017 hat Alexander die Aufgabe, die BIM-Planungsmethode in der Firma einzuführen. Dies geschieht sukzessive mit dafür geeigneten Projekten. Die Arbeit mit BIM, die Digitalisierung im Allgemeinen und die Zusammenarbeit mit anderen zu diesen Themen machen ihm besonders Spaß.
Was versteht man eigentlich genau unter Wasserwirtschaft?
Wasserwirtschaft ist der Oberbegriff: Darunter zählen Wasserbau und Siedlungswasserwirtschaft, die in trinkwasser- und abwassertechnische Anlagen unterteilt wird. Der Wasserbau hat mit Niederschlagswasser und dessen Ableitung zu tun: Gräben, Flüsse, Seen und Wasserstraßen. Bei der Siedlungswasserwirtschaft geht es direkt um die Wasserver- und Entsorgung. Dort ist Alexander tätig.
BIM und die Wasserwirtschaft
Insbesondere die Siedlungswasserwirtschaft hat bei diesem Thema noch etwas Nachholbedarf. Die Akteure, welche die Regelwerke schreiben, haben im Vergleich zu anderen Gewerken relativ spät damit angefangen, sich mit BIM zu beschäftigen, ebenso wie die Planungsbüros. Im Kontext von BIM sind die wichtigsten Tätigkeitsbereiche die Trinkwassergewinnung mit Großbauwerken, Wasseraufbereitung und Wassernetzen. Wassernetze sind Linienbauwerke, wie man sie von Straße und Schiene kennt.
Was bedeutet BIM für Alexander?
BIM ist nach Alexanders Definition ein Teilabschnitt der Digitalisierung in der Bauwirtschaft mit dem Ziel, alle Informationen am Modell mit Hilfe einer Datenbank zu sammeln und allen Akteuren zur Verfügung zu stellen. Vom Planer über den Auftraggeber, den Baubetrieb und auch den Hersteller sollten alle eine Rolle spielen. Zudem geht es darum, das Ganze mit so wenig Schnittstellenverlust wie möglich durchzuführen. So steigert man sowohl die Effektivität als auch den Spaß an der Arbeit.
Es gibt Pilotprojekte in diversen Regionen Deutschlands. 4D und 5D Methodik werden momentan eher wenig angewendet, da dafür die Schnittstellen fehlen. Alexander schätzt beim Thema 4D die Terminkette als wichtig ein: Die Termine werden an den Objekten visualisiert und koordiniert. Dass man die Kostenentwicklung ebenfalls über den gesamten Zeitraum am 3D-Modell mitverfolgen kann, sieht er noch als sehr komplexen und schwer umsetzbaren Plan an. Die Planung muss sich dabei immer auch lohnen und das vorher Erstellte sollte sinnbringend genutzt werden.
Verschiedene Rollen bei BIM
Der Fachkoordinator tritt hier an die Stelle des Ingenieurs oder Abteilungsleiters. Er kann Schnittstellen und Informationsanforderungen besser definieren. Dazu muss er natürlich sowohl die Schnittstellen als auch die Autorensoftware und die Arbeitsabläufe kennen. Projektkoordinatoren sind dafür zuständig, die ganzen Modellaustauschszenarien aufzustellen, den projektspezifischen Ablaufplan mit zu entwickeln und Austauschtermine und -anforderungen sowie Qualitätsanforderungen zu klären. Manchmal kommt noch der BIM-Manager hinzu, in anderen Fällen genügen Fach- und Projektkoordinator. Diese Aufgabengebiete verschwimmen teilweise auch und hängen vom Auftraggeber, vom Planer und von der Projektstruktur ab. Praxiserfahrung spielt bei Projekten wie diesen eine wesentliche Rolle.
Der aktuelle Stand von BIM in der Wasserwirtschaft
Entsprechende Pilotprojekte in Branchen wie dem Hochbau werden gut gefördert und getestet. Die Wasserwirtschaft ist als Randbereich laut Alexander nicht so stark berücksichtigt worden und muss jetzt eher aus den Erfahrungen der anderen lernen. Regelwerke müssen erstellt, Erfahrungen gesammelt und für die anderen Planer, Auftraggeber und Baubetriebe festgehalten werden, die noch keine Erfahrungen in dem Gebiet haben. Darum kümmert sich zum Beispiel die DWA in Kooperation mit dem DVGW. Diese Fachverbände für Wasser, Abwasser und Gas entwickeln gerade (Stand 2021) ein entsprechendes Merkblatt, auf dem Allgemeines und die Inhalte zum Thema BIM beschrieben sind. Alexander selbst ist auch bei zwei Arbeitsgruppen dabei.
Eine Hürde ist, wie in allen Bereichen, die anfängliche Investition von Zeit und Geld. Man muss projektspezifische Ideen und Arbeitsworkflows entwickeln, um wirtschaftlich und zielorientiert voranzukommen. Dies kann nur über den ausreichenden Austausch und Wissenstransfer zwischen allen Beteiligten erreicht werden, auch wenn es Konkurrenten sind.
Die Akzeptanz von BIM hängt dabei von jedem Einzelnen ab. Oft findet man Auftraggeber, die sich noch gar nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Meistens fehlt ihnen das Personal, um jemanden abzustellen, der sich um BIM kümmert. Bei der Planung sieht es ähnlich aus: Nicht jeder kann den Nutzen der neuen Planungsmethode und der Technologien nachvollziehen. Die meisten werden jedoch bei der direkten Anwendung der Software überzeugt. Das ging Alexander auch so.
- „Erst, wenn ich Software auch eingesetzt habe und erkannt habe, wo Vor- und Nachteile liegen, konnte ich mich damit anfreunden, oder auch nicht.“
Die Zukunft für BIM in der Siedlungswasserwirtschaft
Alexander hofft hier auf die erwähnten Merkblätter, eine breitere Vernetzung und Kommunikation und mehr Erfahrungsaustausch. Auftraggeber sollten ihre Forderungen im Vorfeld bereits mit Ingenieuren diskutieren, Baubetriebe mit ins Boot kommen und ebenfalls die 3D-Pläne nutzen, und auch der Anlagenbetrieb könnte davon profitieren. Bis dies jedoch vollständig durchgedrungen ist und angewendet wird, braucht es noch Zeit. Natürlich wird es auch Projekte geben, wo kein BIM benötigt wird. Passende Teile können dennoch aus der BIM-Planungsmethodik herausgesucht werden.
Die Zukunft im Bauwesen
Alexander glaubt, dass in Zukunft neue Bauweisen entstehen werden. Das wird allerdings nur klappen, wenn alle mitziehen. Viele Ingenieur- und Herstellerverbände arbeiten schon an internen Fachberichten, um den Mitgliedern zu zeigen, was alles geht, und Ratschläge für das richtige Maß der Digitalisierung zu geben.
Trends wie Beton-3D-Druck findet Alexander sehr spannend und verfolgt sie immer mit halbem Auge mit. Er überlegt schon, wie sich diese Technologie auch im Wasserbau einsetzen ließe, z. B. bei Kläranlagen. Viel Potenzial steckt auch in bereits vorhandenen Technologien, die noch nicht oder nicht ausreichend zum Einsatz kommen, wie Drohnen oder AR-Technik. 3D-Modelle werden sich ebenfalls weiterverbreiten, nicht nur im Kontext von BIM.
Ökologie und Nachhaltigkeit
In der Planung versuchen Alexander und sein Team, die nachhaltigen Aspekte zu berücksichtigen. Sie werden oft beauftragt, Ist-Soll-Vergleiche für die Energie durchzuführen und Studien zu erstellen, um das Potenzial schon vor Beginn der Planung auszuloten. Es gibt z. B. Projekte, bei denen Windkraftanlagen für die Eigenstromversorgung auf Kläranlagen gestellt werden. Auch die Wahl der Baustoffe muss überdacht werden: Sind sie örtlich verfügbar oder müssen sie von weit her transportiert werden?
Diese Überlegungen muss man immer zusammen mit dem Auftraggeber treffen, da sie mit Kosten verbunden sind. Es gibt einige vielversprechende Ansätze, wie Wasserstofftechnik für Kläranlagen. Neue Werkstoffe, Verfahren und Technologien werden entwickelt, die man auch im Kontext von BIM im Blick behalten sollte.
Der allgemeine Stand von Deutschland bei der Digitalisierung
Alexander zufolge hat Deutschland definitiv das Potenzial, die neuen Entwicklungen mit voranzutreiben. Wir haben die richtige Infrastruktur, große Konzerne und einen guten internen Wissenstransfer. Der Nachteil gegenüber dem Rest der Welt ist, dass Deutschland aufgrund der umfangreichen Bürokratie nicht so schnell vorankommt. Building Smart zum Beispiel, bei denen Alexander auch Mitglied ist, sind dabei, die Standards für den BIM-Planungsprozess an Realität und Bedarf anzupassen. Deutschland ist bei der Förderung dieser Technologien im Vergleich zu anderen Ländern nicht ganz so effektiv. Wenn wir nicht aufpassen, meint Alexander, müssen wir den Weltstandard bei uns implementieren, anstatt ihn mit zu entwerfen.
Wie würde Alexander die Baupraxis verbessern, wenn er einen Wunsch frei hätte?
Er würde die Förderung verbessern, und wenn es nur die Bündelung der Institutionen ist. Viele von ihnen haben das gleiche Ziel. Durch dessen Vernetzung könnte man paralleles Arbeiten reduzieren. Zudem würde Alexander sich wünschen, dass die zahlreichen Abschlussarbeiten zu den entsprechenden Themen veröffentlicht werden, zumindest als Zusammenfassung. Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus diesen Arbeiten sollten dokumentiert und für alle zur Verfügung gestellt werden.
Alexanders Lieblingsbauwerk…
…ist keine Kläranlage und auch kein Wasserwerk. Stattdessen ist es die Öresundbrücke in Schweden. Alexander macht dort gerne Urlaub und ist von diesem Meisterwerk der Baukunst begeistert.
Es erstaunt ihn immer wieder aufs Neue, was sich alles planen und bauen lässt. Statik und Tragwerksplanung sind überall sichtbar und notwendig. Auch siedlungswasserwirtschaftliche Bauwerke würde man ohne die entsprechenden statischen und tragwerksplanerischen Projektbestandteile nicht erstellen können.