Weniger ist mehr – dieses Prinzip kennen wir in der modernen Baubranche vor allem, wenn es um Fassadengestaltung und Individualität von Bauprojekten geht. In diesem Blogbeitrag beschäftigen wir uns allerdings mit dem Thema Technologie und Nachhaltigkeit.
Während Hightech-Architektur sich seit Jahrzehnten im Bauwesen etabliert hat, kommen Architekten und Ingenieure in den letzten Jahren immer mehr auf altbewährte Bauweisen zurück. Natürlich können Gebäude mit effizientester Technik aufgerüstet werden, um möglichst viele moderne Benefits zu bieten.
Aber wie sieht es mit Lowtech-Architektur, oder auch Low-Tech-Architektur, aus? Ist es möglich, mit wenig Technik großen Nutzen zu erreichen? Wir sehen uns genauer an, welche Merkmale Lowtech-Gebäude haben müssen. Anschließend betrachten wir einige Beispiele für Low-Tech-Architektur und fassen für euch alles in einem Fazit zusammen.
Was ist Lowtech-Architektur?
Grundlegend gelten Gebäude dann als „Low-Tech-Häuser“ oder „Einfache Häuser“, wenn sie durch herkömmliche, oft traditionelle Bauverfahren aus natürlichen Materialien erbaut werden. Komplexe Technik und intelligente Systeme, wie sie bei High-Tech-Gebäuden verwendet werden, gibt es hier nicht.
In der Lowtech-Architektur beschränken sich Tragwerksplaner und Architekten auf natürliche Ressourcen sowie Prinzipien des Bauens, die in dieser Form oft bereits seit Jahrhunderten existieren. Sehen wir uns die Grundprinzipien von Low-Tech-Architektur also etwas genauer an.
Die Grundprinzipien der Lowtech-Architektur sind:
- Nachhaltigkeit
- Einfachheit
- Integration in die Umgebung
Nachhaltigkeit in der Lowtech-Architektur
In unserer Gesellschaft erlangt das Thema Nachhaltigkeit immer größere Bedeutung. Auch im Bauwesen kommt die Notwendigkeit, sich mit der eigenen Rolle im Klimawandel zu beschäftigen, allmählich im Bewusstsein der Menschen an.
Die Lowtech-Architektur ist ein Vorreiter, wenn es darum geht, unsere natürlichen Ressourcen zu schonen sowie den ökologischen Fußabdruck der Bauindustrie zu verringern. In der Low-Tech-Architektur üblich sind beispielsweise die Verwendung lokaler Materialien, recycelter Baustoffe und natürlicher Dämmmaterialien.
Einfachheit der Lowtech-Architektur
Viel hilft viel – nur nicht unbedingt, wenn es um technische Lösungen im Bauwesen geht. Anstatt sich auf komplexe technische Lösungen zu konzentrieren, finden wir in der Lowtech-Architektur einen starken Fokus auf Effizienz und Einfachheit.
Oftmals erscheinen Low-Tech-Häuser von außen einfach, beinahe minimalistisch und ohne großartige Dekoration. Minimalismus ermöglicht nicht nur eine kostengünstige Konstruktion, sondern erleichtert am Ende auch Kosten für Wartung und Reparaturen.
Integration in die Umgebung
Lowtech-Gebäude stellen sich dem Trend entgegen, ganze Landschaften unter Beton verschwinden zu lassen. Ziel der Low-Tech-Architektur ist es, eine harmonische Einheit von Gebäude und Natur zu erreichen, sowohl ästhetisch als auch ökologisch.
Die Verwendung lokaler Baustoffe und das individuelle Anpassen an die Umgebung ermöglicht es, Wohnraum zu schaffen und trotzdem die landschaftliche Schönheit zu erhalten. Auf diese Weise können Mensch und Natur gemeinsam existieren, ohne dass einer Seite geschadet wird.
Beispiele für Lowtech-Architektur
Wie aber sieht nun Lowtech-Architektur aus? Ihre Wurzeln hat dieser Baustil in traditionellen Bauweisen aus allen Teilen der Welt. Beispielsweise werden Gebäude in tropischem Klima oftmals aus Bambus errichtet – stabil, flexibel und ein nachwachsender Rohstoff, der dort in natürlicher Form vorkommt – das spart u.a. Emissionen im Transport.
Eine weitere verbreitete Bauweise ist das Strohballenhaus. Hier entstehen Gebäude aus Holz und Stroh, welches vor allem als Dämmmaterial Verwendung findet. Das umweltfreundliche Baumaterial hat bei guter Pflege eine recht lange Lebensdauer und bringt gute isolierende Eigenschaften mit sich. Genutzt wird dieser Baustil beispielsweise in ländlichen Regionen der USA.
In Europa, aber auch in anderen Teilen der Welt, finden wir bei historischen Gebäuden vor allem Lehm als Baustoff: in warmen Regionen vollständig, in unseren europäischen Breiten vor allem als Füllmaterial für Fachwerk. Neben einer natürlichen Wärmedämmung zeichnen sich Lehmhäuser auch durch verlustlose Recycelbarkeit sowie eine ansprechende natürliche Optik aus.
Moderne Beispiele für Low-Tech-Architektur
Diese traditionellen Bauweisen wurden in der Moderne von unterschiedlichen Architekten und Ingenieuren aufgegriffen. Ideen wurden durch zahlreiche Innovationen weiterentwickelt und es entstanden geradezu Wunder der Technik, die sowohl nachhaltig sind als auch moderne Wohnstandards erfüllen können – nur eben ohne unnötige Technik.
Passivhaus
Heidelberg, Deutschland
Die energieeffizienteste moderne Bauweise bei Neubauten sind Passivhäuser. Hier handelt es sich um hochgradig energieeffiziente Gebäude, deren Konzipierung übliche Heiz- und Kühlsysteme überflüssig machen.
Ein Passivhaus kommt demnach ohne zusätzliche Heizung oder Kühltechnik aus, ohne den Wohnkomfort negativ zu beeinflussen. Wie das geht? Durch das effiziente Nutzen von Sonnenlicht und natürlichen Lüftungssystemen kann Wärme reguliert und ein Wärmeverlust vermindert werden.
Auf diese Weise sind Passivhäuser unabhängig von externen, beispielsweise fossilen Energieträgern. Gleichzeitig ermöglichen sie modernes Wohnen. Ein sehr bekanntes Ausbaugebiet für Passivhäuser befindet sich beispielsweise in Heidelberg (Deutschland). Hier sind die Gebäude von außen kaum von herkömmlichen Häusern zu unterscheiden: vermutlich ein guter Kompromiss zwischen Nachhaltigkeit und Moderne.
Modulare Häuser
WikiHouse-Project
Das Open-Source-Projekt WikiHouse stellt der gesamten Welt Baupläne für CO2-neutrale Häuser zur Verfügung. Hier werden ganze Häuser aus industriell vorgefertigten Bauteilen zusammengesetzt. Dieses modulare Bausystem ist ein innovatives Projekt im Sinne der Lowtech-Architektur, welches sich u.a. folgende Ziele definiert hat:
- Kostengünstige und schnelle Montage
- Flexibilität und individuelle Anpassungsfähigkeit
- Exakte Präzision durch computergesteuerte Vorfertigung
- Nachhaltigkeit und Recycelbarkeit
Die einzelnen vorgefertigten Blöcke aus Sperrholz sind sehr leicht (etwa 40 kg für einen montagefähigen Wandblock), haben allerdings trotz dessen eine hohe Haltbarkeit und zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Belastbarkeit aus.
Jedes Modul, aus dem ein solches Gebäude zusammengesetzt ist, kann problemlos entfernt, ausgetauscht und erneut genutzt werden. Zusätzlich sind Modulhäuser durch ihre Konzeption äußerst energieeffizient – ob beim Bau selbst oder später in ihrer Funktion als Wohnraum.
Hergestellt werden die WikiHouse-Blöcke nicht etwa in einer riesigen Fabrik mit internationaler Anbindung. Durch die OpenSource-Baupläne kann praktisch jeder mit einer CNC-Maschine selbst zum Fabrikanten werden. Der Gedanke, als Gemeinschaft etwas Großartiges zu schaffen, steht hier klar im Vordergrund.
Grüne Dächer und vertikale Gärten
Bosco Verticale, Mailand (Italien)
Eine weitere Variante von Lowtech-Architektur sind begrünte Dächer und sogenannte Vertikale Gärten, über die wir bereits in einem anderen Blogbeitrag berichtet haben.
Wenn bei dringend benötigtem Wohnraum kein Platz mehr für viel Natur bleibt, müssen Architekten und Ingenieure kreativ werden. Grünfläche, die dem Umfeld durch Bebauung weggenommen wird, muss ihr demnach auf andere Weise zurückgegeben werden.
Möglichkeiten dafür bieten sich beispielsweise in der Begrünung von Dachflächen. Sicher kennt ihr bereits Bilder ganzer Gärten auf Hochhäusern aus Filmen oder Serien. Eine weitere spannende Integration von Pflanzen finden wir in Vertikalen Gärten.
Hier werden Bäume, Sträucher und Moose einfach in die Fassade von Häusern integriert. Ein berühmtes Beispiel dafür ist das Bosco Verticale in Mailand, Italien. Auf diese Weise kann die Natur in die Architektur miteinbezogen werden.
Gleichzeitig bietet die Bepflanzung von Häusern eine verbesserte Lüftungs- und Luftqualität, was den Wohnkomfort merklich erhöht. Auch Tiere wie Insekten oder Vögel finden hier zusätzlichen Lebensraum.
Earthships (Biotecture)
New Mexico, USA
Schon in den 1970er Jahren entstanden erste Ideen für Häuser, die völlig autark von Kraftwerken oder anderen Versorgungseinrichtungen funktionieren sollten. Gebaut wurden die meisten Earthships Anfang der 2000er Jahre, der Großteil durch Biotecture, ein Unternehmen, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, nachhaltige Wohnhäuser zu errichten.
Einem Earthship liegen sechs Bedürfnisse des Menschen zugrunde, die sie vollkommen unabhängig von der Außenwelt erfüllen müssen:
- Nahrung (Anbauen von Pflanzen)
- Energie (Solarstrom)
- Frischwasser (Wasserfilter für Regenwassernutzung)
- Wohnkomfort (Nutzen von Erdwärme und natürlicher Belüftung)
- Nachhaltiger Bau (50 % aus recycelten / upgecycelten Rohstoffen)
- Aufbereitung von Ab- und Brauchwasser
Eine Besonderheit dieser Häuser wird bereits beim Bau deutlich: Die Gebäude bestehen aus recycelten Materialien wie Glasflaschen, alten Autoreifen und Dosen. Für ein komfortables, autarkes Leben nutzen Earthships natürliche Ressourcen wie Sonnenlicht und Regenwasser so effizient, dass sie auf externe Versorgungsquellen vollkommen verzichten können. Somit erfüllt ein Earthship alle Anforderungen an Lowtech-Architektur.
Fazit: Lowtech-Architektur
Als Gegenstück zur Hightech-Architektur zeichnet sich die Low-Tech-Architektur, wie es schon der Name sagt, durch Effizienz und Nachhaltigkeit ohne komplexe technische Systeme aus. Anstatt Technologie an sich effizienter und intelligenter zu entwickeln, besinnen sich die am Bau beteiligten Fachkräfte auf traditionelle Methoden, Gebäude zu errichten.
Diese herkömmlichen Bauweisen werden verfeinert, weitergedacht und innovativ weiterentwickelt. Dadurch entstehen faszinierende Bauwerke mit Eigenschaften, deren Integration die Baubranche dringend nötig hat: Energieeffizienz, Langlebigkeit und Nachhaltigkeit.
Das Bauwesen hat einen denkbar schlechten Ruf, wenn es um das Fortschreiten des Klimawandels geht. Ein Großteil der weltweiten CO2-Belastung geht auf die Baubranche zurück. Das heißt aber auch, dass wir hier einen sehr großen Hebel vorfinden, mit dem wir etwas verändern können.
Um energieeffiziente und nachhaltige Gebäude bauen zu können, brauchen wir also nicht unbedingt smarte Steuerungseinheiten und einen Haufen Technik, die verschleißen oder kaputt gehen können. Oft reicht es schon aus, Vorhandenes weiterzuentwickeln, um Neues zu erschaffen. Diesem Ansatz folgt die Lowtech-Architektur, um in der Baubranche eine nachhaltigere, gesündere Zukunft zu schaffen.