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6. Mai 2020

Berücksichtigung von Zugstäben in einer dynamischen Analyse

Sowohl die Ermittlung von Eigenschwingungen als auch das Antwortspektrenverfahren werden stets an einem linearen System durchgeführt. Sind Nichtlinearitäten im System vorhanden, werden diese linearisiert und somit nicht berücksichtigt. Gerade Zugstäbe werden in der Praxis sehr häufig verwendet. Wie diese näherungsweise in einer dynamischen Analyse korrekt abgebildet werden können, soll in diesem Beitrag gezeigt werden.

Berücksichtigung bei der Ermittlung von Eigenschwingungen mithilfe des Zusatzmoduls RF-/DYNAM Pro - Eigenschwingungen

Wenn Zugstäbe im System vorhanden sind, werden diese in RF-/DYNAM Pro linearisiert und als Fachwerkstäbe interpretiert, welche Druck- und Zugkräfte gleichermaßen aufnehmen können. Eine Möglichkeit ist es nun, die Eigenschwingungen an einem System zu ermitteln, bei dem einige Zugstäbe bereits ausgefallen sind. Dazu muss eine Vorverformung in eine Richtung gewählt werden und die zugehörigen Zugstäbe müssen manuell deaktiviert werden, um einen Ausfall zu simulieren.

Dazu muss im Hauptprogramm (RFEM oder RSTAB) ein Lastfall definiert werden, in dem optimalerweise keine Lasten enthalten sind (oder nur sehr kleine), sondern nur die gewünschten Stäbe deaktiviert werden.

In diesem Beispiel eines zweidimensionalen Rahmens wird eine Vorverformung in positiver X-Richtung angenommen. Somit werden die Stäbe 5, 8 und 11 in einem Lastfall deaktiviert. Dieser Lastfall kann dann in RF-/DYNAM Pro - Eigenschwingungen als Anfangszustand mithilfe der Option "Steifigkeitsänderungen" importiert werden. Es empfiehlt sich, mehrere Eigenschwingungsfälle (ESFs) anzulegen, um abzuschätzen wie sich die Frequenzen des Modells ändern, wenn Zugstäbe ausgefallen sind.

Berücksichtigung im Antwortspektrenverfahren innerhalb des Zusatzmoduls RF-/DYNAM Pro - Ersatzlasten

Die im ersten Schritt definierten ESFs können dann den Dynamischen Lastfällen (DLFs) zugewiesen werden, um so ein Antwortspektrenverfahren mit Hilfe von Ersatzlasten durchzuführen. Im DLF 1 wurden die Eigenformen an dem linearen System berechnet und somit alle Stäbe berücksichtigt. In RFEM beziehungsweise RSTAB hingegen sind die Zugstäbe in den exportierten Lastfällen aktiv. Um zu verhindern, dass die Berechnung an unterschiedlichen statischen Systemen durchgeführt wird und es zu einem Konflikt kommt, müssen die exportierten Lastfälle ebenfalls an einem linearen System berechnet werden. Wenn eine komplett lineare Berechnung gewünscht wird, müssen die Nichtlinearitäten für diese Lastfälle deaktiviert werden.

Im DLF 2 wurde der ESF importiert, bei dem die Zugstäbe ausgefallen sind. Die Ersatzlasten beruhen damit auf dem gleichen System wie das System, an dem Schnittgrößen und Verformungen ermittelt werden.

Eine Überlagerung in einer Ergebniskombination wird in den Fällen 2 und 3 (also unter Berücksichtigung der Zugstäbe) nicht empfohlen, da die einzelnen Modalbeiträge durch eine quadratische Überlagerung kombiniert werden und somit die Vorzeichen verloren gehen. Dadurch würden wieder Druckkräfte in den Zugstäben entstehen. Bei Strukturen, in denen es eine dominante Eigenform pro Richtung gibt, kann die Option "Vorzeichengerechte Ergebnisse auf Basis der dominanten Eigenform" verwendet werden. Damit bleiben die Vorzeichen der dominanten Eigenform vorhanden.

Auswertung der Ergebnisse

Die Eigenschwingungen der Struktur unterscheiden sich im Wert der Eigenfrequenz, die Richtung und Form sind jedoch ähnlich. Durch die Deaktivierung der Zugstäbe wird die Struktur deutlich weicher und die Frequenzen sind durch die niedrigere Steifigkeit kleiner. In beiden untersuchten Fällen ist die erste Eigenform dominant (der effektive Ersatzmassenfaktor liegt in etwa bei 80 %).

Die Ergebnisse des Antwortspektrenverfahrens unterscheiden sich ebenfalls erkennbar. Die Auswertung erfolgt anhand der ersten Eigenform, also innerhalb des erstellten Lastfalls. Vergleicht man die Normalkräfte in den Zugstäben, wird deutlich, dass diese unter Berücksichtigung der Zugstäbe stark ansteigen. Dies resultiert aus dem Ausfall der auf Druck belasteten Stäbe, welche im ersten untersuchten Fall mitwirken können und zur Stabilisierung beitragen.

Die Gesamterdbebenkraft ist jedoch bei Vernachlässigung der Nichtlinearitäten größer und liegt damit auf der sicheren Seite. Diese kann in der Tabelle "4.0 Ergebnisse - Zusammenfassung" eingesehen werden. In RFEM kann dazu ebenfalls ein Ergebnisstab verwendet werden. Falls also nur eine Untersuchung der Gesamterdbebenkraft erfolgen soll (zum Beispiel zum Vergleich mit anderen horizontalen Einwirkungen), läge die Vernachlässigung der Zugstäbe auf der sicheren Seite.

Die Ergebnisauswertung sollte bei Berücksichtigung von Zugstäben manuell erfolgen und kann nicht verallgemeinert werden. Ein Excel-Tool, welches die Kräfte der einzelnen Lastfälle manuell quadratisch überlagert, wäre empfehlenswert. Falls eine unsymmetrische Struktur untersucht werden soll, müsste die Vorverformung jeweils in positiver und negativer Richtung untersucht werden.


Autor

Frau Effler betreut die Entwicklung im Bereich Dynamik und unterstützt unsere Anwender im Kundensupport.

Links
Referenzen
  1. Handbuch RF-DYNAM Pro. Tiefenbach: Dlubal Software, Januar 2020.
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