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001672
8. Januar 2021

Verwendung von Stabtypen und Gelenken am Beispiel eines Fachwerks

Bei der Modellierung von Stabwerken bestehen in RSTAB und RFEM verschiedene Möglichkeiten, die Übertragung der Schnittgrößen an den Verbindungsstellen der Stäbe zu steuern. Zum einen kann anhand der Stabtypen festgelegt werden, ob nur Kräfte oder auch Momente auf die anschließenden Stäbe wirken. Zum anderen lassen sich über Gelenke bestimmte Schnittgrößen von der Weiterleitung ausschließen. Eine Sonderform stellen hierbei Scherengelenke dar, die eine realitätsnahe Modellierung beispielsweise von Dachkonstruktionen ermöglichen.

Stabtypen und Gelenke

Bei der Modellierung einfacher Stabtragwerke kommen meist folgende Stabtypen zum Einsatz.

  • Balkenstab: biegesteifer Stab, der alle Schnittgrößen überträgt
  • Fachwerkstab: Balkenstab, der an beiden Enden ein Momentengelenk besitzt
  • Zugstab: Stab mit der Steifigkeit EI, der bei einer Druckkraft ausfällt
  • Druckstab: Stab mit der Steifigkeit EI, der bei einer Zugkraft ausfällt
  • Knickstab: Stab mit der Steifigkeit EI, der bei einer Überschreitung der Knicklast ausfällt

Weitere Stabtypen sind im Online-Handbuch zu RFEM beschrieben.

Ergänzend sind nichtlineare Eigenschaften sowohl für Stäbe als auch für Gelenke möglich. Damit können spezielle Ausfallkriterien oder nichtlineare Beziehungen zwischen Kräften und Dehnungen vorgegeben werden. Dieser Fachbeitrag stellt einige Möglichkeiten der Modellierung mit Stabtypen und Gelenken anhand eines einfachen Beispiels vor.

Dachkonstruktion

Es wird das Dachsystem einer Scheune untersucht, dessen fachwerkartige Tragkonstruktion baulich fehlerhaft ausgeführt wurde: Beim Fachwerkbinder wurde eine Diagonale "vergessen", sodass bereits unter Eigengewichtslast sichtbare Verformungen auftraten. Dieser für die Tragfähigkeit unabdingbare Stab wurde nachträglich ergänzt. Ein Schadensfall konnte so vermieden werden.

Das RFEM-Modell bildet einen Ausschnitt der Dachkonstruktion ab. Die Fußpfetten werden als feste Lager angenommen, die First- und Mittelpfetten als seitlich Stützungen mit kleiner Drehfeder. Der Lasteintrag erfolgt vereinfachend über die Sparren mit entsprechenden Einzugsflächen. Beispielhaft werden nur die Lastfälle "Eigengewicht und Aufbau" sowie "Schnee" untersucht.

Fachwerkmodell mit Scherengelenken

Das Tragwerk wird mit Balkenstäben modelliert, die an Stellen mit Momentfreigaben entsprechende Gelenke erhalten. Ein reines Fachwerkstabmodell wäre nicht korrekt, da manche Stäbe an den Kreuzungspunkten durchlaufen und somit Momente übertragen. Der Stabtyp "Fachwerkstab (nur N)" wird nur für die beiden Kopfbänder verwendet. Die fehlenden Diagonalen lassen sich vorausblickend mit dem Stabtyp "Nullstab" im Modell abbilden. Sie werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt.

Gelenke sind in der Regel auf die lokalen xyz-Stabachsen bezogen. Damit kann bei räumlichen Stabtragwerken die Übertragung von Kräften und Momenten auf die Stäbe gesteuert werden, die am gemeinsamen Knoten anschließen. Im Modell werden lokale Momentengelenke für die Enden derjenigen Stäbe verwendet, die wegen der einfachen Holzbauverbindungen keine Momente übertragen - beispielsweise die Pfosten am oberen und unteren Ende. Für die oben erwähnten durchlaufenden Stäbe wie Sparren und Pfosten hingegen kommen sogenannte "Scherengelenke" zum Einsatz. Sie gewährleisten die Durchlaufwirkung für die Momente an den jeweils kreuzenden Stabpaaren. Scherengelenke sind stets auf das globale XZY-Achsensystem bezogen.

Die Verwendung von Scherengelenken ist auch in FAQ 000177 und FAQ 001438 beschrieben.

Bestimmte Stabtypen wie Fachwerk- oder Druckstab sind per definitionem mit Gelenken versehen, sodass sie nicht zusätzlich definiert werden brauchen; die entsprechenden Eingabefelder sind gesperrt.

Nach der Berechnung des Modells sind bereits für den LF 1 (ständige Lasten) relativ große Verformungen erkennbar.

Die Berechnung der Bemessungskombination LK2 endet mit einer Instabilitätsmeldung.

Fachwerkmodell mit nichtlinear wirkendem Gelenk

Für das Beispiel soll ergänzend folgendes Szenario untersucht werden. Wäre der Anschluss des Mittelpfostens an den Untergurt als reine Zapfenverbindung konstruiert, so würde sich die Verbindung wegen der Zugkraft im Pfosten lösen. Dieser Effekt kann im Modell durch ein nichtlinear wirkendes Normalkraftgelenk erfasst werden, das nur bei Druckkräften die Verbindung wirksam werden lässt.

Die Berechnung des LF 1 erfolgt in mehreren Iterationen. Wegen der Zugkräfte im Mittelpfosten löst sich die Verbindung am Untergurt, sodass dort eine Entkopplung des Systems erfolgt.

Eine alternative Modellierung könnte in Form einer sogenannten Knotenfreigabe erfolgen (siehe Online-Handbuch).

Modell des sanierten Fachwerks

Die beiden Nullstäbe werden im sanierten Tragwerk durch Knickstäbe ersetzt. Sie wirken wie Fachwerkstäbe, fallen jedoch bei Druckkräften jenseits der Knicklast aus. Die Berechnung der Bemessungskombination LK 2 nach Theorie II. Ordnung verläuft nun ohne Abbruch.

In der Verformungsfigur des Fachwerkträgers zeigt sich die Wirkung der Ausfachung. Die Durchbiegungen der Sparren sind durch die Modellierung der Lasteinleitung bedingt, die für diesen Tragwerksausschnitt gewählt wurde. Sie sind nicht Gegenstand der Untersuchung.

Zusammenfassung

Am Beispiel eines einfachen Fachwerkträgers wurde vorgestellt, wie Stabtypen und Gelenke eingesetzt werden können, um den Verlauf der Schnittgrößen in einem Modell realitätsnah abzubilden. Dabei spielen sogenannte Scherengelenke eine wichtige Rolle, die die Modellierung von Trägerkreuzungen bei Holztragwerken erleichtern. Stäben und Gelenken können auch nichtlineare Eigenschaften zugewiesen werden. Mit Nullstäben lassen sich Varianten des Modells zeitsparend untersuchen.


Autor

Herr Vogl erstellt und pflegt die technische Dokumentation.

Links
Referenzen
  1. Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten - Teil 1-1: Allgemeines - Allgemeine Regeln und Regeln für den Hochbau; DIN EN 1995-1-1:2010-12
  2. Handbuch RFEM, Dlubal Software. Tiefenbach, März 2020.
  3. Handbuch RSTAB. Tiefenbach: Dlubal Software, März 2016.