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1. Februar 2023

Wie schlagen sich Start-ups im Bauwesen?

Heutzutage findet man so ziemlich überall neue Start-ups – außer in der Baubranche. Wir haben uns gefragt, wieso es im Bauwesen so wenige Start-ups gibt. Liegt es an der Grundeinstellung der Branche zu Neuerungen? Lässt sich ein Start-up in diesem Bereich schwieriger aufbauen? Zum Glück haben wir heute Moritz Lönhoff bei uns zu Gast. Er ist Experte für Start-ups und klärt uns auf. Gespannt? Dann lest gerne rein!

Von der IT ins Bauwesen

Unser heutiger Gast Moritz Lönhoff hat Bauingenieurwesen studiert und ist mit einem eigenen Ingenieurbüro selbständig. Er beschäftigt sich dabei vor allem mit der Dynamik, sprich Erdbebensicherheit von Tragwerken. Nebenbei hat er einen eigenen Podcast, in dem er sich mit Innovationen und vor allem Start-ups im Bauwesen beschäftigt.

Er erzählt uns, dass er nach dem Abitur zunächst vier Semester Informatik studiert hat, eh er zum Bauingenieurstudium wechselte. Ihm hat einfach der Praxisbezug gefehlt und ohnehin liegt das Bauwesen einfach in der Familie. Besonders fasziniert ihn daran, dass man mit viel Abwechslung immer etwas Neues erschaffen kann.

Leidenschaft für Start-ups

Moritz hat seinen eigenen Podcast „Build-up“, angelehnt an Start-up, nur im Bauwesen. Er erzählt uns, dass diese Idee bereits in seiner Studienzeit entstanden ist. Die Baubranche ist ihm schon damals ein wenig auf die Nerven gegangen. Als Technik-Begeisterter war er schon früh von Innovationen fasziniert und davon gibt es – wie wir wissen – im Bauwesen nicht allzu viel.

Daher hat er sich vor allem während seiner Promotion viel mit Start-ups und Gründungen beschäftigt. Da die meisten Ingenieurbüros doch eher konservativ arbeiten, stand der Entschluss schnell fest: Er würde sein eigenes Büro gründen, in dem er mit den neusten Tools und Methoden arbeiten kann. Doch die Leidenschaft für Start-ups blieb.

  • Von der Start-up Kultur hatte ich so gar keine Ahnung in der Baubranche. Gibt es so etwas überhaupt?

Aus dem Technik-Bereich kennt man es eher: neue Apps, hilfreiche Software-Tools. Aber Start-ups im Bauwesen aus der Hand von Ingenieuren? Das gibt es kaum. In der Baubranche fokussieren sich Start-ups eher auf den Software-Bereich. Moritz erzählt uns, dass die meisten Start-ups im Bauwesen in den Bereichen Baustellendokumentation und -organisation mit neuen Apps und neuer Software zu finden sind. Was neue Bauabläufe oder Bauprodukte angeht, gibt es dagegen wenig bis gar nichts.

Eine richtige Plattform zu Start-up-Innovationen aus der Baubranche gab es nicht, also beschloss Moritz, einen Podcast dafür ins Leben zu rufen. Und wo findet man Kontakte zu Start-ups am besten? Auf LinkedIN. Hier gestaltete sich die Suche nach Podcast-Gästen relativ einfach und unkompliziert. Die ersten Teilnehmer sagten recht schnell zu und gaben gerne Kontakte weiter – die Vorteile eines B2B-Netzwerks.

Hürden für Start-ups im Bauwesen

Wieso aber gibt es gerade im Bereich Bauprodukte oder praktische Abläufe so wenige bis gar keine Start-ups in der Baubranche? Moritz stößt dafür einige Überlegungen an.

In anderen Bereichen, wie der Tech-Branche lassen sich Start-ups relativ leicht umsetzen. Soll eine neue App entwickelt werden, findet man sich vielleicht zu zweit oder zu dritt mit relativ wenig Kapital zusammen. Entweder braucht man noch einen Programmierer oder erledigt das sogar selbst.

Bei einem neuen Bauprodukt beispielsweise ist das alles wesentlich schwieriger. Zunächst erfordert ein solches Projekt wesentlich mehr finanzielle Mittel, gerade in der Entwicklung. Aber auch das Testen und dann am Ende die Zulassung sind im Bauwesen ein sehr langer, komplizierter Prozess. Geld, Zeit und Bürokratie spielen also gerade für ein Start-up in der Baubranche eine sehr große Rolle. Das können nur wenige wirklich stemmen.

Gründung von Start-ups im Bauwesen

Wir fragen uns natürlich, wie Start-ups in der Baubranche entstehen, wenn es so viele Hürden zu nehmen gilt. Hier erklärt uns Moritz, dass aus seiner Erfahrung heraus die meisten Gründer von Start-ups mit dem Bauwesen zu tun haben. Aber nicht als Ingenieur, sondern z.B. als Elektrotechniker.

Viele sehen auf der Baustelle Prozesse, die nicht reibungslos ablaufen oder haben Ideen für Verbesserungen, die sie umsetzen. Neben ihrer eigentlichen Arbeit tüfteln sie also an Lösungen für Probleme, die ihnen im Arbeitsalltag begegnen. Dadurch wird beispielsweise eine App oder Software zunächst für die eigene Firma entwickelt.

Irgendwann kommt ihnen der Gedanke, dass andere Unternehmen vermutlich mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Eine generelle Lösung gibt es noch nicht, also wird entschieden, die eigene App oder Software zu generalisieren und sie anderen zur Verfügung zu stellen. So entstehen in der Baubranche meist Start-ups.

Was Moritz bei den Gesprächen mit seinen Gästen besonders aufgefallen ist: Es gibt kaum Investoren, wie man es aus der Start-up-Szene kennt. Wie kommt das?

  • Sie haben bei ihrer Arbeit gesehen, da ist ein Problem, für das es noch keine Lösung gibt. Und dafür haben sie dann eine Lösung entwickelt.

Dadurch haben sie vermutlich schon während der Entwicklung Kunden gehabt, denn schließlich stand fest: Ein Bedarf ist auf jeden Fall da. Hier wird nicht von einer Idee für ein Produkt ausgegangen und dann über Studien nach dem Bedarf gesucht, sondern umgekehrt. Investoren sind also nur selten überhaupt notwendig.

Start-ups als Zukunft des Bauwesens

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob Start-ups in der Baubranche eine Zukunft haben. Moritz geht noch einen Schritt weiter:

  • Sind Start-ups die Zukunft? Bestimmt!

Schließlich gehen wirkliche Innovationen meistens eher von kleineren Start-ups aus als von großen etablierten Unternehmen. Das ist in den meisten Branchen der Fall, da wird das Bauwesen keine Ausnahme sein. Leider ist die Baubranche da sehr konservativ. Allein, ein neues Bauprodukt auf den Markt zu bringen, das den herkömmlichen etablierten Stahlbeton ersetzen könnte, wäre fast undenkbar. Da liegt noch einiges an Weg vor uns und natürlich vor innovativen Lösungen, die noch an Entwicklung und fehlenden Normen scheitern.

Moritz sieht großes Potenzial in KI und Big Data. In allen Branchen passieren große Innovationen dort, wo große Mengen an Informationen zusammenlaufen. Im Bauwesen ist das schwierig. Jeder Bauingenieur und auch Firmen sammeln Daten für sich, aber oft fehlt der Austausch.
Kann man es wagen, ein Gebäude so zu bauen? Vielleicht hat ein anderes Büro das bereits einmal versucht und ist gescheitert, hat aber hilfreiche Informationen zusammengetragen, die man weiterentwickeln könnte. Eventuell sogar gemeinsam.

Aber da Wissen in der Regel nicht in dieser Form geteilt wird, können wir nicht aus Fehlern anderer lernen. Gerade das würde uns aber deutlich schneller voranbringen. Hier spricht Moritz von großem Potenzial der KIs möglicher Apps oder Baudokumentationen, die genau bei so etwas helfen könnten.

Besonders erwähnt er die Möglichkeiten einer KI-gesteuerten Baudokumentation. Das könnte allen Beteiligten das Zusammenarbeiten auf der Baustelle deutlich erleichtern. Er nennt uns ein einfaches Beispiel:

  • Es taucht irgendein Fehler auf und dann – Wer ist schuld?

So etwas hat schon oft zu Problemen auf der Baustelle geführt. Durch eine detaillierte KI-gesteuerte Baudokumentation kommen solche Fragen gar nicht erst auf. Es wird genau dokumentiert, wer wann was macht und damit ergibt sich die Schuldfrage von selbst. Auch Robotik und Automatisierung sowie die modulare Bauweise sieht er als sehr interessant für die Zukunft an, schließlich ist Nachhaltigkeit natürlich auch ein Thema.

Die Digitalisierung hat durch die Corona-Krise mehr oder weniger gezwungenermaßen auch in der Baubranche Einzug gefunden. Dadurch sind die Weichen in Richtung Zukunft gestellt. Wir sind gespannt, was künftig alles an Innovation auf das Bauwesen zukommt. Start-ups werden darin sicher einen nicht allzu kleinen Anteil haben.

Moritz, was ist dein Lieblingsbauwerk?

Am Ende unserer Folge stellen wir natürlich auch Moritz unsere obligatorische letzte Frage: Was ist dein Lieblingsbauwerk? Er erzählt uns, dass er mit seiner Familie im Urlaub immer interessante Bauwerke besichtigt hat. Schließlich liegt das Bauen ja in den Genen. Dabei hat ihn vor allem die Sagrada Familia Kathedrale in Barcelona beeindruckt.

Heute würde sich selbst mit einem Statikprogramm wohl niemand trauen, so etwas noch einmal zu bauen. Ein sehr kompliziertes Tragwerk, aber dafür umso schöner. Vielen Dank, dass du bei uns zu Gast warst!


Autor

Frau Ruthe ist im Marketing als Copywriterin zuständig für die Erstellung kreativer Texte und packender Headlines.



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