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4. November 2019

Modellbildung und Schnittgrößenermittlung für einen Plattenbalken mit darüberstehender Mauerwerkswand

Bei der Abbildung einer Rippe aus Stahlbeton mit darüberstehender Mauerwerkswand besteht die Gefahr einer Unterbemessung der Rippe, wenn das Tragverhalten des Mauerwerks nicht korrekt berücksichtigt und die Verbindung zwischen Mauerwerkswand und Unterzug nicht ausreichend genau modelliert wird. Dieser Artikel soll sich mit dieser Problematik und den möglichen Modellierungen einer solchen Konstruktion auseinandersetzen. Im Beispiel wird die Bewehrung rein aus den Schnittgrößen und ohne jegliche konstruktive Mindestbewehrung ermittelt.

Abbildung der Mauerwerkswand mit linearem Materialmodell

Voller Schubverbund
Der Unterzug beziehungsweise die Rippe trägt im 3D-Modell über ein Kräftepaar. Bei klassischer Biegebeanspruchung bildet sich im Steg eine Zug- und in der Decke eine Druckkomponente aus. Wird in diesem Zusammenhang die Mauerwerkswand über dem Unterzug mit vollem Schubverbund mit der Decke verbunden, so wirkt die gesamte Konstruktion zusammen. Das entspricht nicht der Realität. Es besteht die Gefahr, dass die Rippe deutlich unterbemessen wird.

Kein Schubverbund
Um zu vermeiden, dass eine gemeinsame Wirkung von Rippe und Wand stattfindet, kann eine Linienfreigabe definiert werden. Hier ist der Freiheitsgrad Cux freizugeben. Des Weiteren sollte verhindert werden, dass sich die Rippe über die vertikale Komponente an die Wand hängt. Durch eine Nichtlinearität (Fest falls vz positiv) kann das Verhalten abgebildet werden. Diese Nichtlinearität ist auch der Grund für die Auswahl einer Linienfreigabe anstelle eines Liniengelenks.

Im Vergleich zum vollen Schubverbund wird der Unterzug nun deutlich höher belastet. Die Bewehrung hat sich annähernd vervierfacht.

Es bleibt aber die Frage, ob die Schnittgrößenverteilung in der Wand realitätsnah ist und ob es in diesem Zusammenhang Effekte gibt, welche sich auf die Belastung der Rippe auswirken können.

Abbildung der Mauerwerkswand über eine Nichtlinearität

Abbildung mittels "Membranzugfrei"
In einer weiteren Betrachtung soll die Mauerwerkswand als Fläche des Typs "Membranzugfrei" abgebildet werden. In diesem Zusammenhang soll sichergestellt werden, dass die Wand keine Zugkräfte aufnehmen kann. Bei der anschließenden Bemessung der Rippe werden annähernd gleiche Bewehrungsergebnisse ermittelt. Bei der Betrachtung der Normalkräfte kann der Verlauf der Druckstreben in der Wand nachvollzogen werden. Es fällt auf, dass sich an der unteren Seite der Wand eine horizontale Druckstrebe ausgebildet hat.

Abbildung mittels Materialmodell "Isotropes Mauerwerk 2D"
Um die Ergebnisse des Modells mit Flächentyp "Membranzugfrei" zu prüfen, soll ein weiteres Modell mittels Materialmodell "Isotropes Mauerwerk 2D" erzeugt werden. Das Materialmodell ist so angepasst, dass das Mauerwerk keine Zugkraft aufnehmen kann.

Die beiden Ergebnisse stimmen annähernd überein. Aber auch in diesem Modell fällt eine horizontale Druckstrebe am unteren Rand der Mauerwerkswand auf.

Abbildung unter der Berücksichtigung des Baufortschritts

Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt der Unterzug und die angeschlossene Decke ausgeschalt werden, kann es einen Einfluss des Baufortschritts geben. Wird die Decke ausgeschaltet, bevor die darüberliegende Mauerwerkswand hergestellt wird, so kann sich infolge der ständigen Lasten des unteren Geschosses keine Beanspruchung im darüberliegenden Geschoss beziehungsweise in der Mauerwerkswand ergeben. Die Mauerwerkswand wäre zu diesem Zeitpunkt noch nicht existent. Um diesen Zusammenhang zu prüfen, soll eine Berechnung mittels Berücksichtigung der Bauzustände erfolgen. In Bild 06 wird deutlich, dass sich am unteren Rand der Wand keine Druckstrebe mehr ausbildet (vergleiche Bild 05).

Bei der Bemessung der Rippe auf Grundlage der unter Berücksichtigung der Bauzustände ermittelten Schnittgrößen ergibt sich im Beispiel eine um zirka 20 % höhere Bewehrung.

Fazit

Bei einer Abbildung einer Mauerwerkswand über eine Rippe ist sicherzustellen, dass der Rippe durch die Wand keine Lasten entzogen werden. Dies kann teilweise durch die Verwendung von Liniengelenken und -freigaben gewährleistet werden. Des Weiteren ist zu hinterfragen, ob Bauzustände einen Einfluss haben. Es ist zu vermeiden, dass die Mauerwerkswand im Modell Beanspruchungen zu einem Zeitpunkt aufnimmt, an dem sie noch nicht vorhanden ist.


Autor

Herr Langhammer beschäftigt sich mit der Entwicklung im Bereich Stahlbeton und den Anwenderanfragen im Kundensupport.

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