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14. Juni 2023

Durchbiegungsnachweis für Stabelemente

Für die Gebrauchstauglichkeit eines Tragwerks dürfen die Verformungen bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. In einem Beispiel wird gezeigt, wie die Durchbiegung von Stäben mit den Bemessungs-Add-Ons nachgewiesen werden kann.

Neben den Anforderungen an die Tragfähigkeit müssen die maßgebenden Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit eines Tragwerks erfüllt sein. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Nachweis der Verformungen, um Schäden infolge zu großer Durchbiegungen vorzubeugen. Entsprechende Regelungen finden sich in verschiedenen Normen. Die Grenzwerte der Verschiebungen sind in der Regel auf Längen der Bauteile bezogen, beispielsweise nach EN 1993 [1] oder AISC 360 [2] für den Stahlbau, nach EN 1992 [3] oder ACI 318 [4] für den Betonbau sowie nach EN 1995 [5] oder NDS [6] für den Holzbau. Im Kapitel L2. Deflections des AISC 360 findet sich beispielsweise folgende Regelung: "Durchbiegungen größer als 1/200 der Feldlänge können die Funktion beweglicher Teile wie Türen, Fenster und Schiebetrennwände beeinträchtigen." Für jedes Material gelten auch unterschiedliche Grenzwerte für die Feld- und Kragbereiche von Trägern.

RFEM und RSTAB bieten die Möglichkeit, eine Kontrolle der Verschiebungen bei den Nachweisen durchzuführen und als Nachweis auszugeben.

Beispiel

Am Modell einer einfachen Holzbühne wird gezeigt, wie Sie beim Nachweis der Durchbiegung vorgehen. Dieses Modell stellt einen Trägerrost aus Brettschichtholzstäben dar, der durch drei Lastfälle beansprucht ist: Eigengewicht, Nutzlast Bühne und Nutzlast Kragbereich. Die Überlagerung der Lastfälle erfolgt nach EN 1990 [7] unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen für Holztragwerke wie Kriechen, die Bemessung nach EN 1995-1-1 [5]. Beim Tragfähigkeitsnachweis wird die Stabilität nicht untersucht. Der Nachweis der Durchbiegung im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit erfolgt für die quasi-ständige Bemessungssituation.

Die Bühne liegt als symmetrisches System vor. Im Modell jedoch wird der Randträger auf einer Seite als komplett durchlaufender Stab mit Knoten des Typs "Auf Stab" abgebildet, auf der anderen Seite über Einzelstäbe.

Für die Nachweise ist das Add-on Holzbemessung aktiviert. Die Bemessung erfolgt nach EN 1995 mit den CEN-Empfehlungen.

Gebrauchstauglichkeitskonfiguration

Da der Durchbiegungsnachweis für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit geführt wird, muss die Option Gebrauchstauglichkeit bei den zu berechnenden Konfigurationen für die Holzbemessung aktiviert sein. Diese Einstellungen werden im Dialog 'Globale Einstellungen' verwaltet, den Sie über das Kontextmenü des Navigatoreintrags 'Holzbemessung' aufrufen können.

Der Brandschutz soll nicht untersucht werden.

Die Grenzwerte der Durchbiegungen sind in der Gebrauchstauglichkeitskonfiguration hinterlegt, die mit dem Aktivieren der Holzbemessung als Standard erzeugt werden.

Die Gebrauchstauglichkeits-Grenzwerte sind gemäß Norm voreingestellt, können aber angepasst werden. Es sind getrennte Vorgaben für Träger (beidseitig aufgelagerte Biegestäbe) und Kragträger (einseitig aufgelagerte Biegestäbe) möglich, die je nach Bemessungssituation gelten. Für die quasi-ständige Bemessungssituation sind jeweils zwei Kriterien vorgesehen. Damit wird den Anforderungen für die gesamte Enddurchbiegung wnet,fin und die Enddurchbiegung wfin gemäß [5] Tabelle 7.2 entsprochen.

Durchbiegungsnachweis

Die Vorgaben für den Durchbiegungsnachweis sind für jeden Stab separat zu treffen. Per Voreinstellung wird die Verschiebung jeweils auf die Gesamtlänge des Stabes und die verformten Stabenden bezogen. Die Vorgaben sind im Register Bemessungsauflager und Durchbiegung des Dialogs 'Stab bearbeiten' hinterlegt.

Wird das Modell mit diesen Standardeinstellungen bemessen, so ergeben sich beim Nachweis der Durchbiegungen die in folgendem Bild dargestellten Ausnutzungen.

Für den Stab 4 (Querträger zwischen den Längsträgern) beispielsweise sind diese Voreinstellungen korrekt angesetzt: Bei der Durchbiegung in Stabmitte muss die Verformung der Randträger berücksichtigt werden. Nutzen Sie die Nachweisdetails, die Sie für die entsprechende Nachweisstelle mit der Schaltfläche Nachweisdetails aufrufen können (siehe Bild oben), um die Ermittlung des Nachweiskriteriums nachzuvollziehen.

Die maßgebende Verformung des Querträgers für die quasi-ständige Bemessungssituation liegt in der LK 7 mit 35.7 mm vor. Würde man diesen Wert für den Nachweis ansetzen, wäre er größer als der Grenzwert von L/250 = 7000 mm / 250 = 28 mm. An den Stabenden des Querträgers weisen die Randträger in der LK 7 jeweils eine Verschiebung von 16.2 mm auf, die beim Nachweis entsprechend berücksichtigt werden muss: 35.7 mm - 16.2 mm = 19.5 mm (das Programm berücksichtigt mehr Nachkommastellen). Das Nachweiskriterium verwendet die lokale Verformung bezogen auf die geradlinige Verbindung der Endknoten. Es ergibt sich zu 19.5 mm / 28 mm = 0.69. Der lokale Verformungswert des Stabes wird also reduziert, wenn sich seine Endknoten verschieben. Für den Querträger ist dieser Ansatz korrekt, ebenso für die meisten Stäbe des Beispiels – mit Ausnahme der beiden Randträger.

Bemessungsauflager

Wie das Bild Ergebnis mit Standardeinstellungen zeigt, ist das Nachweiskriterium für den durchlaufend modellierten Randträger (Stab 1) nicht korrekt: Es drückt eine durchlaufende Verformung aus, die weder das Zwischenauflager noch den Kragträger berücksichtigt. Hier sind manuelle Anpassungen nötig.

Da der Randträger mit Knoten des Typs 'Auf Stab' modelliert ist, können die Randbedingungen des herausgelösten Systems über sogenannte Bemessungsauflager abgebildet werden. Sie ermöglichen es, interne Lager anzuordnen und freie Enden zu modellieren. Der Knoten am gelagerten Stabende repräsentiert den Stabanfang, der Knoten am Kragträger das Stabende.

Die 'inneren Knoten' des durchlaufenden Stabes werden erkannt. Er wird als ein einziges 'Segment' angenommen. Da dies nicht dem Modell gerecht wird, müssen Lagerungen zugewiesen werden. Klicken Sie im Register 'Bemessungsauflager und Durchbiegung' auf die Schaltfläche Neu , um ein 'Bemessungsauflager am Stabanfang' zu definieren.

Es erscheint der Dialog 'Neues Bemessungsauflager'.

Mit dem voreingestellten Typ 'Holz' lassen sich die Vorgaben für die Holzbemessung erfassen. An den Knotenlagern liegt eine 'Direkte Lagerung' vor. Es wird eine Lagerlänge von 300 mm angenommen; die Lagerbreite soll der Breite des Trägers entsprechen. Damit das Lager beim Nachweis berücksichtigt wird, muss das Kontrollfeld Aktiv für Durchbiegungsbemessung angehakt sein. Das 'Lager in y-Achse' kann deaktiviert werden, da die Lagerung quer zum Stab für das Modell nicht relevant ist.

Klicken Sie OK und weisen das Bemessungsauflager dann dem Stabanfang und dem zweiten inneren Knoten zu (der erste innere Knoten ist der Anschlusspunkt des Querträgers).

Am Stabmodell liegen nun zwei Segmente mit 8.00 m und 1.50 m Länge vor.

Die Bemessung mit den geänderten Randbedingungen liefert folgendes Ergebnis:

Für das Feld und den Kragbereich werden nun die Bezugslängen und Grenzwerte korrekt gemäß Norm angesetzt. Dies können Sie wieder bei den Nachweisdetails überprüfen.

Benutzerdefinierte Längen und Verschiebungsbezug

Der zweite Randträger ist durch drei aneinander anschließende Einzelstäbe modelliert. Auch hier sind manuelle Anpassungen nötig, damit die Nachweise nicht auf die Einzelstäbe bezogen erfolgen (siehe Bild Ergebnis mit Standardeinstellungen).

Die Stäbe 7 und 8 repräsentieren den "Feldbereich" des Trägers mit beidseitiger Lagerung. Die Segmentlänge ist jeweils mit der Stablänge voreingestellt. Da das Segment jedoch der Gesamtlänge der beiden Stäbe entspricht, muss die Länge hier manuell vorgegeben werden: Haken Sie das Kontrollfeld Benutzerdefinierte Längen an ❶ und legen dann die 'Länge' des Segments jeweils mit 8.00 m fest ❷. Dieser Wert entspricht der Stützlänge zwischen den Lagerpunkten (siehe Bild Modell einer Holzbühne).

Die Durchbiegung darf in diesem Fall nicht auf die verformten Segmentenden bezogen werden, denn das Programm würde sonst die Verbindungslinie zwischen dem Lagerknoten und dem verschobenen Anschlussknoten des Querträgers als Referenz verwenden. Wählen Sie daher in der Liste Verschiebungsbezug die Option 'Unverformtes System' aus ❸.

Bemessungsauflager sind nicht erforderlich, da automatisch eine beidseitige Lagerung angenommen wird. Die Bemessung mit den geänderten Vorgaben liefert folgendes Ergebnis:

Kragträger

Zuletzt ist noch eine Anpassung für den Kragbereich des zweiten Randträgers erforderlich (Stab 9). Da das Programm wie erwähnt automatisch eine beidseitige Lagerung annimmt, muss die Lagerung für diesen Fall manuell definiert werden. Weisen Sie dem Stab ein Bemessungsauflager am Stabanfang zu, indem Sie den zuvor definierten Typ 'Holz' in der Liste auswählen.

Das freie Stabende muss ohne Bemessungsauflager bleiben. Die abschließende Bemessung liefert nun identische Nachweiskriterien für beide Randträger.

Zusammenfassung

Im Beispiel wurden verschiedene Möglichkeiten vorgestellt, wie Sie beim Nachweis der Verformungen in RFEM oder RSTAB vorgehen können. Biegeträger mit beidseitigen Lagerungen erfordern keine besondere Aufmerksamkeit, da das Programm die Randbedingungen automatisch erkennt. Mit der Voreinstellung für den Bezug der Verschiebungen auf die verformten Segmentenden werden die Verschiebungen des Gesamtsystems beim Nachweis korrekt berücksichtigt. Bei geteilten Stäben kann es aber erforderlich sein, die Stützlänge manuell anzupassen und die Verschiebung auf das unverformte System zu beziehen. Bei durchlaufenden Stäben und Kragträgern wiederum müssen Bemessungsauflager zugewiesen werden, um die Lagerungsbedingungen des herausgelösten Modells richtig abzubilden.


Autor

Herr Vogl erstellt und pflegt die technische Dokumentation.

Referenzen
  1. Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten − Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2010
  2. ANSI/AISC 360-16, Specification for Structural Steel Buildings
  3. EN 1992-1-1: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2004
  4. ACI 318-19, Building Code Requirements for Structural Concrete and Commentary
  5. Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten - Teil 1-1: Allgemeines - Allgemeine Regeln und Regeln für den Hochbau; DIN EN 1995-1-1:2010-12
  6. National Design Specification (NDS) for Wood Construction 2018 Edition
  7. Eurocode 0: Grundlagen der Tragwerksplanung; DIN EN 1990:2010-12