344x
001987
19. September 2025

Vorteile der CFD-Windsimulation gegenüber normbasierten statischen Windlastberechnungen

Der Beitrag hebt hervor, wie die CFD-Windsimulation herkömmliche normbasierte Berechnungen übertrifft, indem sie komplexe Geometrien genau modelliert, detaillierte Druckverteilungen liefert und lokale Windeffekte erfasst. Er betont die Flexibilität von CFD in Bezug auf Windrichtung und standortspezifische Profile sowie die Integration mit der statischen Berechnung. Trotz höherer Rechenanforderungen bietet CFD eine größere Präzision und Effizienz, was es besonders wertvoll für hohe, unregelmäßige oder windempfindliche Konstruktionen macht.

📝 Einführung

In der modernen Bau- und Windtechnik spielt die genaue Ermittlung der Windlasten eine entscheidende Rolle für die Sicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Wirtschaftlichkeit von Gebäuden und zivilen Infrastrukturen. Traditionell stützen sich Ingenieure bei der Ermittlung der Bemessungslasten auf normbasierte statische Windlastberechnungen, wie sie beispielsweise in Eurocode 1991-1-4 oder ASCE 7-22 beschrieben sind. Diese Ansätze verwenden vereinfachte analytische Formeln, die aus Windkanalversuchen und empirischen Daten abgeleitet wurden und standardisierte Lastfälle liefern, die für konventionelle Konstruktionen in der Regel ausreichend sind.

Mit dem Aufkommen der numerischen Strömungsmechanik (CFD) in der Ingenieurpraxis hat sich jedoch eine leistungsstarke Alternative herausgebildet, die weitaus tiefere Einblicke und eine höhere Präzision bietet. CFD-Windsimulationen finden nicht nur in der Forschung, sondern auch in der angewandten Konstruktionstechnik zunehmend Anerkennung, insbesondere bei komplexen und windempfindlichen Strukturen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Anwendung von CFD-Simulationen in RWIND nicht dazu gedacht ist, kodifizierte statische Windlastberechnungen zu ersetzen, sondern diese zu ergänzen und zu verbessern. Dieser Ansatz ist vollumfänglich im Einklang mit Eurocode EN 1991-1-4, Absatz 1.5, der ausdrücklich die Verwendung “bewährte[r] und/oder anerkannte[r]
numerische[r] Verfahren zur Bestimmung von Lasten und Systemreaktionen [erlaubt], wenn
die Struktur und der natürliche Wind zutreffend modelliert werden”
. In ähnlicher Weise erkennt ASCE 7-22 unter Verweis auf ASCE 49 an, dass CFD zwar zunehmend in der Windtechnik eingesetzt wird, seine Verwendung jedoch sorgfältig kontrolliert werden muss. Da es derzeit keine spezielle Norm gibt, die die vollständigen Verfahren für CFD in diesem Zusammenhang detailliert beschreibt, betont ASCE, dass jede Anwendung von CFD zur Bestimmung der Windlasten auf das Main Wind Force Resisting System (MWFRS), Komponenten und Verkleidungen („Components and Cladding“, C&C) oder andere Strukturen einer Peer-Review und einer Verifizierungs- und Validierungsuntersuchung („Verification and Validation“, V&V) unterzogen werden muss, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse sicherzustellen.

⚠️ Einschränkungen normbasierter statischer Windlastberechnungen

Obwohl Normen Robustheit und Zuverlässigkeit bieten, sind sie von Natur aus konservativ und verallgemeinernd. Zu ihren Einschränkungen gehören:

  • Vereinfachte Annahmen: Normen gehen von idealisierten Gebäudeformen aus (z.B. rechteckige Formen, Satteldächer) und können die Komplexität moderner architektonischer Entwürfe nicht vollständig erfassen.
  • Begrenzte Richtungsauflösung: Windrichtungen werden in der Regel auf wenige diskrete Fälle (0°, 90° usw.) reduziert, wobei kritische Winkel, die das Lastverhalten beeinflussen können, außer Acht gelassen werden.
  • Unzureichende lokale Details: Es werden nur globale Koeffizienten angegeben, die möglicherweise lokale Effekte wie Eckwirbel, Fassadensog oder Kanalbildung zwischen Strukturen nicht widerspiegeln.
  • Generische Windprofile: Normen verwenden vereinfachte Geländekategorien und logarithmische oder Potenzgesetzprofile, die die standortspezifischen meteorologischen Bedingungen möglicherweise nicht vollständig widerspiegeln.

Bei typischen niedrigen, regelmäßigen Bauwerken haben diese Einschränkungen möglicherweise keine wesentlichen Auswirkungen auf die Sicherheit. Bei hohen, schlanken, unregelmäßigen oder aerodynamisch empfindlichen Konstruktionen können sie jedoch zu übermäßig konservativen oder unsicheren Nachweisen führen.

🚀 Vorteile der CFD-Windsimulation

Die CFD-Windsimulation vermeidet viele der oben genannten Einschränkungen, indem sie die Navier-Stokes-Gleichungen für die Luftströmung um Strukturen direkt löst. Zu ihren Vorteilen gehören:

1) Genaue Darstellung komplexer Geometrien

Im Gegensatz zu normbasierten Methoden kann CFD jede architektonische oder strukturelle Form handhaben, von Freiformfassaden über schlanke Türme und kabelgestützte Dächer bis hin zu Solaranlagen. Dadurch lassen sich die aerodynamischen Effekte realer Geometrien ohne übermäßige Vereinfachung erfassen.

2) Detaillierte Flächendruckverteilung

CFD liefert räumlich aufgelöste Druckfelder über jede Fläche hinweg, sodass Ingenieure Hotspots von Sog oder Stagnation identifizieren können, die mit Normen nicht erfasst werden können. Dies ermöglicht eine effizientere Tragwerksplanung und die Möglichkeit, Fassadenverkleidungen, Verankerungen und Verbindungen zu optimieren.

3) Erfassen lokaler Windphänomene

Dynamische Effekte wie Wirbelablösung, Strömungsablösung, Kanalbildung zwischen Gebäuden und Abwind können modelliert werden. Diese Effekte sind entscheidend für hohe Gebäude, Untersuchungen zum Komfort für Fußgänger und für Konstruktionen, die aerodynamischen Kräften ausgesetzt sind.

4) Flexibilität der Windrichtung

CFD-Simulationen können für jeden beliebigen Windwinkel durchgeführt werden und liefern ein kontinuierliches Verständnis der Lastantwort, anstatt auf diskrete Richtungen in Normen beschränkt zu sein. Dies führt zu einer robusteren Identifizierung maßgeblicher Lastfälle.

5) Standortspezifische Windprofile

Durch die Einbeziehung gemessener meteorologischer Daten oder mesoskaliger Simulationsergebnisse kann CFD maßgeschneiderte Anströmrandbedingungen generieren, die die besondere Topografie, Rauheit und atmosphärische Stabilität eines Projektstandorts widerspiegeln.

6) Integration mit Tools zur statischen Analyse

Moderne Arbeitsabläufe ermöglichen die nahtlose Übertragung von CFD-abgeleiteten Oberflächendrücken in FEM-Programme (Finite-Elemente-Methode) wie RFEM. Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass diese Lasten in standardisierte Lastkombinationsformate wie ASCE Load and Resistance Factor Design (LRFD) oder Eurocode-Kombinationen integriert werden können. Dadurch wird sichergestellt, dass CFD-abgeleitete Windeinwirkungen im gleichen Rahmen wie andere Lastwirkungen (z.B. Eigenlasten, Nutzlasten, Schnee, Erdbeben) berücksichtigt werden, während die vollständige Einhaltung der Vorschriften gewährleistet ist.

7) Erhöhte Sicherheit und Optimierung

CFD verbessert nicht nur die Genauigkeit, sondern reduziert auch übermäßige Konservativität. Durch die genaue Bestimmung der maßgeblichen Lasten können Ingenieure leichtere, effizientere und nachhaltigere Konstruktionen entwerfen, ohne die Sicherheit zu beeinträchtigen.

8) Erfassung von Druck und Sog mit CFD

CFD zeigt sowohl Druck- als auch Soglasten deutlich an und vermittelt Anwendern ein umfassendes Verständnis von Windeffekten auf die gesamte Struktur.

💡 Praktische Überlegungen

Trotz der Vorteile birgt CFD auch Herausforderungen:

  • Rechenbedarf: Hochpräzise Simulationen, insbesondere unter Verwendung der Large Eddy Simulation (LES), erfordern erhebliche Rechenressourcen.
  • Fachwissen: Zuverlässige CFD erfordert eine korrekte Modellkonfiguration, Turbulenzmodellierung und Validierung anhand von Versuchs- oder Felddaten.
  • Validierungsanforderungen: Für die behördliche Zulassung müssen CFD-Ergebnisse häufig mit Windkanaltests oder etablierten Standards verglichen werden.

Dennoch machen Fortschritte bei der Rechenleistung, numerischen Methoden und cloudbasierten Solvern CFD zunehmend praktikabel und zugänglich.

🏗️ Anwendungsszenarien, in denen CFD einen Mehrwert bietet

CFD ist besonders wertvoll für:

🏢 Hochhäuser und schlanke Türme

🪞 Fassaden- und Verkleidungssysteme

🏟️ Weitgespannte Dächer, Stadien und Brücken

🌊 Offshore- und Küstenbauwerke

☀️ Solartracker, Windkraftanlagen und Antennensysteme

🌆 Studien zur städtischen Windumgebung und zum Fußgängerkomfort

🚠 Bergbahnen und Seilbahnstützen

🏭 Industrieanlagen, Schornsteine und Kühltürme (Kamineffekte, Emissionen)

🎢 Leichte und spezielle Konstruktionen wie Zugmembranen, Achterbahnen oder Holzgitterschalen

⚡ Leitungssysteme und Masten

🏛️ Denkmalgeschützte Bauwerke und kulturelle Sehenswürdigkeiten, die einen ortsspezifischen Schutz erfordern

🏗️ Fliegende Bauten und Bauphasenkonstruktionen

In der folgenden Fallstudie liefert CFD Einblicke sowohl in globale strukturelle Lasten als auch in lokale Effekte und ermöglicht so zuverlässigere ingenieurtechnische Entscheidungen.

🔍 Fazit

Während normbasierte statische Windlastberechnungen für viele Standardanwendungen nach wie vor unverzichtbar sind, sind sie in ihrer Fähigkeit, komplexe Geometrien, lokale Effekte und dynamische Phänomene abzubilden, von Natur aus begrenzt. Im Gegensatz dazu bietet die CFD-Windsimulation eine physikbasierte, standortspezifische und geometrieaufgelöste Lösung, die der wachsenden Komplexität der modernen Architektur und Tragwerksplanung gerecht wird. Da Regulierungsbehörden die Zuverlässigkeit von CFD bei ordnungsgemäßer Validierung zunehmend anerkennen, wird ihre Rolle in der Ingenieurpraxis weiter zunehmen. Letztendlich ist die Kombination aus normbasiertem Konservativismus und CFD-basierter Präzision der effektivste Weg zu sicheren, effizienten und innovativen Entwürfen.


Autor

Herr Kazemian ist verantwortlich für die Produktentwicklung und das Marketing für die Dlubal-Software, insbesondere für das Programm RWIND 2.



;