Hamburg, die freie Hansestadt mit zwei der schönsten Stadtteile überhaupt. Die HafenCity und die Speicherstadt stehen für die architektonische Vielfalt Hamburgs. Das Wahrzeichen, die Elbphilharmonie, verbindet das historische Erbe und die moderne Seite des Venedigs des Nordens, wie es so schön heißt. Doch wie schon bei der Elbphilharmonie wird immer wieder deutlich: Hamburg hat ein Problem. Ein Baustellenproblem.
Denn genau so gut könnte man die Hansestadt Stadt der Baustellen nennen. Wer sich schon einmal durch den Stadtverkehr gequält hat, um zum Beispiel an die Nordsee zu kommen, weiß, wovon wir sprechen. Stau über Stau. Die nächste Umleitung kommt bestimmt. Alles, weil seit Jahren überall in der Innenstadt gebaut wird. Und die Bauprojekte dort haben einen eher schlechten Ruf. Wieso? Eine Mischung aus innovativem Bauen, verbratenen Steuergeldern, privaten Investoren und Politik, die sich zu gerne einmischt. Ein Pulverfass, das gut und gerne mal explodiert.
Nachdem wir uns bereits ausführlich mit dem Bau der Elbphilharmonie beschäftigt haben, steht dieses Mal ein weiterer Prestigebau auf dem Plan: Das Haus der Erde. Auch hier kam es zu exorbitant gestiegenen Baukosten, etlichen Baustopps, Fehleinschätzungen und einer deutlichen Verlängerung der Bauzeit. Das Haus der Erde wurde zu einem finanziellen Loch, das einem unserer letzten Themen, Burg Houska, Konkurrenz machte. Das Tor zur finanziellen Unterwelt. Jegliche Deadlines rückten in weite Ferne und der Kostenrahmen explodierte, eh die Reste davon im Feuer der Politikhölle verglühten. Gemeinsam schauen wir uns das Ganze etwas genauer an. Wieso gab es auch hier wieder die altbewährten Probleme? Und hat Hamburg denn überhaupt nichts dazugelernt?
Das Haus der Erde: Ein weiterer Prestigebau für Hamburg
Wer vielleicht in Hamburg studiert oder schon einmal den Campus besucht hat, weiß: Das Geomatikum ist wohl eines der hässlichsten Gebäude, die man dort finden kann. Es erinnert eher an einen in die Jahre gekommenen Plattenbau, wie sie anderswo reihenweise niedergerissen werden. Denn die meisten dieser Bauten haben ihre beste Zeit längst hinter sich.
Um das eigene Image etwas aufzupolieren und endlich wieder zu investieren, wurde ein Neubau geplant: das Haus der Erde. Ein Sockel, der Klimaforschung und Geowissenschaften ein neues Zuhause bieten sollte.
Neben dem Fachbereich Geowissenschaften mit seiner Verwaltung sowie einem Teil der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, der sich mit den Folgen des Klimawandels auseinandersetzt, entstehen hier weitere kleinere Forschungsbereiche. Auch die Forschungsstelle für Nachhaltige Umweltentwicklung (FNU), das Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung (ZNF) sowie das Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft (IHF) würden hier einen neuen Wirkungskreis finden.
Haus der Erde: Daten, Ziele, Fakten
Die Planungen begannen in den frühen 2010ern und waren 2013 größtenteils abgeschlossen. Das neue Universitätsgebäude sollte auf dem Campus Bundesstraße direkt integriert werden. Vorrangig dienten die Pläne natürlich dem Ziel, einen modernen Ort für Lehrende und Lehre zu schaffen. Die Meinung der Öffentlichkeit allerdings war ebenfalls ein zentraler Punkt. Man wollte ein neues Prestigeprojekt schaffen, das für nationale und internationale Aufmerksamkeit sorgt.
Zu Beginn der Bauarbeiten im Jahr 2015 stand ein Plan fest: Der Campusbau Haus der Erde sollte 2020 fertiggestellt werden. Das Budget lag bei etwa 140 Mio. €. Noch zumindest. Denn beides – Bauzeit und Baukosten – sollten bald nur noch verschwommene Erinnerungen sein, vergangene Schatten ihrer selbst.
Der Bauverlauf – Chronik der Probleme
Als die Architektenplanung 2013 abgeschlossen war, übernahm das städtische Unternehmen GMH die weitere Realisierung des Projekts. Dabei handelt es sich um die Gebäudemanagement Hamburg GmbH.
In enger Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg übernimmt dieses Unternehmen den Bau sowie die Sanierungen und Instandhaltungen öffentlicher Gebäude im Süden der Stadt, beispielsweise von Schulen und Hochschulen. Das Fundament war also gesichert. Dann konnte ja nichts mehr schiefgehen. Oder?
Haus der Erde: Probleme in der Planungsphase
Falsch. Denn die Probleme am Haus der Erde in Hamburg begannen eigentlich schon vor dem Bau. Mitten in der Planungsphase. Es fiel zunächst nur niemandem auf. Dies betraf vor allem die sogenannte Technische Gebäudeausrüstung (TGA), dabei handelt es sich um Lüftung, Klimageräte und sanitäre Einrichtungen. Hier gab es deutliche Defizite, vor allem, was die unzureichende Dimensionierung anging. Dabei ist gerade für geowissenschaftliche Forschungen ein intaktes Raumklima unabdingbar.
Wäre bis zur Eröffnung mit diesen Plänen gebaut worden, hätten wir im Haus der Erde im Sommer Hitzestau und im Winter eiskalte Füße gehabt – klingt ganz nach der Deutschen Bahn, nicht wahr?
Glücklicherweise wurden die Mängel noch vor der Fertigstellung von der GMH erkannt und die technische Planung musste größtenteils neu angelegt werden. Das kostete Zeit. Zeit und Geld.
Kommunikations-Desaster: Baubeginn am Haus der Erde
Zwei Jahre später erfolgte dann der erste Spatenstich: Baubeginn am künftigen Haus der Erde in Hamburg. Das Straucheln in der Planungsphase setzte sich auch während des Baus am Haus der Erde fort. Tatsächlich stolperte das gesamte Projekt immer wieder, vor allem rück- oder seitwärts. Wer schuld war? Eigentlich so gut wie alle.
Fehlende oder mangelhafte Kommunikation zwischen den Beteiligten sorgte regelmäßig für Unmut. Wichtige Informationen oder kleinere Änderungen wurden zwischen Bauherrenvertretung (GMH), Planern, Architekten, Fachfirmen und später den ausführenden Unternehmen entweder gar nicht oder nur in Bruchstücken geteilt. Pläne mussten ständig umgeworfen und neu entwickelt werden. Selbst die kleinsten Entscheidungen zogen sich dadurch ins endlos Scheinende hin.
Bauverzögerungen am Haus der Erde
Durch zahlreiche Probleme verlängerte sich die Bauzeit und der ursprüngliche Termin zur Fertigstellung im Jahr 2019 rückte in weite Ferne. Klar, mag man da denken. 2020 machte uns allen die Corona-Pandemie einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Dann wird es nur daran gelegen haben, dass das Haus der Erde nicht rechtzeitig fertiggestellt wurde. Tatsächlich war allerdings weit vor der Pandemie klar, dass der Eröffnungstermin nicht zu halten war.
Zwar wurden Planungsfehler mittlerweile behoben, aber trotzdem verzögerte sich der Bau nach erfolgreicher Neuplanung weiterhin. Als nächster Termin wurde 2024 anvisiert, doch auch das verschob sich weiter nach hinten. Aktuell soll das Haus der Erde 2025 fertiggestellt werden. Ausschreibungen, Rohbau, Innenausbau: überall gab es Verzögerungen. Aber was bedeutet eine längere Bauzeit für ein öffentliches Bauprojekt?
- Verlust des Vertrauens der Öffentlichkeit (Baufinanzierung u.a. durch Steuergelder)
- Steigende Kosten durch Instandhaltung der Baustelle und Verlängerung von Verträgen
- Jahrelanges Provisorium für Studierende und Lehrende
Haus der Erde: Kostenexplosion
Ohne die Spannung großartig aufzubauen: Die Kosten für den Bau vom Haus der Erde stiegen von 140 Mio. € auf über 425 Mio. € an. Also etwa auf das Dreifache des ursprünglich geplanten Budgets. Aber wie konnte das passieren? Tatsächlich hatte es dieses Mal, bis auf die Konsequenzen der Planungsfehler, nicht unbedingt etwas mit Inkompetenz der Verantwortlichen zu tun, sondern war ein Produkt unglücklicher Umstände.
Zunächst stieg der Index im Bausektor, d. h. die durchschnittlichen Baukosten pro m², merklich an. Dazu kam die allgemeine Inflation, die ebenfalls zur Preissteigerung beitrug. So weit, so gewöhnlich. Allerdings kam es während der Corona-Pandemie auch beim Haus der Erde immer wieder zum Stillstand der Baustelle. Diese musste natürlich weiter instandgehalten werden, damit beispielsweise nicht durch fehlende Heizung oder Lüftung Schäden am Gebäude entstehen.
Kaum war die Pandemie halbwegs überstanden, kam die nächste Flutwelle. Dieses Mal in Form des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine. Gerade das Bauwesen traf dieser Umstand hart. Baumaterialien wie Stahl und Dämmstoffe verteuerten sich von 2021 bis 2022 um teils 60-70 %. Zusätzlich hatte die Baubranche mit Lieferengpässen und Personalmangel zu kämpfen. Gerade Großbaustellen warf das ein deutliches Stück zurück.
Ein weiteres Problem, das mit den Mehrkosten einherging, war die übliche Frage bei Bauprojekten dieser Art: Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld? Das Land Hamburg, die Universität, der Bund? Letztendlich kam es bei jeder Kostensteigerung, wie es kommen musste. Es wurde diskutiert. Und nein, dieses Mal gab es keine privaten Investoren. So weit die gute Nachricht. Die weniger gute, zumindest für alle Einwohner der Stadt: Die Mehrkosten wurden in Gänze aus der Stadtkasse gezahlt, also mit Steuergeldern.
Der Wasserschaden am Haus der Erde
Kaum war der sprichwörtliche Karren einigermaßen aus dem Dreck gezogen, folgte eine neue Katastrophe. Allerdings nicht von außen, sondern von innen. Trotz umfassender Neuplanungen kam es zu einem Desaster. Im August 2024 verursachte ein Leck im Tank der Sprinkleranlage einen verheerenden Wasserschaden im zweiten Untergeschoss. Dort befanden sich vor allem die Technikräume und geplante Labore. Bekannterweise vertragen sich Technik und Wasser ähnlich gut wie Politik und Bauwesen: gar nicht.
Der Schaden war so groß, dass sich das Wasser bis in die Betonwände und -decken zog. Pilze und Bakterien breiteten sich aus. Anstatt von Laboren zogen erst einmal Menschen in anderen weißen Kitteln ein: Der gesamte betroffene Bereich musste abgetrennt und gründlich dekontaminiert werden. Letztendlich mussten etwa 1900 m² Fußboden aufgestemmt und entfernt werden.
Trocknung und Nachbesserung würden Monate in Anspruch nehmen. Also kam es hier wieder zu einer Verzögerung, welche die baldige Eröffnung weiter nach hinten schob. Noch dazu steht nach wie vor aus, wer genau für den Schaden zur Verantwortung gezogen werden soll. Nächster Termin: ein vorsichtiges Anfang 2025.
Fazit: Haus der Erde in Hamburg
Zur Entstehungszeit dieses Blogbeitrags (April 2025) ist noch immer nichts Neues zu hören oder zu lesen. Anfang 2025 wird es also eher nicht mehr. Fassen wir also zusammen: Beim Bau vom Haus der Erde in Hamburg gab es viele Probleme. Ein Teil davon war unverschuldet und kaum absehbar, ein anderer deckt sich mit dem, was wir schon bei anderen Großbauprojekten feststellen mussten.
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Großbauprojekte Deutschland: Haben wir das Bauen verlernt?
ansehen. Darin gehen wir ausführlich auf die Probleme ein, die Deutschland aktuell und die letzten Jahre mit solchen Prestigebauten hat. Es lohnt sich! Wir fassen für euch die größten Probleme unserer Baubranche zusammen, wenn es um Großbauprojekte wie das Haus der Erde geht.
Fakt ist, ein großes Bauprojekt ist nun einmal komplex. Es gibt zahlreiche Dinge zu beachten und Prozesse zu koordinieren. Da kann leicht etwas schief gehen. Und oftmals hat schon eine Kleinigkeit große Auswirkungen auf den gesamten Bau.
Allerdings ist das Haus der Erde keinesfalls das erste Projekt seiner Art in Deutschland, auch nicht in Hamburg. Hier hat man Erfahrung mit öffentlichen Gebäuden und Prestigebauten, schließlich besteht Hamburg aus genau solchen Baustellen. Und trotzdem kommt es bei deutschen Großprojekten immer wieder zu Problemen.
Die Gründe für Scheitern, Verzögerungen und Kostenexplosionen bei Großbaustellen sind allerdings in den meisten Fällen gleich, so auch beim Haus der Erde.
- Unzureichende Kommunikation
Kommunikationsprobleme zwischen Planung, Politik und Ausführung machen es der Baubranche immer wieder schwer, Projekte vernünftig umzusetzen. Oftmals reden die unterschiedlichen Gewerke nicht wirklich miteinander.
Informationen wandern wie beim Kinderspiel Stille Post zwischen den Ebenen hin und her, wobei eine Hälfte um mindestens 100 Grad gedreht wird und die andere gar nicht erst bis zum Schluss durchkommt. Dabei ist Kommunikation so wichtig. BIM könnte hier auch in Zukunft einiges verbessern.
- Vermeidbare Fehler in Planung und Bau
Ein weiterer Aspekt für eine erfolgreiche Umsetzung eines so großen Projekts ist eine korrekte Planung und Umsetzung an sich. Das Haus der Erde startete bereits mit einer gewaltigen Fehlplanung, die das gesamte Projekt um Jahre zurück warf und die Stadt zur Kasse bot. Hier kommt es darauf an, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die bereits Erfahrung mit solchen Bauten haben.
Bestenfalls, mit denen die Stadt als Bauträger schon gute Erfahrungen gemacht hat. Bei den Ausschreibungen ist nun einmal nicht nur der Preis, sondern das tatsächliche Können der Gewerke entscheidend. Besser, man zahlt zuerst etwas mehr und alles funktioniert reibungslos, als am Ende nachbessern zu müssen und draufzuzahlen.
- Unzureichendes Risikomanagement beim Haus der Erde
Ein weiteres großes Problem beim Haus der Erde war das nicht ausreichende Risikomanagement. Natürlich birgt ein so großes Projekt Risiken. Wann immer sich der Bau eines Gebäudes über Jahre ziehen soll, kann davon ausgegangen werden, dass beispielsweise Rohstoffpreise in der Bauindustrie schwanken oder sich plötzlich stark erhöhen.
Auch unvorhergesehene Ereignisse wie Stürme sollten in der Planung berücksichtigt werden. Oder eben andere Formen von Krisen, die sich auf die Fertigstellung von Großprojekten negativ auswirken können. Was, wenn eines der Gewerke in der Zeit insolvent wird und seine Arbeit nicht fortsetzen kann? Da braucht es einen Plan B.
Ein umfangreiches Risikomanagement ist unerlässlich für den Erfolg eines Projekts, das so groß ist wie das Haus der Erde. Hier hätte von Beginn an ein größerer Puffer mit einberechnet werden müssen.
Viele der Probleme beim Bau am Haus der Erde wären also mit vorausschauender Planung im Vorhinein gar nicht entstanden. Wir müssen uns in der Baubranche immer wieder vor Augen halten, dass eine gute Vorbereitung das beste Fundament für ein erfolgreiches Bauprojekt ist. Gerade die Kommunikation zwischen Planung und Ausführung wird wichtiger, je größer und komplexer das Endergebnis sein soll. Es wäre wünschenswert, wenn das Bauwesen in Deutschland weitere Schritte vorwärts macht, nicht zurück. Gerade Seitensprünge machen in der Regel immer nur Probleme.
Wir brauchen einen stärkeren Fokus auf Digitalisierung zur Vereinfachung der Kommunikation, Qualitätssicherung bei der Planung und Umsetzung von Bauprojekten sowie einen Plan B, C und D. Schließlich hat uns die Vergangenheit, gerade in den letzten Jahren, gelehrt, dass es immer anders kommen kann als gedacht. Wir sollten immer mit dem Unvorhergesehenen rechnen und uns dementsprechend vorbereiten, gerade wenn so viel auf dem Spiel steht.