Stahlrahmen mit Berücksichtigung der Anschlusssteifigkeit
Fachbeitrag
Dieser Fachbeitrag untersucht die Auswirkungen der Anschlusssteifigkeit auf die Schnittgrößenermittlung sowie die Bemessung der Anschlüsse am Beispiel eines zweistöckigen, zweischiffigen Stahlrahmens.
Das Modell dieses Fachbeitrages basiert auf dem Beispiel 5.5.3 in der Fachliteratur [1]. Dies erläutert die Auswirkungen der Anschlusssteifigkeit auf die Schnittgrößenermittlung sowie die Bemessung der Anschlüsse am Beispiel eines zweistöckigen, zweischiffigen Stahlrahmens.
Belastung
Die Lasten, resultierend aus einer Einzugsbreite von vier Metern, sind analog [1] angesetzt. Es wird lediglich auf die Verschiebung der Stabendgelenke um 0,1 m aus der Achse der Stützen verzichtet. Die globalen Anfangsschiefstellungen berechnen sich nach Gleichung 5.5 in [2] zu:
mit
Formel 2
Formel 3
zu
Formel 4
Bild 01 - Bemessungslasten und Imperfektionen für die Tragwerksberechnung
Geometrie der Anschlüsse und Momenten-Rotations-Charakteristika
Die Anschlüsse der Riegel in der Zwischendecke sowie im Dach werden mit überstehenden Stirnplatten ohne Steifen in den Stützen ausgebildet. Diese Ausführung führt im vorliegenden Fall zu wirtschaftlichen Vorteilen.
Bild 02 - Geometrie der Anschlüsse
Nach [1] ist die Auswirkung der Momenten-Rotations-Charakteristika der Anschlüsse auf die Verteilung der Schnittgrößen in einem Tragwerk bei verformbaren Anschlüssen in der Regel zu berücksichtigen. Mit der in der EN 1993-1-8 geregelten Komponentenmethode kann die elastische Anfangssteifigkeit Sj,ini für die Anschlüsse berechnet werden. Dies erfolgt mit dem Zusatzmodul RF-/JOINTS Stahl Biegesteif.
Bild 03 - Berechung der elastischen Anfangssteifigkeit S,j,ini für den Anschluss des IPE 240
Bild 04 - Berechung der elastischen Anfangssteifigkeit S,j,ini für den Anschluss des IPE 300
Der Ansatz der Drehfedersteifigkeit im Modell erfolgt vereinfacht nach EN 1993-1-8 Abs. 5.1.2 (4) und wird zur schnellen Anpassung im System bei Änderungen mit Hilfe der Parametrisierung definiert.
IPE 240: Sj,Modell = Sj,ini / η = 16.304 / 2 = 8.152 kNm/rad
IPE 300: Sj,Modell = Sj,ini / η = 26.372 / 2 = 13.186 kNm/rad
Bild 05 - Definition der Parameter für die Stabendgelenke
Bild 06 - Zuweisung des Parameters "S_j_ini_IPE240" zum Stabendgelenk 1
Schnittgrößen und Bemessung der Anschlüsse
Die Ermittlung der ersten Eigenform in Rahmenebene mit den Zusatzmodulen RSKNICK oder RF-STABIL ergibt einen Verzweigungslastfaktor acr von 12,6. Damit ist die Berechnung der Schnittgrößen gemäß Gleichung 5.1 in [2] nach Theorie I. Ordnung möglich.
Die Berechnung des Lastfalls mit nachgiebig modellierten Stabendgelenken ergibt folgende Schnittgrößen.
Bild 07 - Schnittgrößenverlauf M,y mit nachgiebigen Anschlüssen
Basierend auf diesen Schnittgrößen erfolgt die Bemessung der Verbindung gemäß EN 1993-1-8 in dem Zusatzmodul RF-/JOINTS Stahl Biegesteif.
Bild 08 - Nachweis der Verbindungen im System mit nachgiebigen Anschlüssen
Die Berechnung des Lastfalls mit biegesteifen Stabendgelenken ergibt folgende Schnittgrößen.
Bild 09 - Schnittgrößenverlauf M,y mit biegesteifen Anschlüssen
Mit diesen höheren Schnittgrößen an den Verbindungen zwischen Riegel und Stütze ist die Bemessung der Anschlüsse nicht mehr möglich.
Bild 10 - Nachweis der Verbindungen im System mit biegesteifen Anschlüssen
Fazit
Die Berücksichtigung der Anschlusssteifigkeit in der Tragwerksberechnung ermöglicht die steifenlose Ausbildung der Verbindungen sowie eine homogenere Ausnutzung der Riegel bei dem vorliegenden zweistöckigen, zweischiffigen Stahlrahmen in Stahlskelettbauweise.
Autor

Dipl.-Ing. (FH) Frank Sonntag, M.Sc.
Sales & Customer Support
Herr Sonntag koordiniert den Standort Leipzig und ist Ansprechpartner für vertriebliche Anfragen sowie im Kundensupport.
Schlüsselwörter
Anschlusssteifigkeit Tragwerksberechnung Drehfedersteifigkeit Nachgiebigkeit
Literatur
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- Aktualisiert 27. Oktober 2021
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