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14. Februar 2023

Die Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen

Im Jahr 1996 ereignete sich im Düsseldorfer Flughafen eine schreckliche Brandkatastrophe. Beim Thema Brandschutz haben wir in Deutschland daraus viele Konsequenzen gezogen. Doch wie kam es zu dem Unglück? In diesem Beitrag lest ihr, wie die Katastrophe entstand und was daraus gelernt wurde.

Wenn ihr noch mehr über den Brand und seine Folgen erfahren wollt, dann hört euch hier die komplette Podcastfolge an. Dort findet ihr auch unsere Quellen:

#031 Die Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen

Der Düsseldorfer Flughafen

Schon in einer früheren Folge ging es um mangelnden Brandschutz, damals am BER. Diesmal dreht sich alles um die schwerste Brandkatastrophe an einem deutschen Flughafen: Das Unglück am Düsseldorfer Flughafen von 1996.

Verkehrstechnisch betrachtet ist er nach Frankfurt am Main und München der drittgrößte Flughafen Deutschlands, sowie der bedeutendste Hauptverkehrsdrehpunkt für das Bundesland Nordrhein-Westfalen. Stand 2021 nutzten ihn ca. 80 Fluggesellschaften mit über 230 Zielen in 65 Ländern. Mit 87 Metern hat er zudem den größten Tower in Deutschland.

Was geschah?

Wie in früheren Folgen schon deutlich geworden ist, passieren Katastrophen nicht einfach so. Meistens liegen ihnen Verkettungen von mehreren Fehlern zugrunde.

Der 11. April 1996 ist ein verhältnismäßig ruhiger Tag am Flughafen. Anwesend sind Urlauber, Angestellte und zwei Schweißer aus einer Dortmunder Firma. Sie beginnen gegen 13 Uhr mit der Arbeit. Über einem Blumenladen soll eine Dehnungsfuge auf der Zufahrt bearbeitet werden – eigentlich eine Routineaufgabe. Dennoch entsteht hier unabsichtlich ein fataler Fehler: Vermutlich tropft heißes Bitumen auf die Zwischendecke. Den Besuchern im Blumenladen fällt ein merkwürdiger Geruch auf, sie werden jedoch beruhigt.

Um 15:31 Uhr kontaktiert ein Taxifahrer die Flughafenfeuerwehr, weil er einen Funken an der Decke sieht. Zwei Feuerwehrmänner und ein Elektriker treffen ein. Noch vermuten sie eine fehlerhafte elektrische Anlage. Sie bemerken, dass die Arbeit der Schweißer nicht angemeldet ist.

In der Zwischendecke entsteht währenddessen unbemerkt ein Schwelbrand. Das ist eine unvollständige Verbrennung bei ungenügender Sauerstoffzufuhr und daher niedriger Verbrennungstemperatur. Hierbei entsteht kein richtiger Brand, sondern hauptsächlich Rauch. Der Baustoff verkohlt langsam.

Um 15:50 Uhr wird die Hitzeentwicklung so stark, dass der Luftsauerstoff die maximale Sättigung erreicht und der Hohlraum versagt. Es kommt zum Flashover. Die gesamte, 250 m breite Decke brennt.

Als Flashover oder Feuersprung bezeichnet man den Übergang eines Brandes von der Entstehung zum Vollbrand, wenn die Temperaturen eine kritische Stufe überschreiten. Dabei breitet sich das Feuer schlagartig aus. Dieser Vorgang geschieht sehr schnell und ist extrem gefährlich. Flashovers sind die häufigste Todesursache von Feuerwehrleuten im Einsatz.

Brände können in zwei Phasen geteilt werden:

a) Entstehungsbrand:

Hierzu gehört die Zündphase mit der Zündquelle. Es entzünden sich brennbare Stoffe, in diesem Fall Styropor, wahrscheinlich durch die Schweißarbeiten. Daraufhin kommt es zur Schwelbrandphase, bei der sich der Brand bis zu einer bestimmten Grenztemperatur aufheizt.

b) Vollentwickelter Brand:

Dem Flashover folgt die Vollbrandphase. Alle entflammbaren Stoffe verbrennen mit allmählich steigender Temperatur, bis das Maximum erreicht ist. Nach Abbrand der gesamten Brandlast tritt die Abkühlphase ein.

Im Flughafen bemerken die Menschen eine große, schwarze Rauchwolke in Terminal A, die sich schnell ausbreitet. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich noch ca. 2000 Personen im Gebäude. Sie werden durch eine Lautsprecherdurchsage zum Verlassen des Gebäudes aufgerufen. Panik bricht aus, als jeder versucht, dem beizenden Rauch zu entkommen.

Durch den Notruf des Taxifahrers wurden Einsatzkräfte alarmiert, die nun den Auftrag erhalten, so viele Feuerwehrleute wie möglich zu organisieren. Die ohnehin schwierige Brandbekämpfung wird durch den Fakt verkompliziert, dass viele der Feuerwehrleute nicht mit dem Flughafengebäude vertraut sind. Erst 16:30 Uhr können die Einsatzkräfte zur Ankunftsebene vordringen.

Aus der Air France Lounge kommen Hilfeanrufe: Die Lounge hat keinen Notausgang. Der Mitarbeiter des Flughafens vor Ort weiß jedoch nicht genau, wo sie sich befindet. Das Vorgehen wird durch den dichten Rauch zusätzlich erschwert.

Auch die Aufzüge erweisen sich als gefährliche Fehlerquelle: Sie fahren direkt in die Ankunftshalle. Als die Türen sich öffnen, kommt der tödliche Rauch auf die Fluggäste zu.

Bei Brandkatastrophen sterben Menschen meistens an den Folgen einer Rauchgasvergiftung und ersticken. Der Rauch enthält Atemgifte wie Kohlenstoffmonoxid. Dies führt schnell zur Bewusstlosigkeit und es können z. B. auch toxische Lungenödeme entstehen.

Vier Stunden später ist das Feuer im Flughafen unter Kontrolle gebracht. Tausende Rettungskräfte aus ganz Nordrhein-Westfalen waren im Einsatz. Auf der Startbahn wurde eine provisorische Erste-Hilfe-Einrichtung aufgebaut.

Bei dieser Katastrophe starben 17 Menschen, 88 weitere wurden schwer verletzt. Ein französischer Gast konnte sich aus der Air France Lounge befreien, indem er ein Fenster zerschlug und hinaussprang. Dabei verletzte er sich sehr schwer, die Sanitäter waren jedoch sofort vor Ort. Ein anderer Geschäftsmann überlebte in der Toilette einer Lounge und war der letzte, der noch lebend aus dem Feuer gerettet werden konnte.

Wie konnte es zu dem Unglück kommen?

Wie so oft war auch diese Katastrophe eine Verkettung von Fehlern und unglücklichen Umständen. Die Schweißer haben die Vorschriften nicht eingehalten, ihre Arbeitsstelle nicht richtig vorbereitet und die Arbeiten nicht angemeldet. Normalerweise hätte dort ein Feuerwehrmann dabei sein müssen.

Das Terminal eröffnete im Jahr 1977. Ein Brandschutzkonzept, wie es heute gang und gäbe ist, existierte damals nicht wirklich. Auch bei der Materialwahl kam es zu fatalen Fehlern: Zugunsten der Kostenersparnis wurde in der Isolierung der Zwischendecke schnell brennbares Material verbaut, das die Ausbreitung des Feuers förderte. Zur schnellen Ausbreitung trug auch die Verstabung der Belüftungsanlagen bei. Die Klimaanalage begünstigte außerdem die Verbreitung des Rauchs, sodass er auch in eigentlich nicht betroffene Bereiche gelangte.

Es gab keine Sprinkleranlagen, keine Brandschutztüren und, wie erwähnt, keine Fluchtwege aus der Air France Lounge. Durch unterschiedliche Funkfrequenzen der Feuerwehren trafen die meisten Einsatzkräfte sehr spät ein. Für die ortsfremden Feuerwehrleute standen zudem keine Gebäudepläne zur Verfügung.

Der Prozess

Bei der Brandkatastrophe entstand ein Schaden von ca. einer Milliarde Mark. Im Dezember 1999 begann der Prozess. Er verlief jedoch sehr schleppend, und vieles ging schief.

Insgesamt waren neun Menschen angeklagt, darunter Architekten, Manager, Schweißer und Brandschutzverantwortliche. Nach fünfeinhalb Jahren wurde der Prozess allerdings vorzeitig eingestellt.

Es stellte sich nach acht Monaten heraus, dass ein Schöffe alkoholkrank war. Einem weiteren Schöffen war in einem anderen Zusammenhang Brandstiftung vorgeworfen worden. Für den neuen Prozess musste die Gerichtsbesetzung neu aufgestellt werden. Deshalb beendete man nach 89 Verhandlungstagen vorzeitig den Prozess, ohne dass jemand verurteilt wurde. Insgesamt mussten die Angeklagten nur Geldauflagen zwischen 6.000 und 40.000 Mark bezahlen, je nach Einkommen. Keiner der Angeklagten war vorbestraft oder hat vorsätzlich gehandelt. Hätte man den Prozess weitergeführt, wären die Kosten explodiert, die bis dahin schon drei Millionen Mark betrugen.

Ein Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass, wenn man den Brand 20 Minuten früher erkannt und die Aufzüge abgeschaltet hätte, die gesamte Halle schneller hätte evakuiert werden können. Dann wäre vermutlich niemand zu Schaden gekommen.

Die Konsequenzen aus der Katastrophe

Nach dem Wiederaufbau des Düsseldorfer Flughafens gilt er heute als einer der sichersten der Welt. Man investierte ca. eine Milliarde Mark, wovon 30% in den Brandschutz flossen. Für die Opfer des Unglücks wurde ein Gedenkraum im Flughafen eingebaut.

Um Katastrophen wie diese abzuwehren und ihnen vorzubeugen, ist der Brandschutz extrem wichtig. In Deutschland gibt es dabei folgende Schutzziele: Schutz vor Feuer und Rauch, Rettung von Mensch und Tier und wirksame Löscharbeiten. Es wird zwischen vorbeugendem und abwehrendem Brandschutz unterschieden. Zum abwehrenden Brandschutz gehören alle Maßnahmen, die durchgeführt werden, wenn es schon einen Brand gibt, z. B. durch die Feuerwehr und den Einsatz von Sprinkleranlagen. Beim Wiederaufbau des Flughafens wurde ein besonderes Augenmerk auf den vorbeugenden Brandschutz gelegt. Hierbei wird die Ausbreitung des Feuers verhindert. Dazu zählen der bauliche Brandschutz mit Rettungswegen, der Wahl der richtigen Baustoffe etc., und der organisatorische Brandschutz mit z. B. Alarm- und Feuerwehrplänen.

Im Flughafen wurde eine moderne Brandmeldeanlage eingebaut. Es gibt zudem fast 15.000 optische Rauch- und Wärmemelder und über 80 Handdruckknopfmelder. Eine professionelle Entrauchungsanlage wird automatisch von der Brandmeldeanlage gesteuert, ebenso wie die Aufzüge, die nach der Meldung eines Brandes in ein sicheres Stockwerk fahren und nicht mehr benutzt werden können. Ein bestmögliches Rettungswegkonzept sorgt für Sicherheit, ebenso wie eine Sprinkleranlage, Brandschutztore und entsprechende Schulungen für das Personal.

Dies ist nur ein kleiner Einblick in die Vielzahl der Maßnahmen, die den Düsseldorfer Flughafen nach dem Wiederaufbau so sicher machen. Beim Brandschutzkonzept wurden viele Konsequenzen und Lehren aus der Katastrophe gezogen. Allgemein ist der Brandschutz in Deutschland inzwischen so optimiert worden, dass Unglücke wie dieses verhindert werden und hoffentlich vollkommen der Vergangenheit angehören.