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15. Mai 2025

Architektin Zaha Hadid: Von Glamour, Neid und Welterfolg

Zaha Hadid war eine richtungsweisende Größe im modernen Bauen. Kaum eine Frau prägte die Baubranche so sehr wie sie. Sie sprengte die Ketten herkömmlicher Architektur und gilt nach wie vor als Ikone der Architektur. Ein Vorbild für Frauen im Bauwesen, gefeiert, kritisiert und durch ihre Werke für immer unsterblich.

Die Architektin Zaha Hadid ist eine feste Größe in der Baubranche. In einem männlich dominierten Umfeld machte sie sich mit ihren innovativen Konzepten und futuristischen Designs einen Namen. Ihre Bauwerke haben auf der gesamten Welt Liebhaber und Kritiker zugleich. Futuristisch und durchdacht, chaotisch und unpraktisch?

Gemeinsam werfen wir in diesem Blogbeitrag einen Blick auf das Leben und Wirken einer wahren Legende der Architektur. Was macht ihre Designs aus und was ist nach ihrem Tod als Inspiration für das moderne Bauwesen geblieben?

Zaha Hadid: Geborene Architektin

Zaha Hadid entstammt einer wohlhabenden arabischen Familie, die ihr Geld mit vorausschauenden Investitionen in die Industrie, den Handel und Immobilien erwirtschaftet hat. Dort wuchs sie in einem westlichen progressiven Umfeld auf, das ihr von Beginn an viele Freiheiten schenkte.

Ihr Werdegang in Richtung Architektur begann schon früh. Bereits als Kind plante sie ihr eigenes Kinderzimmer um und wollte unbedingt Architektin werden. Sie studierte Mathematik in Beirut und Architektur an der berühmten AA London, wobei sie unter anderem durch den aufkommenden russischen Konstruktivismus beeinflusst wurde. In ihrer Wahlheimat London eröffnete sie 1980 ihr erstes eigenes Architekturbüro.

Im Jahr 1983 absolvierte ihr späterer Mitarbeiter und Teilhaber, der deutsche Architekt und heutiger Architekturprofessor Patrik Schumacher, bei ihr ein Praktikum. Beide verband das große Interesse an fließenden Formen: kinetisch, wie Zaha Hadid sie selbst bezeichnete. Architektur in Bewegung.

Zaha Hadids futuristische Ästhetik

Zu neu für die Baubranche?

Während anderswo in der zeitgenössischen Architektur noch Neo-Historismus und Moderne vorherrschten, stach der Stil von Zaha Hadid besonders bevor. In den fließenden Formen ihrer Entwürfe sind deutlich die Einflüsse ihres Mathematik-Studiums zu erkennen. Geometrie spielte schon in ihren frühesten Werken eine große Rolle.

Auf internationaler Ebene nahm man erst 1982/1983 überhaupt von ihr Notiz. Mit ihrem Entwurf für den Freizeit- und Erholungspark “The Peak Leisure Club” an einem Berghang von Hongkong setzte sie sich gegen 600 Konkurrenten durch. Mit ihrem Konzept terrassenförmig angelegter Horizontalen, die sich diagonal kreuzen, erreichte sie den ersten Platz. Doch umgesetzt wurde ihr Entwurf leider nie, denn die britische Kolonie Hongkong wurde kurz nach dem Wettbewerb an China zurückgegeben. Und es sollte bei weitem nicht das letzte ihrer Projekte sein, das nie umgesetzt wurde.

Dennoch erhielt sie für ihr Konzept 1988 einen Platz in der einflussreichen Deconstructivist Architecture-Ausstellung des New Yorker Museum of Modern Art – als einzige Frau, wohlgemerkt. Obwohl sie als Vordenkerin des Konstruktivismus galt, war sie noch lange nicht bei ihrem Wunsch-Stil angekommen. Denn sie suchte nach etwas Neuem. Gleichzeitig war es genau diese unermüdliche Suche, die dafür sorgte, dass etliche Projekte auf dem Reißbrett verblieben. Vielen Bauherren waren ihre Ideen einfach zu außergewöhnlich und schwer umzusetzen.

Beispielsweise erhielt sie für ihren Entwurf eines Bürohauses am Kurfürstendamm 70 in Berlin-Charlottenburg 1986 den 1. Preis. Ihr Konzept ging allerdings nie über diese Phase hinaus, da die 2,7 m Sockelbreite den zuständigen Ingenieuren wohl zu heikel waren. Doch das war nichts gegen ein Bauprojekt im walisischen Cardiff.

Mitte der 90er sollte dort ein Opernhaus gebaut werden. Dreimal wurde der Architektenwettbewerb ausgeschrieben, jedes Mal gewann ein Entwurf von Zaha Hadid. Und jedes Mal lehnte die Baukommission die Entscheidung der Jury am Ende ab. Nicht umsetzbar, hieß es. Zu tollkühn, zu neu. Obwohl die Londoner Statik-Experten von Arup ihre Entwürfe als stabil einstuften, blieb es dabei. Es kam sogar noch schlimmer.

Denn die Baukommission wurde von einer organisierten Zeitungskampagne gegen Zaha Hadid unterstützt. Ein ähnliches Vorgehen wäre eher einem rot-weißen deutschen Schmutzblatt zuzutrauen. Schlechten Journalismus gab es demnach wohl auch in England. Diese Kampagne warf Zaha Hadid am Ende um einige Jahre in ihrer Karriere zurück. Also einfach aufgeben? Nein, das war keine Option.

Zaha Hadid: Aufstrebender Stern am Architektenhimmel

Vielleicht ließ auch deshalb ihr erstes umgesetztes Projekt so lange auf sich warten. Erst 1993 war es endlich so weit. In Deutschland setzte sich ihr Entwurf für das Feuerwehrhaus des vitra-Werks in Weil am Rhein gegen internationale Konkurrenz durch – wieder einmal. Nur mit dem Unterschied, dass ihr Konzept dieses Mal tatsächlich realisiert wurde. Die spitzen Winkel verliehen dem Bauwerk eine bis dato unvergleichliche Dynamik. Während das Feuerwehrhaus von der Fachwelt als revolutionär und Bau-Ikone gefeiert wurde, meldeten sich auch etliche kritische Stimmen.

Es gab mittlerweile echte Hadid-Kritiker, die zu gerne mit Falschinformationen Unmut verbreiteten. So hieß es beispielsweise, die Feuerwehrleute kämen mit den schrägen Wänden nicht zurecht, dabei funktionierte alles völlig reibungslos. Wer dort arbeitete, beschrieb es nicht selten als aufregendste Feuerwache der Welt. Wo Erfolg ist, bleibt Neid natürlich nicht fern. Und das sollte Zaha Hadid noch Zeit ihres Lebens begleiten.

Kinetische Architektur von Zaha Hadid

In den frühen 2000ern wurden weitere große Bauprojekte nach Entwürfen von Zaha Hadid umgesetzt. Eines davon, das größte Projekt in Deutschland, war das phaeno . Wie ein neuzeitliches Raumschiff erhebt sich der Bau aus Beton und Stahl seit 2005 direkt neben dem Wolfsburger Hauptbahnhof. Nur einen Steinwurf entfernt von der Innenstadt und direkt gegenüber der Türme des berühmten VW-Werks auf der anderen Flussseite.

Hier hat sich der Stil von Zaha Hadid eindeutig weiterentwickelt. Von scharfkantigen geometrischen Formen hin zu fließenden Bewegungen entlang der Fassade. Keine Seite des phaeno in Wolfsburg sieht gleich aus und je nach Lichteinfall scheint das Gebäude fast lebendig zu sein. Mindestens so lebendig wie sein Inneres.

Denn der Entwurf von Zaha Hadid dient keinesfalls gewöhnlichen Einkaufsläden oder Büroflächen. Ganz im Gegenteil: Hier lernen Kinder und ihre Begleitpersonen gleichermaßen etwas über Wissenschaft . Entdecken, wie sich unsere Naturgesetze verhalten: Im phaeno spielt Praxis die Hauptrolle.

Trotz seiner 27 000 m³ Beton wirkt das Bauwerk nach den Entwürfen von Zaha Hadid ganz und gar nicht wuchtig. Es scheint sogar beinahe zu schweben und wird dabei von zehn kegelförmigen Betonpfeilern getragen. In diesen bis zu 7 m breiten Pfeilern befinden sich ebenfalls Räume, wie beispielsweise ein Wissenschaftskino mit Lasershow.

Durch die beinahe höhlenartige Architektur wirkt das phaeno weder außen noch innen klobig oder erschlagend, sondern erschafft laut Zaha Hadid eine angenehme geistige Offenheit und Beweglichkeit, die Kreativität fördert.

Zaha Hadid: Ein Faible für Innovationen

Bei ihren Projekten ging es Zaha Hadid nicht nur um das Design, sondern auch um die Art und Weise, wie es gebaut wurde. Neben der Architektur an sich interessierte sie sich zeitlebens sehr für innovative Bauweisen. So kam beim phaeno beispielsweise selbstverdichtender Beton zum Einsatz. Sie suchte nicht nur unablässig nach neuen Formen, sondern auch nach neuen Möglichkeiten des Bauens.

Ihr Interesse an technischen Innovationen kam natürlich nicht von ungefähr. Besonders ging es ihr darum, ihre eigenen – oft sehr radikalen – Entwürfe überhaupt umsetzen zu können. Dafür arbeitete sie mit bekannten Ingenieuren wie Buro Happold oder Arup zusammen. Gemeinsam planten sie den Einsatz neuer Materialien oder Bauverfahren.

Auch digitale Planungsprozesse wie parametrisches Design spielten immer wieder eine große Rolle. Die Auswertung großer Datenmengen ermöglichte ein exaktes Planen, wenn es um Statik, aber auch Akustik, spezielle Umgebungskriterien oder gesellschaftliche Ansprüche ging.

Das Aufkommen immer leistungsfähigerer Tragwerksprogramme ermöglichte beispielsweise die schnelle Berechnung komplizierter oder ungewöhnlicher Formen, wie Zaha Hadid sie gerne nutzte. Schließlich hatte sie eine ausgeprägte Abneigung gegen rechte Winkel. Für sie gab es keine unbaubaren Projekte, sondern lediglich Entwürfe, die noch nicht umgesetzt werden konnten.

Designerin Zaha Hadid

Doch Zaha Hadid war nicht nur Architektin mit Leib und Seele. Sie war zudem als Designerin tätig. Für Unternehmen auf der ganzen Welt schuf sie Entwürfe in den unterschiedlichsten Branchen. Einige davon, die besonders interessant sind, stellen wir euch hier kurz vor:

  • eine Sofa-Kombination für einen Mailänder Möbelhersteller
  • ein Bühnenbild für die Pet Shop Boys World Tour in der Saison 1999/2000
  • einen Plastikschuh in acht Farben für einen brasilianischen Schuh-Produzenten
  • eine Weinflasche für einen österreichischen Winzer mit limitierter Auflage von 999 Stück
  • durchsichtige Tische aus Acryl und Plexiglas mit Tischbeine, die wie herabfließendes Wasser wirken
  • zwei hochwertige Tapetenkollektionen für die Marburger Tapetenfabrik
  • Essbesteck aus Edelstahl für die Firma WMF

Zaha Hadid als Lehrerin

Bereits Ende der 1980er Jahre war Zaha Hadid Gastprofessorin an der Graduate School of Design an der Harvard Universität, anschließend an der School of Architecture der University of Chicago, in Hamburg, Ohio und New York.

Bis sie im Jahr 2015 altersbedingt von ihrer Professur am Institut für Architektur an der Universität für angewandte Kunst in Wien emeritiert wurde, leitete sie dort 15 Jahre lang das studio hadid, vienna. In dieser Zeit inspirierte sie zahlreiche junge Architektinnen und Architekten.

Zaha Hadid: Das Vermächtnis einer Legende

Das Leben von Zaha Hadid nahm leider ein recht unerwartetes und schnelles Ende. Im Jahr 2016 erlag sie in einem Krankenhaus in Miami den Folgen eines Herzinfarktes. Bis dahin hatte sie die Baubranche bereits nachhaltig geprägt.

Nicht nur erhielt sie 2004 als erste Frau die bedeutendste Ehrung in der Architektur, den Pritzker-Architekturpreis. Fünf Jahre später, 2009, wurde ihr von der Japan Art Association der internationale Kulturpreis Praemium Imperiale verliehen.

Doch auch als der Stern von Zaha Hadid endgültig am Architektenhimmel aufstieg, ging ihr Vermächtnis nicht unter. Nach ihrem Tod übernahm ihr langjähriger Projektpartner Patrik Schumacher das Architektenbüro und führt es noch heute weiter.

In den letzten Jahren setzte das Büro immer wieder KI-Technologie ein, um Abläufe der Planungsprozesse zu optimieren, rief dabei sogar eine interne Einheit namens ZHAI (Zaha Hadid Analytics + Insights) ins Leben. Ganz im Geiste der Stararchitektin Zaha Hadid, die diesen progressiven Ansatz mit Sicherheit zu gerne unterstützt hätte.

Das Architektenbüro, einst gegründet von Zaha Hadid, setzt noch heute und auch in Zukunft spannende Projekte auf der ganzen Welt um. Ohne rechte Winkel, mit neuesten Methoden der Baubranche und als Vorbild für viele andere Menschen da draußen, die sich für Architektur begeistern.

Fazit: Zaha Hadid

Nie zuvor hatte sich eine Frau im männerdominierten Bauwesen so eindrucksvoll durchgesetzt wie Zaha Hadid. Ob man ihre Entwürfe mag oder nicht – letztendlich ist es wie mit vielen Dingen: Geschmackssache. Nicht von der Hand zu weisen ist dagegen ihr weltweiter Erfolg und ihr Hunger nach neuen Formen sowie Innovationen.

Ohne kühne Entwürfe können auch keine neuen Gebäude entstehen, für die man neue Methoden und Materialien braucht. Irgendwo muss Innovation anfangen und Zaha Hadid ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass dieser Weg zwar steinig, aber in jedem Fall baubar ist.


Autor

Frau Ruthe ist im Marketing als Copywriterin zuständig für die Erstellung kreativer Texte und packender Headlines.



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