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27. Januar 2021

Berücksichtigung von Imperfektionen

In der Welt der Bauingenieure sind Imperfektionen ein eindeutiger Begriff. Allgemein beschreiben Imperfektionen die Unvollkommenheit einer Struktur beziehungsweise die herstellungsbedingte Abweichung eines Bauteils von der idealen Form.

Imperfektionen werden meist dann in einer Berechnung angewendet, wenn für die Bauteile ein Kräftegleichgewicht am verformten System gesucht wird. Genau diese geometrisch nichtlineare Berechnung in Zusammenhang mit den erwähnten Bauteilvorverformungen sorgt dann für Schnittgrößen- und Verformungszuwächse gegenüber einer linearen Berechnung. Nichtsdestotrotz kann man mit diesen erhöhten Schnittgrößen und Verformungen in vielen Fällen eine wesentlich effizientere Bauteilbemessung gegenüber einer einfachen Bemessung erzielen, bei der die Bauteilunvollkommenheit mit Erhöhungsfaktoren einberechnet wird.

Bemessungsnormen wie zum Beispiel die EN 1993-1-1 erlauben die Simulation von Imperfektionen durch entsprechende Ersatzlasten. Die Größe der Ersatzlast wird hier von der wirkenden Bauteilnormalkraft und dessen Knickverhalten bestimmt.

Damit möglichst jede Form von Imperfektion abgebildet werden kann, gibt es eine Schiefstellungsimperfektion und eine Vorkrümmungsimperfektion. Die Schiefstellungsimperfektion simuliert, dass ein Bauteil über seine komplette Länge schief gestellt ist. Die Vorkrümmungsimperfektion simuliert ein gerades Bauteil als Bogen.

RFEM und RSTAB können diese Art von Imperfektionen mittels Imperfektionen an Stäben simulieren. Diese Imperfektionen an Stäben werden im Programm als Last organisiert. Dieses Attribut hilft, die Imperfektionen an Stäben als Lastfall zu anderen Lastfallreihen aufzuaddieren. Somit besteht die Möglichkeit, verschiedene Imperfektionsgeometrien mittels verschiedenen Lastfallaneinanderreihungen in einem Berechnungsmodell zu überprüfen.

Beispiel:

LF1 = Eigengewicht
LF2 = Nutzlast
LF3 = Imperfektion in X-Richtung
LF4 = Imperfektion in Y-Richtung

LK1 = 1,35 ⋅ LF1 + 1,5 ⋅ LF2 + 1,0 ⋅ LF3 ... Lastkombination mit Imperfektion in X
LK2 = 1,35 ⋅ LF1 + 1,5 ⋅ LF2 + 1,0 ⋅ LF4 ... Lastkombination mit Imperfektion in Y

Das Programm ermittelt dann für jede Lastkombination separat die Normalkraft und setzt diese für die Ersatzlastberechnung mit an. Da sich diese Normalkraft aufgrund der geometrisch nichtlinearen Berechnung in den jeweiligen Iterationen verändern kann, wird nach jeder Iteration ebenfalls die Normalkraft für die Imperfektionsersatzlast geprüft und wenn nötig modifiziert. Bei Bauteilen mit veränderlichem Normalkraftverlauf wird für die Imperfektionslast der Normalkraftdurchschnitt über die Stablänge verwendet.


Autor

Herr Niemeier ist für die Entwicklung von RSTAB, RFEM, RWIND Simulation und den Bereich Membranbau zuständig. Zudem beschäftigt er sich mit Qualitätssicherung und Kundensupport.

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