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24. Juli 2019

Klassifizierung und Nachweis der Tragfähigkeit von DUENQ-Querschnitten

Beim Nachweis eines Stahlquerschnitts nach Eurocode 3 ist die Zuordnung des Profils zu einer der vier Querschnittsklassen entscheidend. Die Klassen 1 und 2 ermöglichen eine plastische Bemessung, für die Klassen 3 und 4 sind nur elastische Nachweise zulässig. Neben der Beanspruchbarkeit des Querschnitts ist die ausreichende Stabilität des Bauteils nachzuweisen.

Das in diesem Fachbeitrag vorgestellte Beispiel behandelt die Klassifizierung und die Querschnittsnachweise eines allgemeinen Profils mit DUENQ. Um einen Vergleich mit dem Zusatzmodul RF-/STAHL EC3 zu ermöglichen, stellt das "allgemeine" Profil hier einen doppeltsymmetrischen I-Querschnitt dar. Es liegt eine Beanspruchung aus Druck und zweiachsiger Biegung vor. Die Querschnittsnachweise erfolgen unter Berücksichtigung der maximalen c/t-Verhältnisse druckbeanspruchter Querschnittsteile. Eine Besonderheit besteht hierbei beim Ansatz der Spannungsverteilung über den Druckzonenfaktor α.

Ermittlung der wirksamen Querschnittswerte nach EN 1993-1-1

Mit den Standardeinstellungen ergeben sich die in Bild 02 gezeigten Spannungsverläufe. Der Querschnitt wird aufgrund des relativ schlanken Stegs bei der gegebenen Beanspruchung in die Querschnittsklasse 3 eingestuft.

Die Nulllinie liegt deutlich erkennbar im Steg. Obwohl ein relativ großer Bereich des entsprechenden c/t-Teils keine Druckspannungen aufweist, wird der komplette Steg als druckbeansprucht betrachtet: In der Ergebnistabelle 5.2 wird für das c/t-Teil Nr. 5 der Druckzonenfaktor α = 1 "auf der sicheren Seite liegend" ausgewiesen. Diese Annahme rechtfertigt sich dadurch, dass die im Eurocode genannten c/t-Grenzwerte druckbeanspruchter Querschnittsteile nur für bestimmte Querschnittsformen gelten. Damit ergibt sich nach [1] Tabelle 5.2 folgende Grenzschlankheit für Klasse 2:

Aufgrund des gegebenen c/t-Verhältnisses von 56.00 wird der Querschnitt in Klasse 3 eingestuft. Er kann nur elastisch nachgewiesen werden, da örtliche Beuleffekte möglich sind.

DUENQ bietet eine Alternative an, den tatsächlichen Spannungsverlauf bei der Ermittlung des Druckzonenfaktors zu berücksichtigen. Hierzu ist im Dialog "Berechnungsparameter", Register "c/t-Teile und wirksamer Querschnitt" die Berechnung nach der Simplexmethode zu aktivieren.

Bei der Simplexmethode wird der Querschnitt über Flächenteilchen diskretisiert und die Fließbedingung als lineare Optimierungsaufgabe angenähert [2].

Die Neuberechnung liefert den Druckzonenfaktor α = 0.594. Dieser Wert bewirkt die Einordnung des Querschnitts in Klasse 1, da die entsprechende Grenzschlankheit eingehalten ist:

Die Querschnittsklasse 1 ermöglicht eine wirtschaftlichere Bemessung, da die plastischen Querschnittsreserven ausgenutzt werden können.

Nachweis der plastischen Tragfähigkeit nach Simplexmethode

Wie oben angedeutet, ermöglicht DUENQ eine normunabhängige Analyse der plastischen Querschnittstragfähigkeit. Die Simplexmethode kann dabei nicht nur für die Ermittlung des Druckzonenfaktors α herangezogen werden. Sie stellt auch eine ausgezeichnete Alternative für die plastische Untersuchung beliebig geformter Querschnitte dar. Die iterative Ermittlung der plastischen Tragfähigkeit über Flächenteilchen ist in [2] Kapitel 8.9 beschrieben.

Für die Simplex-Berechnungsvariante ist bei den Basisangaben der "Nachweis der plastischen Tragfähigkeit" auszuwählen.

DUENQ ermittelt in einem iterativen Verfahren die Spannungen, die sich beim sukzessiven Plastifizieren der Simplexteilchen einstellen. Nach der Berechnung sind die Simplexelemente mit ihren plastischen Spannungen in der Querschnittsgrafik überprüfbar.

In Tabelle 4.9 wird der Vergrößerungsfaktor αplast = 1.85 ausgewiesen. Das bedeutet, dass die gegebene Schnittgrößenkonstellation mit dem Faktor 1.85 multipliziert zum Erreichen des vollplastischen Zustandes führt. Die "Nicht verwendete Reserve" ermittelt sich aus dem Anteil der Simplexelemente, in denen die Fließgrenze noch nicht erreicht wurde. Sie sind in der Spannungsgrafik gelb und grün dargestellt.

Zum Vergleich: Die elastische Ausnutzung des Querschnitts liegt bei 88 %.

Vergleich mit RF-/STAHL EC3

Für einen Vergleich wird in RFEM oder RSTAB ein Stabmodell erstellt und mit den entsprechenden Schnittgrößen beaufschlagt. Im Zusatzmodul RF-/STAHL EC3 werden dann folgende Bemessungsfälle untersucht (jeweils ohne Stabilitätsanalyse):

  • Fall 1: Es wird der DUENQ-Querschnitt bemessen. Da Profiltypen des Querschnittsprogramms grundsätzlich als "allgemein" und damit "auf der sicheren Seite liegend" angenommen werden (siehe oben), ergibt sich eine Einstufung in Querschnittsklasse 3. Die elastische Bemessung liefert eine Ausnutzung von 88 % und bestätigt somit die DUENQ-Ergebnisse. Für beliebige Querschnittsformen ist in RF-/STAHL EC3 keine plastische Bemessung mit Berücksichtigung von Fließzonen möglich.
  • Fall 2: Die Bemessung erfolgt für ein gleichwertiges IS-Profil. Die Bemessung liefert eine Einstufung in Querschnittsklasse 1 bei einer Grenzschlankheit von 59.72. Der Nachweis erfolgt nach [1] Gl. (6.41). Unter Berücksichtigung der plastischen Momententragfähigkeit ergibt sich eine Ausnutzung von 42 %. Dieser Wert fällt geringer aus nach der Simplexmethode (Vergrößerungsfaktor αplast = 1.85). Nach den Näherungsformeln des Eurocode muss die relativ kleine Normalkraft für die plastische Momentenbeanspruchbarkeit nicht berücksichtigt werden. Das Ergebnis liegt somit auf der unsicheren Seite.
  • Fall 3: Die Modulerweiterung RF-/STAHL Plastizität ermittelt für das DUENQ-Profil nach dem Teilschnittgrößenverfahren eine Auslastung von 59 %. Bei der Bemessung nach der Simplexmethode ergibt sich wie in DUENQ eine Ausnutzung von 54 % (1/1.85 = 0.54).

Zusammenfassung

Das Querschnittsprogramm DUENQ ermittelt die Spannungsverläufe für beliebige Profilgeometrien und untersucht die c/t-Verhältnisse, die für die Klassifizierung des Querschnitts maßgebend sind. Liegt in einem c/t-Teil ein Spannungsverlauf mit wechselndem Vorzeichen vor, so wird der Druckzonenfaktor auf der sicheren Seite liegend mit 1.00 angenommen und das ganze Querschnittsteil als druckbeansprucht betrachtet. Dies ist Standardeinstellung im Programm, da die im Eurocode genannten Grenzwerte der c/t-Verhältnisse nur für bestimmte Querschnittsformen gelten und nicht unbedingt für allgemeine Geometrien, die mit DUENQ üblicherweise abgebildet werden.

Um den tatsächlichen Spannungsverlauf für die Klassifizierung zu berücksichtigen, kann der Druckzonenfaktor mit der Simplexmethode bestimmt werden. Die maximalen c/t-Verhältnisse druckbeanspruchter Querschnittsteile entsprechen dann in den meisten Fällen nicht den im Eurocode genannten Prämissen. Es empfiehlt sich daher eine normunabhängige Kontrollberechnung der plastischen Tragfähigkeit nach der Simplexmethode. Ist der Vergrößerungsfaktor αplast größer als 1, so bestehen plastische Reserven im Querschnitt.

Bestimmungsgemäß untersucht DUENQ die Beanspruchbarkeit von Querschnitten. Stabilitätsnachweise für Bauteile sind separat zu führen, beispielsweise im Zusatzmodul RF-/STAHL EC3 für RFEM oder RSTAB. Mit der Modulerweiterung RF-/STAHL Wölbkrafttorsion können hierbei auch Effekte der Verwölbung erfasst werden.


Autor

Herr Vogl erstellt und pflegt die technische Dokumentation.

Links
Referenzen
  1. Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten − Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2010
  2. Handbuch DUENQ. Tiefenbach: Dlubal Software, Juni 2020.
  3. Kindmann, R.; Frickel, J.: Elastische und plastische Querschnittstragfähigkeit. Berlin: Ernst & Sohn, 2002
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