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22. März 2023

AIJ Beispiele Fall E - Gebäudekomplex in realer dicht bebauter städtischer Umgebung, angelehnt an die Stadt Niigata

Einführung

Das Architectural Institute of Japan (AIJ) hat eine Reihe an bekannten Benchmark-Szenarien für Windsimulation vorgestellt.
Der Nachfolgende Beitrag dreht sich dabei um den ""Case E - a building complex in an actual urban area with dense concentration of low-rise buildings in Niigata City".
Im Folgenden wird das beschriebene Szenario in RWIND2 nachgebildet und die Ergebnisse mit den simulierten und der experimentellen Resultate des AIJ verglichen.

Modellaufbau

Der Case E beschreibt einen realistischen Stadtausschnitt mit vorwiegend dichter aber nicht sehr hoher Bebauung. Nur vereinzelte Gebäude ragen deutlich über den Rest hinaus. Eine genauere Beschreibung der Geometrie oder der Position einzelner Messpunkte ist wegen der sehr komplexen Geometrie unsinnig. Die vollständige Geometrie wurde von den Autoren als CAD Datei zur Verfügung gestellt [1] und für diesen Beitrag in RFEM importiert, um dies anschließend in RWIND überführen zu können.

Der Modellaufbau ist nachfolgend abgebildet.

Die Strömungsgeschwindigkeit wurde in der Simulation an fest definierten Punkten ausgewertet. Die genaue Position der Messpunkte wurde ebenfalls öffentlich zur Verfügung gestellt [1].

Die Position der Messpunkte ist nachfolgend abgebildet.

x-Koord. y-Koord. Punkt x-Koord. y-Koordinate Punkt x-Koord. y-Koord.
1 -27 112 28 -39.5 -4 55 -11 -50
2 -93 33 29 -32 0 56 38 5.5
3 -88 35 30 -39 -11 57 74 22
4 -74 40 31 6.5 52 58 63 0.5
5 -61 45.5 32 65.5 74.5 59 50.5 -22.5
6 -50.5 49.5 33 73.5 56.5 60 88.5 -6
7 -33.5 57.5 34 -117.5 -32 61 31 0
8 -9.5 69 35 -86.5 -35.5 62 39.5 -20
9 7 76.5 36 -75 -31.5 63 92.5 20
10 45 94 37 -55.5 -23 64 100.5 3.5
11 80.5 110 38 -26 -10 65 -83 -94
12 -133 21 39 -9 -2.5 66 -49.5 -78.5
13 -97 19 40 6.5 4.5 67 -10 -59.5
14 -84 22.5 41 29.5 15 68 1 -54
15 -65.5 29.5 42 53 26 69 26 -43
16 -47.5 36.5 43 67.5 32.5 70 46.5 -33.5
17 -25 47 44 83 39 71 66.5 -24.5
18 -5 56 45 120.5 56.5 72 82 -17.5
19 13.5 64.5 46 -121 -56.5 73 98.5 -9.5
20 50 81.5 47 -96.5 -59.5 74 56.5 -54.5
21 87 97.5 48 -77 -59 75 109 -17.5
22 -114.5 -8 49 -59.5 -51.5 76 116 -30.5
23 -90.5 8 50 -45.5 -45 77 5 -94
24 -56 33 51 -24.5 -19.5 78 45.5 -86.5
25 -51 22 52 -31 -23.5 79 81.5 -69.5
26 -46.5 11 53 -24.5 -38 80 125 -49.5
27 -39 16 54 -20 -30.5

Anders als bei Modellen mit geringerer geometrischer Komplexität ist in diesem Fall die Einstellung des Detailgrades bei der Netzerstellung in RWIND hochrelevant. Für einen geringen Detailgrad, wie dem Default-Wert 2 werden durch das shrink-wrap-mesh beispielweise Gassen zwischen Gebäuden oder Innenhöfe geschlossen. Es wird daher dringend empfohlen den Detailgrad auf den Maximalwert 4 zu setzen. Nachfolgend ist das Problem bei einer Netzdichte von 15% dargestellt.

Trotz gleicher Einstellung bezüglich der Netzdichte ergibt sich ein erheblicher Unterschied in Elementanzahl und damit Netzqualität. Es empfielt sich also in jedem Fall den Detailgrad 4 zu nutzen und die Netzdichte erst auf Basis dieser Einstellung zu optimieren.

Im Experiment des AIJ wurde ein entsprechendes Modell in einem Windkanal aufgebaut und die Windgeschwindigkeit mittels gespaltener Fasersonden an genannten Punkten gemessen.
Die Autoren verwendeten drei Modellierungsansätze wovon in diesem Beitrag jedoch nur der "Code T" verwendet wird. Ausgewählt wurde dieses Modell zum einen da es sich um einen nicht näher spezifizierten kommerziellen Solver handelt, anstatt eines individuell entwickelten Codes der leichter auf spezielle Einsatzzwecke anwendbar wäre und es sich bei RWIND schließlich auch um ein kommerzielles Tool handelt.
Auf den Vergleich von RWIND mit allen drei Modellierungsansätzen wurde im Sinne besserer Übersichtlichkeit verzichtet. Außerdem unterscheiden sich die Resultate der verschiedenen Ansätze in der Publikation [1] qualitativ nicht maßgeblich. Die hier präsentierten Vergleiche stellen sich also sehr ähnlich auch mit den anderen beiden Modellen dar.

Im Rahmen dieses Beitrags wurde RWIND Pro 2.02 verwendet. Der Modellaufbau wurde in RWIND so gut es ging den Aufbau der Referenz-CFD angepasst. Als Turbulenzmodell wurde Standard k–ε verwendet, dabei wurde eine stationäre Strömung angenommen. Die hier ausgeführten Vergleiche beziehen sich auf die Windrichtung West in der Publikation [1]. Für die kommenden Vergleiche der relativen Windgeschwindigkeit wurde über 2.77 m/s normalisiert.

Nachfolgend ist die Anströmgeschwindigkeit über die Höhe dargestellt.

Höhe in m Strömungsgeschindigkeit in m/s
1 1.25 2.8470
2 2.50 3.0420
3 5.00 3.2604
4 7.50 3.4086
5 12.50 3.7674
6 25.00 4.3602
7 50.00 5.1090
8 75.00 5.6940
9 100.00 6.1620
10 150.00 6.9654
11 200.00 7.3944
12 250.00 7.8000

Die experimentellen Ergebnisse des AIJs wurden auf deren Website zur Verfügung gestellt [1].
Die dargestellten Daten der AIJ-Simulation wurden mit dem Tool ENGAUGE Digitizer [2] aus den Plots der Publikation [1] ermittelt, da die exakten Werte hierfür nicht publiziert wurden.
Die Genauigkeit der extrahierten Punkte sollte aber dennoch hinreichend genau (im Bereich +- 0,5%) und demnach gut vergleichbar sein.

Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die Einstellung "Boundary Layers", welcher die Netzdichte um die untere Randbedingung (Boden) deutlich erhöht. Generell beeinflusst die Vernetzung in Bodennähe die Ergebnisse in dieser Region stärker als es mit größerem Abstand zum Boden der Fall wäre, weil die Boden-Randbedingung einen starken Einfluss ausübt. Wegen der hochkomplexen Geometrie der Stadt wurde genannte Einstellung aktiviert und die Anzahl der extra Lagen ("NL") auf 10 gesetzt.

Ergebnisse und Diskussion

Die Abbildung der dreidimensional positionierten Messpunkte über eine simple eindimensionale Nummerierung kann schwierig zu interpretieren sein. Daher sind nachfolgend direkte Gegenüberstellungen von Experiment (x-Achse) und Simulation (y-Achse) für alle Messpunkte abgebildet. Je näher ein Messpunkt dabei an der Diagonalgerade y=x liegt, desto höher ist die Übereinstimmung von Simulation und Experiment.

Als Vergleichskriterium wurde die mittlere quadratische Abweichung (MSE) herangezogen, ein Vergleich der Determinationskoeffizienten würde aber z.B. auch das gleiche Verhalten zeigen. Die mittlere quadratische Abweichung wurde hierbei dem Determinationskoeffizienten vorgezogen weil das Verhältnis aus experimenteller und simulierter Strömungsgeschwindigkeit keine Regression darstellt und damit nur eine Art der Gewichtung einzelner Abweichungen und keine Anpassungsgüte bedeuten würde. Der MSE ist dabei bei gleicher Aussagekraft geometrisch einfacher zu interpretieren.

Besonders sticht dabei die Region nahe des höchsten Gebäudes heraus, also jene Punkte mit der geringsten Strömungsgeschwindigkeit im Experiment. Für diese Gruppe an Punkten ist eine höhere Übereinstimmung zwischen RWIND und Experiment zu beobachten als zwischen RWIND und AIJ-Simulation. Diese Region wird in der späteren Detailuntersuchung noch einmal genauer betrachtet.

Generell bietet sich eine genauere Betrachtung des Einflusses der Netzdichte an. Nachfolgend sind verschieden dichte Netze mit ansonsten identischem Modellaufbau und k-epsilon RAS Turbulenzmodell mit dem Literaturbenchmark verglichen. Die Ergebnisse sind nachfolgend abgebildet.

Die einzelnen Datenpunkte liegen im Bereich relativer Strömungsgeschwindigkeit vor allem zwischen 0 und 0.8. Die Übereinstimmung mit den Experimenten unterscheidet sich dabei mitunter deutlich innerhalb und außerhalb des genannten Bereichs. Für eine bessere Vergleichbarkeit wurden daher im Folgenden nur die Datenpunkte mit rel. Strömungsgeschwindigkeiten unter 0.8 für beide Achsen dargestellt und die mittleren quadratischen Abweichungen entsprechend neu berechnet.

Eine Netzkonvergenzstudie wurde darüber hinaus auch für das k-omega Turbulenzmodell und den gleichen Netzformationen angefertigt. Die Ergebnisse sind nachfolgend abgebildet.

Wie schon beim Vergleich der k-epsilon Modelle wurden auf für k-omega die niedrigen Strömungsgeschwindigkeiten separat verglichen. Diese daten sind nachfolgend visualisiert.

Die Erkenntnisse aus dem Vergleich der k-epsilon Modelle sehen sich hier bestätigt. Für geringer aufgelöste Vernetzungen weichen die relativen Strömungsgeschwindigkeiten unter 0.8 stärker vom experimentellen Benchmark ab als das Mittel über alle Datenpunkte.
Mit zunehmender Elementezahl dreht sich dieser Effekt aber um, sodass eng vernetzte Modelle für die niedrigen relativen Strömungsgeschwindigkeiten sogar geringer abweichen.

Die in dieser separaten Betrachtung inkludierten Punkte tendieren dazu in dichter bebautem Gebiet zu liegen. Die Lage der Punkte könnte die besseren Ergebnisse der komplexeren Netze erklären, weil die feineren Netze die Geometrie feiner darstellen können. Weil die reale Geometrie diese Punkte stärker beeinflusst als die Punkte mit relativen Strömungsgeschwindigkeiten über 0.8 trifft das dichtere Netz das Experiment besser.

Diese Beobachtungen decken sich mit den Erwartungen an die verschiedenen Turbulenzmodelle. Für die Verwendung k-omega empfiehlt es sich also die Anzahl der maximalen Iterationen erheblich herauf zu setzen. Der default Wert von 300 sollte manuell mindestens auf 1000 vergrößert werden.

In Summe ist der Vergleich der beiden Turbulenzmodelle in RWIND für den Case E weniger klar als z.B. im Case D. In diesem Referenzbeispiel ist das k-epsilon Modell für jede Netzdichte überlegen. Außerdem skaliert k-epsilon mit zunehmender Elemntzahl wesentlich besser als k-omega. Die Resultate des letzteren Turbulenzmodells scheinen keiner Konvergenz mit höherer Netzdichte zu folgen. Die besten Ergebnisse liefert hier das Modell mittlerer Komplexität wogegen das sehr komplexe Modell die mit abstand größte Abweichung vom experimentellen benchmark zeigt. Somit bewegen sich die Resultate von k-epsilon im erwarteten Bereich und können mit hoher Netzdichte auch die Referenzsimulation schlagen, für k-omega können aber keine kongruenten Schlüsse gezogen werden. Gerade die sehr hohe Abweichung für das größte k-omega Modell gibt Rätsel auf. vermutlich konnte ein Einflussfaktor der k-omega aber nicht gleichermaßen auf k-epsilon wirkt nicht abschließend identifiziert werden.

Für einen anschaulicheren Vergleich der Referenzsimulation mit den RWIND Ergebnissen bietet sich eine Betrachtung der Strömungsgeschwindigkeiten als Flaschfarbenbild an.
Der betrachtete Ausschnitt um das höchste Gebäude wurde dem der Autoren angepasst [1]. Das Resultat ist nachfolgend abgebildet.

Aus Urheberrechtsgründen werden an dieser Stelle die Falschfarbenbilder nicht Seite an Seite verglichen.

Zusätzlich wurde nachfolgend das Falschfarbenbild der Strömungsgeschwindigkeit über die komplette Stadt auf Höhe der Messpunkte dargestellt.

Auch hier zeigt sich eine sehr gute Übereinstimmung mit der Literatursimulation. Kleinere Abweichungen ergeben sich hauptsächlich an scharf angeströmten Häuserecken, diese fallen aber betragsmäßig klein aus und sind räumlich stark begrenzt.

Zusammenfassung

Nachfolgend sind die mittleren quadratischen Abweichungen verschiedenen Kombinationen aus Elementzahl und Turbulenzmodell noch einmal zusammen gefasst.

k-epsilon Turbulenzmodell k-omega Turbulenzmodell
Referenz 6.06% entfällt
3.7 Mio. Zellen 7.39% 8.84%
7.6 Mio. Zellen 7.07% 7.68%
14 Mio. Zellen 6.94% 8.26%
52 Mio. Zellen 5.86% 11.22%

Nachfolgend ist noch einmal der Vergleich, über die verschiedenen Geschwindigkeitsbereiche hin aufgeschlüsselt.

k-epsilon unter 0.8 k-epsilon über 0.8 k-omega unter 0.8 k-omega über 0.8
Referenz 6.96% 1.52% entfällt entfällt
3.7 Mio. Zellen 7.66% 6.09% 9.26% 6.83%
7.6 Mio. Zellen 7.29% 5.96% 7.83% 6.99%
14 Mio. Zellen 7.11% 6.07% 8.22% 8.42%
52 Mio. Zellen 5.80% 6.12% 10.79% 13.53%

[1] https://www.aij.or.jp/jpn/publish/cfdguide/index_e.htm
[2] https://markummitchell.github.io/engauge-digitizer/