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8. Juli 2022

Werden Bauingenieure und Bauingenieurinnen noch zeitgemäß ausgebildet?

Im Dlubal Podcast haben wir die Brüder und Bauingenieure Philip und Michael Kalkbrenner interviewt. In ihrem Podcast “Baustelle Bauwesen” berichten sie über die verschiedensten Themen. Uns haben sie erzählt, wie sie angefangen haben und wohin ihr Weg sie bis jetzt geführt hat.

Für unser erstes Podcast-Interview haben wir Michael und Philip Kalkbrenner von “Baustelle Bauwesen” eingeladen. Sie sind Pioniere der Podcasts für das Bauwesen.

Link zur Folge mit dem vollständigen Interview: #015 Podcasts im Bauwesen feat. Philip und Michael von Baustelle Bauwesen

Die Hosts von “Baustelle Bauwesen” stellen sich vor

Michael, oder Michi, der Jüngere der beiden, ist Bauingenieur und mit seinem Bruder zusammen Podcaster. Er arbeitet in einem Architekturbüro als Bauüberwacher.

Philip ist Doktorstudent an der Universität in Barcelona und freut sich sehr auf den Abschluss. Der Podcast “Baustelle Bauwesen” ist seine Leidenschaft. Auch er ist ein Bauingenieur.

Der Weg ins Bauingenieurwesen

Philip entschied sich durch Empfehlungen seines Umfelds für das Ingenieurswesen – und ist heute froh darüber. Während des Studiums konnte er sein gelerntes Wissen in einem engineers without borders zugehörigen Verein direkt umsetzen.

Michael wollte seine Fähigkeiten in Mathe und Physik anwenden, und da Maschinenbau uninteressant schien, blieb das Studium als Bauingenieur. Er denkt gern an die vielen Erfahrungen während der Unizeit zurück, die ihn weitergebracht und vom Bauingenieurwesen überzeugt haben.

Wo liegt die Faszination?

Bei Michael ist es besonders der Fakt, dass man überall auf der Welt mit dem Bauingenieurwesen in Berührung kommt. Er freut sich, ein Teil dieses Ganzen zu sein und es auch in Zukunft mitzugestalten.

Eine Faszination, die nie aufhört, wie Philip ergänzt. Mit mehr Erfahrung könne man immer innovativere Bauwerke planen und durchführen. Damit wüchse auch der Stolz auf die eigene Beteiligung an solchen Projekten.

In jedem Studium gibt es Fächer, die man bevorzugt. Was hat den Brüdern gut gefallen und was weniger gut?

Philips Achillesferse waren vor allem die Mechanikfächer. Trotzdem hat er dank seines Perfektionismus gerade hier gute Noten geschrieben. Gerade die Fächer, die ihm viel mehr gefielen, liefen weniger gut, wie zum Beispiel Straßenbauplanung.

Michael erinnert sich, dass die Themen, die heute seinen Berufsalltag bestimmen, ihn im Studium völlig kalt ließen. Am meisten Spaß machte ihm aber das Fach Tragkonstruktion im Stahlbau, weil man hier selber etwas entwerfen konnte.

Was genau machen die beiden jetzt und was gefällt ihnen am Beruf des Bauingenieurs?

Wie schon erwähnt, arbeitet Michael als Bauüberwacher. Was ihm als Bauingenieur Spaß macht, sei gerade schwer zu sagen, weil er im Schlüsselfertigbau momentan mehr mit dem Streichen von Wänden und dem Verlegen von Teppichen beschäftigt ist.

Philips Weg führte ihn für die Promotion nach Barcelona. Dort beschäftigt er sich momentan damit, zwei Welten zusammenzubringen: Er wendet machine learning für Mauerwerk auf historische Bauwerke an. Diese Herausforderung machte Philip großen Spaß.

Was sich ebenfalls vom klassischen Bauingenieurberuf entfernt, ist der Podcast. Wie ist dieser entstanden?

Obwohl Michael mehr Podcasts gehört hat, war es letzten Endes Philips Idee, ihren eigenen auf die Beine zu stellen. Die Brüder haben immer viel telefoniert, um die Distanz zwischen Karlsruhe und Barcelona zu überbrücken. Dabei entstanden oft interessante Gespräche über das Bauwesen. Schließlich haben sie sich entschieden, diese Gespräche und Gedankengänge festzuhalten.

Als Bauingenieure sind sie im 21. Jahrhundert ausgebildet worden, aber nicht für das 21. Jahrhundert – das ist der Slogan des Podcasts. Die Brüder wollen mehr kreative und nachhaltige Impulse und Kooperation erreichen. Dazu sprechen sie mit erfahrenen Leuten und Pionieren aus dem Bauwesen.

Die wenigsten Bauingenieure haben einen Podcast. Es ist als Student immer empfehlenswert, sich auch mal in anderen Fächern umzusehen, um neue Impulse zu bekommen.

Wenn man die mediale Affinität hat, sagt Philip, ist es eine gute Möglichkeit, andere zu inspirieren und auf Dinge hinzuweisen.

Verfolgen die Brüder bestimmte, vielleicht unternehmerische Ziele mit ihrem Podcast, oder ist es eher ein Hobby?

Der Podcast ist auf jeden Fall ein Hobby, sagt Michael. Die Brüder wollen unabhängig bleiben und ihre Freiheiten damit behalten. Konkrete Ziele seien die Verbreitung der Message und auch ansatzweise die Ergänzung der Ausbildungslücken, soweit dies mit Podcastfolgen möglich ist.

Wie sieht die Arbeitsweise der Brüder für neue Folgen aus?

Philip verrät, wie sie zu neuen Ideen kommen. Angefangen haben die beiden mit Geschichten über Pioniere wie Fritz Leonhardt. Deutsche Bauikonen, die sich durch ihre neuen und fortschrittlichen Denkweisen auszeichneten.

Auch Nachhaltigkeit ist ein großes Thema, ebenso wie Fakten über verschiedene Baumaterialien. Momentan versuchen sie, ein kleines Kollektiv zu sammeln. Einige Hörer haben Interesse, mit ihnen eine Folge zu machen. Ebenso werden Personen mit unkonventioneller Laufbahn vorgestellt, zum Beispiel die Entwickler der Datenbank structurae.

Interessante Personen schreiben die Brüder einfach an, und oft besteht das Interesse, in einer Folge mitzumachen.

Geschieht das klassisch über E-Mail oder auch LinkedIn?

Das ist ganz unterschiedlich, wie Philip sagt. Manche Gäste werden klassisch über E-Mail angeschrieben, andere über LinkedIn und wieder andere, wie zum Beispiel Jan Knippers, über Instagram.

Von wem kommt dabei das Thema?

Philip erklärt das Prozedere. Bei der Frage, ob Interesse an einer gemeinsamen Folge besteht, ist das Thema noch gar nicht im Umlauf. Nach einer Zusage wird dem Gast das Skript für die Folge geschickt, das auch meistens ohne Überarbeitung verwendet werden kann.

Wieviel Arbeit investieren sie da?

Mindestens 10 Stunden pro Woche sind es für Philip. Michael hat wegen seines Vollzeitjobs etwas weniger Zeit zur Verfügung, beide beschäftigen sich aber jeden Abend mit ihrem Podcast.

Welche Folge hat den Brüdern am besten gefallen bzw. ist ihnen am meisten in Erinnerung geblieben?

Spontan fällt Michael direkt die Folge über Ove Arup ein, der sogar zu seinem Vorbild geworden ist.

Philip ist besonders die Folge über circular construction mit Angela Fledman im Gedächtnis geblieben – dem ersten Gast im Podcast. Im Gespräch kamen viele gute Ideen heraus.

Der Dlubal-Podcast behandelt digitale und innovative Themen im Bauwesen. Wie sehen die beiden allgemein die Zukunft in dieser Branche?

Michael spricht über realistische und utopische Zukunftsversionen. Realistischerweise ist es ihm zufolge in Zukunft wichtig, Gebäude umzunutzen, statt mehr zu bauen, und sich logischer und nachhaltiger zu verhalten.

Peter stimmt zu und ergänzt, dass die neue Generation und auch junge Erwachsene z. B. mit architects for future schon ähnliche Ziele verfolgen. Auf Klimaziele müsse jetzt hingearbeitet werden – auch im Bauwesen.

Kann sich die Baubranche wirklich so schnell wandeln?

Michael nennt die Natur der Baustelle als Grund für die langsame Entwicklung. Bei der Digitalisierung sei das Internet immer noch das größte Problem. Diese Entwicklung sei schwer, denn Architekt, Bauherr, Bauingenieur und ausführende Firma verfolgten alle ihre eigenen Interessen.

Philip gibt zu bedenken, dass die Digitalisierung in Deutschland auch deshalb eher langsam vorangeht, weil Dinge erst auf den Markt gebracht würden, wenn man sicher sei, dass sie funktionieren. Zu klare Rollenverteilungen und die Kluft zwischen älteren und jüngeren Generationen sorgten auch für eine langsamere Digitalisierung.

Digitalisierung steht ja auch für einige Schlüsseltechnologien und auch für neue Trends. Wie stehen die Brüder zu neuen Trends im Bauwesen?

Michael findet 3D-gedruckte Häuser unglaublich interessant und gleichzeitig beängstigend. Das Material optimal einzusetzen sei ein großer Fortschritt. Andererseits würden mehr Ressourcen verbraucht und ein negativer Einfluss auf die Umwelt erzeugt, weshalb die Verbindung mit nachhaltigen Produkten besonders spannend ist.

Philip stellte den Bezug zu seinem Arbeitsfeld her, zum machine learning. Es habe ein großes Potenzial, die Arbeit mit Formeln, die nur die wenigsten verstehen, zu ersetzen. Ingenieure von heute müssten eine Schlüsseltechnologie entwickeln, mit der man aus den vorhandenen Daten ohne Formeln statische oder dynamische Gebäude nachweisen kann.

Viele Programme haben optimierende Algorithmen schon implementiert. Das ist die Entwicklung der Zukunft.

Philip erwähnt die Diagramme und Tabellen mit empirisch durch zahlreiche Versuche ermittelten Daten, die jeder aus Studium oder Beruf kenne. Inzwischen könne das numerisch erledigt werden und von den vorhandenen Daten könnten die Abhängigkeiten abgelesen werden.

Wie sehen die beiden BIM – Building Information Modelling?

Michael zitiert Kim Löffler, der auch im Podcast zu Gast war: BIM sei nicht nur ein Programm, sondern eine Arbeitsweise. Die Technologie für BIM sei schon vorhanden, nun müsse es nur noch wirklich eingesetzt werden.

BIM ist seiner Meinung nach eine der Schlüsseltechnologien, die auch die Kommunikation erleichtern wird und damit in eine nachhaltigere Zukunft führt.

Philip ergänzt, dass jeder verstehen sollte, was der Sinn dahinter ist und wie es die Zusammenarbeit vereinfacht.

Die Zukunft bleibt spannend. Mal sehen, welche Prognosen, die wir hier gestellt haben, Realität werden. Zum Schluss: Was ist das Lieblingsbauwerk von Michael und Peter?

Michaels Lieblingsbauwerk ist das Pantheon in Rom, über das er auch eine Bauwerksfolge gemacht hat. Die verwendeten verschiedenen Betonsorten und die Tatsache, dass es 1700 Jahre lang das größte Kuppelbauwerk der Welt war und heute, 2000 Jahre später, noch steht, machten es zu einem beeindruckenden Bauwerk.

Peter fällt die Wahl schwer, aber besonders liegt ihm die Sagrada Família von Gaudi am Herzen. Der Baustil sei typisch für die spanische Mittelmeerregion. Auch die Bauwerke von Guastavino gefallen ihm sehr, wie die Grand-Central-Station in New York, gebaut aus dünnen, leichten Ziegelsteinen unter perfekter Ausnutzung des Materials.

Womit wir wieder beim Thema wären: Die Strukturen so optimieren, dass sie für ihre Eigenschaften bestmöglich verwendet werden.


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