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24. Oktober 2022

Verfahren für Stabilitätsnachweis nach EC3 in RFEM 6

In diesem Fachbeitrag werden verschiedene Verfahren für einen in EN 1993-1-1:2005 aufgeführten Stabilitätsnachweis und deren Anwendung im Programm RFEM 6 erläutert.

In Anlehnung an die eingangs erwähnte Arbeit [2] wird als erster Untersuchungsansatz ein Stabilitätsnachweis sowie eine Analyse I. Ordnung für das entsprechende numerische Beispiel betrachtet. Als nächstes wird eine statische Berechnung nach Theorie II. Ordnung erörtert.

Dabei wird zunächst auf die Form der elastisch-kritischen Knickfigur eines Tragwerks als eine einmalige globale und lokale Imperfektion eingegangen. Im weiteren Verlauf werden Ersatzimperfektionen in Form einer Anfangsschiefstellung (φ) und Vorkrümmungen einzelner Stäbe (e) berücksichtigt. Abschließend werden die Ergebnisse genauso wie in [2] analysiert und bewertet.

Wie bereits erwähnt, werden die unterschiedlichen Methoden an einem numerischen Beispiel angewendet sowie die Ergebnisse untersucht und verglichen. Das betreffende Tragwerk ist ein Stahlrahmen wie in Bild 02 gezeigt. Die Einwirkungen auf die Struktur sowie die verwendeten Querschnitte für Träger und Stützen sind ebenfalls im Bild dargestellt.

1. Statische Berechnung nach Theorie I. Ordnung am idealen Tragwerk

Das in 5.2.2 (3) c) der EN 1993-1-1:2005 [1] angegebene Verfahren gibt vor, dass es möglich ist, eine Untersuchung nach Theorie I. Ordnung durchzuführen und die Auswirkungen nach Theorie II. Ordnung sowie Imperfektionen aus den einzelnen Stabilitätsnachweisen von Ersatzstäben gemäß 6.3 [1] zu berücksichtigen. Hierfür ist es erforderlich, entsprechende Knicklängen in Übereinstimmung mit der globalen Knickfigur des Tragwerks auf der Grundlage des Festigkeitsformats der europäischen Knicklinien mit dem Abminderungsfaktor χ1 zu verwenden.

Dafür muss in RFEM 6 neben dem Bemessungs-Add-on "Stahlbemessung" auch das Analyse-Add-on "Strukturstabilität" aktiviert sein. Damit können Sie den Stabilitätsnachweis durchführen und Knicklängen aus der Stabilitätsuntersuchung übernehmen (Bild 03). Mehr zu diesem Thema finden Sie im Fachbeitrag Ermittlung der Knicklängen in RFEM 6.

Bitte beachten Sie, wenn Sie die statische Berechnung nach Theorie I. Ordnung durchführen möchten, dass der Analysetyp bei den zu berechnenden Lastfällen und Kombinationen (Bild 04) auf "I. Ordnung" eingestellt werden muss. Somit werden die Imperfektionen und Auswirkungen nach Theorie II. Ordnung nicht bei der Schnittgrößenberechnung sondern beim Stabilitätsnachweis über den Beiwert für die Knicklänge aufgrund des globalen Rahmenverhaltens berücksichtigt.

Die Ergebnisse des Add-ons "Stahlbemessung", die mithilfe dieses Verfahrens berechnet wurden, sind in Bild 05 dargestellt.

Der Abminderungsfaktor für Knicken χ1 in RFEM 6 wird im Rahmen des Festigkeitsformats der europäischen Knicklinien berechnet. Dies lässt sich gut an den Nachweisdetails der einzelnen Stäbe ablesen (Bild 06), die über die Schaltfläche "Nachweisdetails" in der Tabelle für die Ergebnisse der Stahlbemessung angezeigt werden können.

2. Theorie II. Ordnung und Berücksichtigung geometrischer Imperfektionen

Im Allgemeinen bedeuten Verzweigungslastfaktoren kleiner als 10, dass die Schnittgrößen so berechnet werden sollten, dass Auswirkungen nach Theorie II. Ordnung zugelassen sind. Geometrische Imperfektionen sollten ebenfalls berücksichtigt werden, und in diesem Beitrag werden folgende Ansätze vorgestellt:

1. Anwendung der Form einer elastisch-kritischen Knickfigur eines Tragwerks als eine einmalige globale und lokale Imperfektion (5.3.2.11 [1])

2. Berücksichtigung der Ersatzimperfektionen in Form einer Anfangsschiefstellung und Vorkrümmungen einzelner Stäbe (5.3.2.3 [1])

2.1. Anwendung der Form einer elastisch-kritischen Knickfigur eines Tragwerks als einmalige globale und lokale Imperfektion

Der in 5.3.2.11 [1] präsentierte Ansatz legt nahe, dass die Form der elastisch-kritischen Knickfigur des Tragwerks als eine eindeutige globale und lokale Imperfektion angewendet werden darf. Dazu muss in RFEM 6 ein Imperfektionsfall vom Imperfektionstyp "Knickfigur" angelegt werden.

Die erste Knickfigur der Struktur wurde im Rahmen des Stabilitätsnachweises, das im vorherigen Abschnitt beschrieben wurde, berechnet und kann nun genutzt werden, um den Imperfektionsfall wie in Bild 07 gezeigt zu definieren. Die Einstellungen zur Theorie II. Ordnung bezüglich der Auswirkungen von Imperfektionen bei der Form der Knickfigur sind in Bild 08 dargestellt.

2.2. Berücksichtigung der Ersatzimperfektionen in Form einer Anfangsschiefstellung (φ) und Vorkrümmungen einzelner Stäbe (e)

Gemäß dem in 5.3.2 (3) [1] vorgestellten Ansatz sollte die Auswirkung von Imperfektionen bei knickgefährdeten Rahmen mit Vorverdrehung in der Rahmenuntersuchung mittels Ersatzimperfektion in Form einer Anfangsschiefstellung und einzelner Vorkrümmungen der Stäbe angewendet werden.

2.2.1. Anfangsschiefstellung (φ)

Zunächst wird der Nachweis so geführt, dass eine Ersatzimperfektion nur in Form einer Anfangsschiefstellung berücksichtigt wird. In RFEM 6 wird eine globale Vorverdrehung als "Neue Stabsatzimperfektion" wie in Bild 09 gezeigt eingestellt.

Damit ist die Anfangsschiefstellung wie in Bild 10 definiert.

2.2.2. Anfangsschiefstellung (φ) und Vorkrümmungen einzelner Stäbe (±e)

Neben den globalen Imperfektionen der Vorverdrehung sollten auch die relativen lokalen Vorkrümmungen der Stäbe berücksichtigt werden. In RFEM 6 können diese als Stabimperfektionen vom Typ "Vorkrümmung" festgelegt werden. Im vorliegenden Beispiel werden solche Imperfektionen einmal für die positive globale X-Richtung (+e) und einmal für die negative Richtung (-e) berücksichtigt. Beides ist in den Bildern 11 und 12 zu sehen.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Ein Vergleich der verschiedenen Verfahren (Bild 13) führt zu dem Schluss, dass die Verwendung des Festigkeitsformats der europäischen Knicklinien mit dem Abminderungsfaktor χ1 (Verfahren 1) weniger konservative Ergebnisse liefert als das direkte Bemessungsverfahren (Verfahren 2), das die Imperfektionen und die statische Berechnung nach Theorie II. Ordnung berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen unter Berücksichtigung der Imperfektionseffekte bei Verfahren 2 (also 5.3.2 (3) und 5.3.2 (11)) für rechteckige durchgängige Rahmen eher gering sind.

An dieser Stelle kann auf Absatz 5.3.2 (6) der EN 1993-1-1:2005 [1] verwiesen werden, der darauf hinweist, dass Imperfektionen infolge lokaler Auslenkungen bei der globalen Analyse zur Ermittlung der Endschnittgrößen für die Stabnachweise gemäß 6.3 vernachlässigt werden dürfen.

Somit können die Imperfektionen im vorliegenden numerischen Beispiel nur in Form einer globalen Anfangsschiefstellung eingebracht werden, und die Stabilitätsnachweise der Ersatzstäbe gemäß 6.3 [1] können geführt werden. In Anbetracht der Theorie II. Ordnung und der Berücksichtigung des globalen Rahmenverhaltens sollte dieser Nachweis mit der Knicklänge gleich der Stablänge erfolgen, wie in 5.2.2 (7) b der EN 1993-1-1:2005 [1] vorgesehen. Die Ergebnisse sind abschließend in Bild 14 zu sehen.


Autor

Frau Kirova ist bei Dlubal zuständig für die Erstellung von technischen Fachbeiträgen und unterstützt unsere Anwender im Kundensupport.

Links
Referenzen
  1. EN 1993-1-1:2005: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. CEN, Brüssel, Mai 2005.
  2. Chladný, E. & Štujberová, M.: (2013) angewendet. Rahmen mit eindeutiger globaler und lokaler Imperfektion in Form der elastischen Knickfigur (Teil 1). Stahlbau, 82 (8), 609–617. https://doi.org/10.1002/stab.201310080