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14. Juli 2022

Brückenbau beginnt im Kopf

Dlubal Podcast interviewte den Bauingenieur Moritz Menge. Neben seiner Tätigkeit im Brückenbau ist er auch ein Autor. Wir haben mit ihm über seine Laufbahn und Themen wie Digitalisierung im Bauwesen gesprochen – und natürlich auch über sein Buch. Ihr wollt wissen, warum Brückenbau im Kopf beginnt? Dann hört rein, und lest hier eine Zusammenfassung des Interviews.

Wie sieht wohl der Bauingenieur von morgen aus? Mit dem Planer und Autor Moritz Menge sprechen wir über sein Buch „Brückenbau beginnt im Kopf“ und über die Entwicklung und Zukunft des Bauwesens.

Link zur Folge mit dem kompletten Interview: #022 Brückenbau beginnt im Kopf feat. Moritz Menge

Moritz stellt sich vor

Moritz Menge ist in Bonn geboren, hat in Aachen studiert und die ersten Jahre als Bauingenieur in Düsseldorf in einem Planungsbüro gearbeitet. Hauptsächlich plant er inzwischen mit seinem Team Projekte im konstruktiven Ingenieurbau der Verkehrsinfrastruktur, meist Brücken.

Warum hat Moritz Bauingenieurwesen studiert und was hat ihn daran so fasziniert?

Vor allem fasziniert Moritz, dass Bauingenieure überall gestalten und etwas Bleibendes zurücklassen. Während des Studiums hatte er allerdings noch keine konkreten Vorstellungen, wohin genau sein Weg ihn führen würde.

Was war für ihn im Studium das Schwierigste?

Moritz nennt die Kluft zwischen den sehr theoretischen Fächern und der späteren Berufswahl. Er hat sich die Grundlagen diszipliniert erarbeitet. Das seien vor allem die theoretischen Grundlagenfächer wie Mathematik, Dynamik und einige andere gewesen.

Was macht Moritz an seinem Beruf am meisten Spaß?

Zwei Dinge gibt es da für ihn: Zum einen das Projektgeschäft mit immer neuen Herausforderungen. Der zweite Punkt ist die Entwicklung der Lösungen im Team. Er weiß die Möglichkeit zu schätzen, sich durch den Austausch weiterzuentwickeln und die Ergebnisse der Arbeit zu sehen.

Was war in letzter Zeit die größte Herausforderung, die sie im Team bewältigt haben?

Bei einem herausfordernden Projekt im letzten Jahr wurde das Projektteam schnell auf das Dreifache vergrößert, erzählt Moritz. Dieses Projekt war komplex und erforderte viele Überlegungen und sehr gutes Projektmanagement. Dadurch und durch den Teamsupport wurde es zu einem positiven Erlebnis, das Spaß gemacht hat.

Moritz’ Buch „Brückenbau beginnt im Kopf“

Gedanken zu den Kapiteln des Buches hat Moritz schon lange gesammelt. Themen, die ihn interessierten, haben vor allem mit dem Alltag eines Bauingenieurs zu tun. Irgendwann wollte er unter den gesammelten Gedanken einen Schlussstrich ziehen – und so entstand das Buch.

Wieso beginnt der Brückenbau genau im Kopf?

Moritz erklärt, dass der Begriff Brückenbau hier vor allem auch metaphorisch gemeint ist: Als Inbegriff der Bauingenieursarbeit und als Verbindung, die zusammenführt und Abkürzungen erlaubt. Es ergeben sich Brücken zur Gesellschaft, zu den Kollegen, zu anderen Berufen und letztlich zu Sinn und Sein der eigenen Arbeit.

Moritz’ Buch deckt auch Themen ab, die nicht fachspezifisch sind, aber trotzdem oft zum Alltag eines Ingenieurs gehören. Ein Punkt ist das Ingenieursein mit Gelassenheit. Doch was bedeutet das eigentlich?

Ein wichtiges Thema für Moritz ist das Bewusstsein der Ingenieure, sich nicht nur innerhalb ihrer technischen Sachbearbeitung, sondern auch in einem Team zu befinden.

Dass die jüngeren Kollegen ins kalte Wasser steigen sei gut, wenn der Mentor sicher ist, dass der Kollege auch schwimmen kann. Trotzdem solle man bereit sein, im Notfall hinterherzuspringen. So könne die Beziehung zwischen jüngeren und erfahrenen Ingenieuren gewinnbringend aufgebaut werden. Bei älteren Kollegen schätzt Moritz ihre Zielgenauigkeit im Sehen und Lösen von Problemen.

Die Gelassenheit von älteren Kollegen strahle sicherlich auf die jüngeren ab. Wichtig sei es auch, dass Erfahrene ihren Status nicht durch Jüngere bedroht sähen.

Für mehr Gelassenheit empfiehlt Moritz, immer mal wieder einen Schritt von der Situation zurückzutreten. Außerdem solle man Reibungen durch persönliche Befindlichkeiten vermeiden und den anderen helfen.

Welche tragende Rolle übernimmt der Bauingenieur in Bezug auf den Klimawandel?

Noch gar keine, meint Moritz. Einzelne Vorreiter gingen in die richtige Richtung, aber der Großteil der Baubranche sei noch lange von wirklicher Nachhaltigkeit entfernt.

Den Einfluss der Baubranche unterschätzten viele. Die klimaschädlichen Emissionen des weltweiten Flugverkehrs machten zum Beispiel nur etwa ein Viertel davon aus, was in der Zementherstellung an Emissionen entstünden. Einzelne Entwicklungen wie die Energieeinsparverordnung gingen in die richtige Richtung, aber wirklich angekommen sei es noch nicht.

Wo muss vor allem ein Umdenken stattfinden, um den schlechten CO2-Fußabdruck zu verbessern?

Moritz meint, dass sich Beton trotz allem schwer durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen lassen würde, gerade im Brückenbau.

Allerdings könne man schon bei der Entscheidung, was, wie groß und wie viel gebaut wird, ansetzen. Moritz ist sicher, dass in vielen Projekten ohne Einschränkung der Dauerhaftigkeit, Gebrauchstauglichkeit oder Tragfähigkeit Beton eingespart werden kann.

Jede einzelne im Bauwesen tätige Person müsse in die Pflicht genommen werden. Moritz befürchtet jedoch, dass dies nicht ohne gesetzliche Regelungen geht und sicher noch ein paar Jahre dauern wird.

Planer und Bauherren sollten mutiger sein, nachhaltige Projekte umzusetzen. Die Nachhaltigkeit muss sich mit der Wirtschaftlichkeit vereinen lassen, damit solche Projekte umgesetzt werden. Könnte auch die Digitalisierung dazu beitragen, dass der Klimawandel mehr beachtet wird?

Moritz kann sich vorstellen, dass die Digitalisierung Möglichkeiten oder Lösungswege aufzeigt. Aber natürlich sei sie nur so gut wie die Programmierung oder die KI dahinter. Die Entscheidungen Einzelner oder der Politik würden immer noch ausschlaggebend sein.

Wie ist die Digitalisierung bei seiner Arbeit vorangeschritten?

BIM hält laut Moritz in der Planung immer mehr Einzug, im Hochbau noch schneller als in der Infrastrukturplanung. Moritz beschreibt es als Unterstützung, bei der die Ingenieure schon in frühen Leistungsphasen detaillierte Überlegungen liefern müssen, um später mit den Daten im digitalen Modell arbeiten zu können und einen Mehrwert zu haben.

Einerseits käme die Digitalisierung unaufhaltsam und mit vielen Vorteilen wie steigender Qualität bei Planung und Ausführung und Einsparungen. Auf der anderen Seite könne es sein, dass man sich zu sehr auf digitale Prozesse verließe und die Grundlagen in der Aus- und Weiterbildung vernachlässige. Darum müsse man lernen, bei der Digitalisierung das richtige Maß zu behalten.

Die Zukunft im Bauwesen

Die erwähnten Megatrends werden sicher weiter beschleunigt, meint Moritz. Bauen werde immer komplexer, während auf der anderen Seite die Fachkräfte weniger würden. Er sieht eine große Herausforderung darin, den Wandel durch Digitalisierung und Klimawandel kompetent voranzutreiben. Moritz hält es in Zukunft daher für sinnvoll, dass Baufachkräfte sich auf das Steuern und Überwachen konzentrieren und entscheiden sollen, wo die Unterstützung durch Technologien Sinn ergibt.

Warum wird das Bauen trotz der voranschreitenden Technologie komplexer statt einfacher?

Moritz nennt mehrere Gründe. Zum einen gäbe es immer umfangreichere Regelungen und Gesetze. Zum anderen werde immer mehr Infrastruktur gebaut. Projekte fänden fast nur noch im bebauten Raum statt, bei dem man sich an die Gegebenheiten anpassen müsse. Der Raum, und damit das Bauen, würden immer komplexer.

Nachhaltigkeit ist auch in der Bauindustrie ein Trend, auf den wir einen extrem großen Einfluss haben. Fachkräftemangel und Digitalisierung gehören ebenfalls dazu. Sieht Moritz noch weitere Schlüsseltechnologien im Bauwesen?

Grundsätzlich hält Moritz die Baubranche für eher konservativ. Deshalb werde sich die Digitalisierung bei uns nicht so schnell etablieren wie in anderen Branchen, in denen Massenprodukte umgesetzt werden. Trotzdem glaubt er, dass sich Technologien von 3D-Druck bis hin zu Robotern in Zukunft immer weiter ausbreiten. Er ist überzeugt, dass künstliche Intelligenz sie viel mehr bei der Planung unterstützen und Lösungen vorschlagen wird. Diese müssten dann von Fachpersonal geprüft werden.

Vor welchen Herausforderungen bzw. Schwierigkeiten steht die Bauindustrie gerade noch?

Hier nennt Moritz den unerwarteten Mangel an Baustoffen. Verbunden mit dem Fachkräftemangel sorge dies für immer höhere Baupreise. Ansonsten sieht er die größte Herausforderung in der Verbindung mit der schon vorhandenen Technik und den Materialien.

Warum geht die Digitalisierung in der Baubranche so langsam voran?

Moritz nennt als Grund, dass Bauen kein Konsumprodukt ist. Gebaut werde sicher, robust und individuell, mit viel Handarbeit in Planung und Ausführung. Daher könne die Digitalisierung nicht so schnell wie in anderen Bereichen fortschreiten.

Es gibt viele Herausforderungen, aber welche Chancen und Möglichkeiten hat die Baubranche in der Zukunft?

Die Verantwortung der Baubranche reicht vom technischen Umfeld über Teile der Gesellschaft und der Volkswirtschaft, die Umwelt und das Klima bis hin zur Politik, antwortet Moritz. Wenn sich jeder die weitergehende Verantwortung bewusst mache, könne das zu einem positiven Einfluss führen. Bestenfalls könne sich dieser Einfluss dann auch auf Klima und Planungsabläufe auswirken und so entscheidend für kommende Generationen sein.

Wenn Moritz einen Wunsch freihätte, um die Planungs- und Baupraxis zu verbessern, was wäre es?

Sein Wunsch wäre, dass sich in Bauprojekten mehr auf die Planung konzentriert wird, da nach seiner Überzeugung dadurch nachhaltigere Bauwerke entstehen können. Termine seien aus volkswirtschaftlicher Perspektive im Rückblick häufig egal. Die Kosten seien ebenfalls stark relativiert. Als wirklich wesentlicher Punkt bliebe die Qualität. Hier könnten durch intensive Planung und umsichtige Bauausführung bessere Ergebnisse erreicht werden.

Wir danken Moritz für den Einblick ins Bauwesen und die Vorstellung seines Buches! Zuletzt: Moritz’ Lieblingsbauwerk

Natürlich ist eigentlich jedes Bauwerk, an dem Moritz als Planer beteiligt war, sein Lieblingsbauwerk. Aber ein anderes gäbe es tatsächlich, dass ihn schon als Kind beeindruckte: Das ist die Brücke in Mostar, die weltberühmte Stari most über den Fluss Neretva.

Moritz hat sie sich zweimal angesehen, einmal in 1986, wo das Original noch stand, und einmal die originalgetreu wieder aufgebaute Brücke in 2006. Sie verbindet den christlichen und den muslimischen Ortsteil von Mostar. Anfang der 90er Jahre wurde sie im Bosnienkrieg zerstört, und später wiedererrichtet. Die Brücke ist nun ein Mahnmal gegen den Krieg.

Brücken haben eben immer etwas Verbindendes.