📝 Einführung
Das WALE-Modell, kurz für Wall-Adapting Local Eddy-Viscosity, ist ein Feinstruktur-Turbulenzmodell, das im Rahmen der Grobstruktursimulation („Large Eddy Simulation“, LES) für instationäre CFD verwendet wird. Im Gegensatz zu stationären RANS-Ansätzen, die Turbulenzeffekte mitteln, löst LES direkt die großen, energiehaltigen Wirbel auf und modelliert nur die kleineren Skalen, was eine viel detailliertere und realistischere Darstellung instationärer Strömungsstrukturen ermöglicht. Das WALE-Modell wurde entwickelt, um die Einschränkungen klassischer LES-Modelle vom Typ Smagorinsky zu überwinden, insbesondere in wandnahen Bereichen. Es berechnet die Wirbelviskosität nicht nur aus dem Verzerrungsratentensor, sondern auch aus dem Rotationsratentensor, wodurch sichergestellt wird, dass die modellierte Viskosität an festen Wänden automatisch auf Null geht. Dies verhindert eine übermäßige Dämpfung der Turbulenz in der Nähe von Flächen und ermöglicht eine genauere Vorhersage des Übergangs von laminarer zu turbulenter Strömung sowie der Energiedissipation.
In Anwendungen der Windtechnik ist WALE (LES) daher besonders leistungsstark, wenn es darum geht, Wirbelablösungen (Bild 1), Nachlaufdynamik und andere instationäre Phänomene hinter hohen Konstruktionen oder in komplexen Strömungsfeldern zu erfassen. Das Verfahren eignet sich besonders gut für die Untersuchung von wirbelinduzierten Schwingungen, aeroelastischen Instabilitäten und Windkomfort für Fußgänger, wo instationäre Strömungsschwankungen entscheidend sind. Im Vergleich zu stationären RANS-Modellen wie k-ω SST, die glattere und gemittelte Strömungsfelder liefern, bietet der WALE-LES-Ansatz ein viel reichhaltigeres Bild von turbulenten Strukturen und ihrer zeitabhängigen Entwicklung. Diese Genauigkeit geht jedoch mit einem höheren Rechenaufwand einher, da WALE feinere Netze (insbesondere in Wandnähe) und kleinere Zeitschritte erfordert, um numerisch stabil und physikalisch zuverlässig zu bleiben.
2. LES vs. RANS: Ein kurzer Überblick
- RANS (stationär): Löst gemittelte Navier-Stokes-Gleichungen; Turbulenzeffekte werden vollständig modelliert. Liefert glatte Felder, weist jedoch wenig instationäre Details auf.
- LES (instationär): Löst große, energiegeladene Wirbel direkt auf; es werden nur Sub-Grid-Skalen modelliert. Liefert detaillierte Turbulenzstrukturen, erfordert jedoch höhere Rechenressourcen.
Innerhalb von LES ist die Wahl eines Feinstrukturmodells (subgrid-scale model, SGS) von entscheidender Bedeutung. Das Smagorinsky-Modell ist eine klassische Wahl, weist jedoch aufgrund übermäßiger Wirbelviskosität Einschränkungen in Wandnähe auf. Das WALE-Modell behebt diese Schwächen.
3. Das WALE-Modell: Grundlagen
WALE steht für „Wall-Adapting Local Eddy-Viscosity” (wandangepasste lokale Wirbelviskosität). Es wurde speziell entwickelt, um die Mängel von Modellen vom Typ Smagorinsky in wandnahen Bereichen zu überwinden.
- Definition der Wirbelviskosität:
Im Gegensatz zu Smagorinsky, das sich nur auf den Verzerrrungsratentensor stützt, verwendet WALE sowohl den Verzerrungs- als auch den Rotationsratentensor.
- Verhalten in Wandnähe:
Die Wirbelviskosität fällt an festen Wänden automatisch auf Null ab, ohne dass Dämpfungsfunktionen erforderlich sind.
✅Vorteile:
- Genauere Vorhersage des Übergangs von laminarer zu turbulenter Strömung.
- Bessere Energiedissipationseigenschaften.
- Verbesserte Stabilität und Realismus bei wandbegrenzten Turbulenzen.
Mathematisch berechnet das WALE-Modell die Viskosität unterhalb der Gitterskala auf Basis des Quadrats des Geschwindigkeitsgradiententensors, wodurch eine korrekte Wandskalierung gewährleistet wird.
4. Rechnerische Anforderungen
Die verbesserte Genauigkeit von WALE-LES bringt rechnerische Herausforderungen mit sich:
- Netzauflösung: Feine wandnahe Netze sind erforderlich, um Übergänge und turbulente Strukturen zu erfassen.
- Zeitschritte: Kleine Zeitinkremente sind erforderlich, um die numerische Stabilität aufrechtzuerhalten.
- Ressourcenbedarf: In der Regel 10- bis 50-mal rechenintensiver als stationäre RANS-Simulationen.
Trotz dieser Anforderungen gelingt es WALE, ein Gleichgewicht zu finden, indem es weniger ressourcenintensiv ist als dynamische SGS-Modelle und dennoch eine hervorragende Leistung in Wandnähe bietet.
5. Anwendungen in der Windtechnik
WALE (LES) bietet erhebliche Vorteile für die Simulation instationärer aerodynamischer Phänomene, die im Bauwesen und in der Statik von entscheidender Bedeutung sind:
- Wirbelablösung: Erfassung alternierender Wirbelmuster hinter hohen Schornsteinen, Türmen und Brückenpfeilern.
- Nachlaufdynamik: Vorhersage von Strömungsablösung, -wiederanlegen und Nachlaufmäanderung um Hochhäuser.
- Wirbelinduzierte Schwingungen (Vortex-Induced Vibrations, VIV): Untersuchung struktureller Schwingungen, die durch periodisches Wirbelablösen verursacht werden.
- Aeroelastische Instabilitäten: Bewertung der Risiken von Galloping, Flattern und Buffeting bei schlanken Strukturen.
- Fußgänger-Windkomfort: Auflösung von Böigkeit und instationären Strömungsbeschleunigungen auf Bodenhöhe in städtischen Gebieten.
📌Hinweis: Die Berücksichtigung von aeroelastischen Instabilitäten und wirbelinduzierten Schwingungen (VIV) stellt einen wichtigen zukünftigen Entwicklungsplan für RWIND dar, der dessen Potenzial in dynamischen Wind-Struktur-Interaktionsstudien weiter ausbaut.
Im Vergleich zu stationären RANS-Modellen liefert WALE-LES ein zeitabhängiges Strömungsfeld, das eine detaillierte Analyse von Lastschwankungen und nicht nur von Mittelwerten ermöglicht. Dies ist besonders wertvoll, wenn CFD-abgeleitete Drücke in Systemen mit Finite-Elemente-Methode (FEM) wie RFEM integriert werden, wo dynamische Lasthistorien direkt angewendet werden können.
6. Vergleich von Turbulenzmodellen in der Windbautechnik
Tabelle 1 enthält eine Vergleichstabelle der in der Windbautechnik häufig verwendeten Turbulenzmodelle, wobei der Schwerpunkt auf ihren Eigenschaften in vier Dimensionen liegt: Typ, Leistung in Wandnähe, Genauigkeit und Rechenaufwand. Sie stellt stationäre Modelle wie k-ε RANS und k-ω SST RANS, die rechnerisch kostengünstig, aber bei der Auflösung instationärer Wirbel begrenzt sind, gegenüber fortgeschritteneren instationären Modellen wie URANS, DDES, Smagorinsky LES und WALE LES, die zunehmend mehr Turbulenzdetails und Wirbeldynamiken erfassen, jedoch einen höheren Rechenaufwand erfordern. Die Tabelle verdeutlicht, wie jedes Modell ein Gleichgewicht zwischen praktischer technischer Anwendbarkeit, Vorhersagegenauigkeit und Kosten herstellt, und bietet eine Orientierungshilfe für die Auswahl des am besten geeigneten Ansatzes je nach Projektanforderungen.
Tabelle 1: Vergleich von Turbulenzmodellen: Abwägen von Genauigkeit und Kosten in der Windtechnik
| Modell | Typ | Leistung in Wandnähe | Genauigkeit | Rechenaufwand |
|---|---|---|---|---|
| k-ε RANS | Stationär | Schwach; schlechte Vorhersage von Ablösung und Rezirkulation | Sehr begrenzt (nur zeitlich gemittelt) | Niedrig |
| k-ω SST RANS | Stationär | Verbesserte Grenzschichtvorhersage; besserer Umgang in Wandnähe als k-ε | Begrenzt (kann keine instationären Wirbel auflösen) | Niedrig–mittel |
| URANS | Instationär (zeitlich gemittelt) | Erfasst einige instationäre Effekte, aber Wirbel werden gefiltert; weniger Detail als LES | Mittel; löst dominante Frequenzen auf, aber nicht das vollständige Turbulenzspektrum | Mittel |
| DDES | Hybrid (RANS + LES) | RANS nahe Wänden, LES in abgelösten/Nachlauf-Bereichen; balanciert beides | Hoch; gut für stark abgelöste Strömungen und die praktische Technik | Mittel–hoch |
| Smagorinsky (LES) | Instationär | Überschätzt die Wirbelviskosität in Wandnähe → übermäßige Dämpfung | Mittel; löst große Skalen, aber ungenaue Wandmodellierung | Hoch |
| WALE (LES) | Instationär | Korrekte Wandskalierung; Wirbelviskosität verschwindet in Wandnähe, keine Dämpfungsfunktionen erforderlich | Hoch; erfasst genau Wirbelablösungen, Nachläufe und Übergänge | Hoch |
7. Fazit
Das WALE-Turbulenzmodell innerhalb von LES bietet Statikern ein leistungsstarkes CFD-Tool, um instationäre Wind-Struktur-Interaktionen mit beispielloser Detailgenauigkeit zu untersuchen. Seine Fähigkeit, Wirbelablösungen, Nachlaufdynamik, aeroelastische Instabilitäten und den Windkomfort für Fußgänger zu erfassen, macht es für die leistungsbasierte Windbemessung unverzichtbar. Obwohl WALE LES rechnerisch anspruchsvoller ist als RANS, liefert es Erkenntnisse, die mit normbasierten Methoden oder stationären Simulationen allein nicht zu erreichen sind. Durch die Integration von aus WALE abgeleiteten Zeitverlaufsdruckwerten in FEM-Tools können Ingenieure realistischere und zuverlässigere Tragwerkspläne erstellen, die sowohl Sicherheit als auch Gebrauchstauglichkeit unter Windeinwirkung gewährleisten.