Eine grüne Stadt, gebaut auf vier künstlichen Inseln, direkt auf, in und am Meer. Klingt doch gar nicht schlecht, oder? Das dachten sich schon viele, die das erste Mal von Forest City gehört haben. Landgewinnung von 30 km², ökologisches Wohnen und natürlich mehr Wohnraum in Malaysia, einem Land, in dem über zwei Drittel aller Menschen in Städten leben. Da kommt eine neue Stadt doch ganz gelegen.
Moderne, fast futuristische Gebäude, weitläufige Parkanlagen, ein Katzensprung zum Strand – perfekt für Familien und einfache Leute, die mehr Wohnraum dringend benötigen. Aber Moment mal. Forest City wurde als Planstadt aus Luxuswohnungen errichtet? Eine Stadt der Reichen und Schönen? Damit war der Zauber für viele schon dahin.
Es sollte eines der teuersten Städteprojekte der Welt werden. Ein Vorzeigeprodukt. Und was wurde daraus? Die wohl teuerste Geisterstadt der Welt, denn niemand wollte dorthin. Wie es zur Pleite nach dem Bau kam und wie es künftig mit Forest City weitergeht, schauen wir uns in diesem Blogbeitrag genauer an. Viel Spaß beim Lesen, Staunen und Kopfschütteln!
Vorstellung des Projekts Forest City
Zunächst einmal: Worum geht es bei Forest City? Tatsächlich ist das Stadtprojekt sehr spannend, denn eine ganze Stadt im Meer zu errichten, klingt fast utopisch. Bevor wir hier weiter in die Meerestiefe gehen, sehen wir uns gemeinsam einige Fakten rund um das Projekt Forest City an.
Der Standort: über 30 km² neues Land auf vier künstlichen Inseln nahe Johor Bahru, Malaysia. Eine neue Smart City sollte hier als modernster Wohnraum für bis zu 700 000 Menschen entstehen. Die Idee zum Bau von Forest City stammte ursprünglich von einem der größten Bauträger Chinas, dem chinesischen Immobilienkonzern Country Garden Holdings. Dieser setzte das Projekt gemeinsam mit der Regierung Johors um.
Genauer gesagt war es eine Zusammenarbeit zwischen Country Garden Pacificview Sdn Bhd (CGPV) und einer weiteren Firma, die sehr eng mit der Königsfamilie Johors verbunden ist. Für politischen Rückhalt in der Region war also gesorgt. Das rettete Forest City zumindest zu Beginn das goldene Hinterteil. Doch das sollte sich schnell ändern. Aber eines nach dem anderen.
Ziel war es, mit Forest City ein internationales Vorzeigeprojekt zu schaffen. Luxusimmobilien, eine futuristische Hightech-Stadt und ökologisch nachhaltige Smart City: Das sollte die Zukunft Malaysias werden. Zumindest für Leute, die es sich leisten konnten.
Warum Forest City außergewöhnlich ist
Eine ganze Stadt zu planen, ist schon etwas anderes als nur eine Hausnummer mit dem Gebäude dahinter. Stadtplanung will gelernt und gekonnt sein. So viele Aspekte müssen ineinandergreifen und beachtet werden. Einfacher ist es da natürlich, ohne Bestand zu bauen, der in jede Änderung integriert werden muss.
Forest City war von Anfang an eine Stadt direkt vom Reißbrett. Vom Scheitel des höchsten Wolkenkratzers bis zur sandigen Sohle, die in mehreren Metern Tiefe auf Meeresboden trifft. Das machte die Planung allerdings nicht einfacher.
Landgewinnung für Forest City: Wie entstehen künstliche Inseln?
Wir machen es wie die Menschen vor dreihundert Jahren: So lange Steine ins Moor – oder eben Meer – werfen, bis sie nicht mehr einsinken. Und darauf bauen wir dann ein Haus, um uns später zu wundern, wieso alles so schief ist. Gut, ganz so schlimm war es nicht, aber nah dran! Wie bleibt das alles stabil?
Jeder, der schon einmal eine Sandburg am Meer gebaut hat, weiß, wie schnell eine etwas erhöhte Welle alles zunichte macht und den Sand davon spült. Tatsächlich gibt es mittlerweile recht sichere Verfahren für den großen Maßstab. Und die sind gar nicht so kompliziert, wie ihr sie euch vielleicht vorstellt. Wie wurde es bei Forest City gemacht?
Zuallererst wurde geprüft, ob der Meeresboden stabil genug war. Schließlich musste er künftig eine ganze Stadt tragen. Leider war das Ergebnis ernüchternd: die Küste Johors war nicht gerade geeignet, sondern viel zu weich und sehr schlammig. Was also tun? Nachhelfen! Und das nicht zu knapp. Es kamen große Schiffe, sogenannte Sandsauger, zum Einsatz, die unablässig Sand auf den Meeresboden schütteten. So lange, bis oben über dem Meeresspiegel eine neue Landfläche entstand. Insgesamt brauchte es über 163 Mio. m³ Sand, etwa 65.000 olympische Schwimmbecken. Woher so viel Sand kam? Aus dem Meer selbst, aber auch aus anderen Ländern.
Das unsichere Sandfundament war also errichtet. Und jetzt? Damit der ganze Sand nicht fortgespült und alle Arbeit vernichtet wurde, galt nun: die Form sichern! Rund um die neuen Inseln wurden Steindämme und Wellenbrecher gebaut, ganz wie ein Rahmen, der die Insel zusammenhält.
Dann gab es noch eine Gefahr für die neuen Inseln. Der Sand war noch locker, wie am Strand. Und damit die Gebäude nicht einsinken konnten, musste der Sand verdichtet werden. Das funktioniert beispielsweise über starke Vibrationen durch eingeführte Sonden.
Ein weiteres Problem war das Meerwasser im künftigen Boden der Forest City. Über zahlreiche Röhren im Boden wurde das Wasser nach und nach abgepumpt. Dadurch setzte sich der Boden und wurde fest. Alles erinnerte ein klein wenig an den letzten Strandbesuch mit kleinen oder erwachsenen Kindern, die nur zu gerne dort bauten, wo es kompliziert wurde: direkt am Meer. Aber wer nicht wagt, hat keinen Spaß! Nicht wahr?
Forest City: Biomorphe Architektur
Am Meer zu bauen, ist teuer. Vor allem, was die Baumaterialien angeht. Denn Meeresluft ist äußerst salzhaltig und greift gewöhnlichen Baustahl sowie normalen Beton an. Das hätte hohe Instandhaltungskosten mit sich gezogen.
Also entschied man sich, von Anfang an richtig zu investieren. Für die Gebäude an sich wurden spezieller korrosionsbeständiger Stahl und Seewasserbeton verwendet. Damit wäre die Stadt sozusagen in trockenen Tüchern, trotz Meeresbrise. Und wie sieht die Stadt nun aus?
Vom Projekt an sich mag man halten, was man will. Tatsache ist: Die Architektur in Forest City ist außergewöhnlich. Die geschwungenen, organisch anmutenden Fassaden lassen selbst die höchsten Wolkenkratzer weniger bedrohlich wirken. In die tropische Landschaft passt ein solcher Architekturstil natürlich hervorragend. Dadurch ist der Bruch zwischen Stadt und Natur nicht ganz so stark.
Mehr noch, Natur sollte direkt in die Stadtplanung integriert werden. Mit angelegten Parks und konventionellen Alleen? Nein. Vielmehr orientierte man sich an der Idee des Bosco Verticale, dem vertikal angelegten Wald. Genügend Flächen an den Wolkenkratzern gab es ja.
Damit schuf man nicht nur grüne Flächen an den Gebäuden, sondern vermied eine punktuelle Wärmeentwicklung und erreichte trotz der tropischen Luft ein angenehmes Klima in Forest City. Und was an Fassaden nicht bepflanzt wurde, statteten die Verantwortlichen mit Solarmodulen aus.
Um die Bauzeit nicht allzu sehr ausarten zu lassen, setzten die Verantwortlichen zu großen Teilen auf modulares Bauen. Das heißt, Teile der Wohnbereiche, beispielsweise der Fassaden, wurden vorgefertigt auf die Baustelle geliefert. Logistisch war das Ganze enorm aufwändig, schließlich mussten die Module aus China importiert und über den Seeweg nach Johor gebracht werden.
Und es ging noch weiter mit dem Modell der smarten und ökologischen Stadt. Denn Forest City sollte komplett autofrei sein. Was aber nicht hieß, dass es dort keine Autos geben würde, sie sollten nur in mehreren Etagen unter den Gebäuden verschwinden. Eine Art unterirdisches Straßennetz also.
Selbst die oberirdischen Wege der Forest City sind etwas Besonderes. Sie folgen dem Schwammstadt-Prinzip. Das heißt, die Pflasterflächen sind so angelegt, dass überflüssiges Wasser leicht abfließen kann und von der umgebenden Vegetation aufgenommen wird. Gerade in tropischen Regionen ist das wichtig, um Staunässe durch Starkregen oder anhaltende Feuchtigkeit zu vermeiden.
Forest City: Wie großartig ist sie wirklich?
Jetzt, wo wir uns mit den Plänen und dem Idealzustand von Forest City auseinandergesetzt haben, widmen wir uns der Realität. Und die – ihr ahnt es schon – ist leider nicht ganz so grün und innovativ. Wie ist die Umsetzung des Projekts bisher gelungen?
Zu Beginn des Forest City Projekts sollte die gesamte Stadt 2035 fertiggestellt werden. Wir erinnern uns: 700 000 Menschen würde die Smart City ein neues, luxuriöses Zuhause bieten. Was daraus geworden ist? Nun, das ist gelinde gesagt etwas enttäuschend.
Im Jahr 2024 wurde bekanntgegeben, dass etwa 26 000 Wohneinheiten in mehreren Hochhäusern bereits fertiggestellt werden konnten. Schon 20 000 davon seien verkauft worden. Hauptsächlich an chinesische Investoren, die eine Gemeinsamkeit vereinte: Sie hatten Geld. Viel Geld.
Sogar das höchste Gebäude stand. Der Carnelian Tower glänzt seit 2016 mit ganzen 45 Stockwerken und einer Höhe von insgesamt 196 m. Auch sonst bietet Forest City unterschiedliche Annehmlichkeiten, wie beispielsweise zwei Fünf-Sterne-Hotels und zwei Golfplätze nach internationalem Standard.
Außerdem wurde ein vierstöckiges Einkaufszentrum errichtet, nicht weit von der Forest City International School, einer Privatschule, die 2018 ihren Betrieb aufnahm. Man will Bewohnern und Gästen in einer der teuersten Städte der Welt ja schließlich etwas bieten können!
Das Problem: Im Jahr 2019 lebten hier 500 Menschen. Nicht in einem Wolkenkratzer, sondern in ganz Forest City. 2024 waren es nach Angaben von Country Garden 9000 Menschen. Besichtigungen lassen allerdings höchstens 2000 Bewohner vermuten – auf 30 km². Wenn die Stadt so fortschrittlich und luxuriös ist, warum will niemand dorthin? Was ist mit den 20 000 verkauften Wohnungen passiert? Arbeiten wir das doch zusammen ein wenig auf.
Politischer Einfluss auf Forest City
Wir erinnern uns: Forest City wurde in enger Zusammenarbeit von Country Garden und der Königsfamilie Johors geplant und errichtet. Im Jahr 2018 fand ein Wechsel im Amt des Premierministers statt und daraufhin sollten ausländische Investitionen in Forest City erheblich gebremst werden. Das neue Ziel war es, Einheimischen Wohnorte zu schaffen.
Das gelang allerdings nicht, da die Wohnungen mit etwa 200.000 US-Dollar für Malaysier viel zu teuer waren. Doch auch das Geschäft mit ausländischen Investoren ging nicht auf. Geänderte Visabestimmungen und neue Kapitalverkehrskontrollen erschwerten es ihnen, ihre gekauften Wohnungen auch zu beziehen oder zusätzliche Immobilien zu erwerben. Das Interesse an weiteren Wohnungsverkäufen nahm rasant ab. Und so blieb die Stadt fast vollständig leer.
Forest City: Wirtschaftliche Schwierigkeiten
Wie bei den meisten Bauprojekten, die in die frühen 2020er Jahre fielen, hatte auch hier die Corona-Pandemie erhebliche Auswirkungen, besonders auf Country Garden. Der Konzern sah sich mit starken finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert. Zusätzlich wurde das Projekt durch den Regierungswechsel in der Politik deutlich herabgestuft und verlor seine Priorität, damit auch einen möglichen Geldgeber.
Seit 2023 wird Forest City als "Special Financial Zone" geführt, lockt mit Steueranreizen und einer zollfreien Zone. Das nächste Dubai für fragwürdige Gestalten und Investoren? Nein, denn Wirkung zeigte diese Maßnahme bisher nicht. Forest City ist und bleibt vermutlich die wohl teuerste Geisterstadt der Welt.
Greenwashing-Vorwürfe beim Forest City Projekt
Es grünt so grün – nur eben nicht auf finanzieller Seite. Wie steht es denn um die ökologische Fortschrittlichkeit der neuen Mega-City? Der grüne Deckmantel der fortschrittlichen Ökostadt wirkt eher wie ein Vorhang, der wohl besser so bleibt, wo er ist: geschlossen.
Denn schiebt man ihn zur Seite, zeigt sich, dass hier nur oberflächlich Werbung gemacht wurde. Das Prinzip des Bosco Verticale ist großartig, gerade für die Planung von Hochhäusern. Allerdings herrschen in Malaysia die falschen Umweltbedingungen für so ein Projekt. Das tropische Klima eignet sich nicht für eine üppige Bepflanzung von Fassaden.
Schimmel, Wurzelwucherungen und Fäulnis stehen auf dem Programm. Ohne regelmäßige Neubepflanzung sieht das nicht lange schön aus. Schaut man bei den Gebäuden der Forest City etwas genauer hin, fällt auf: alles aus Plastik! Zumindest ein großer Teil des Fassadengrüns ist aufgeklebt oder besteht aus Kunstpflanzen, um die Wartungskosten zu senken.
Doch nicht nur bei der Umsetzung der Gebäude wurde ein wenig geflunkert, was den ökologischen Fußabdruck angeht. Um die 30 km² Neuland zu schaffen, wurden vier künstliche Inseln angelegt, doch nicht etwa auf brachliegendem Ufer. Sondern auf Seegraswiesen und Mangrovenwäldern. Geschützte, sensible Lebensräume mussten einer pseudo-grünen Geisterstadt weichen. Kein Wunder also, dass dieses Projekt von der Öffentlichkeit einiges an Kritik einstecken musste.
Megaprojekt Forest City: Fazit
Megaprojekte wie Forest City sind immer ein Risiko. Dass die künstlich ins Meer gebaute Stadt allerdings so weit hinter den Erwartungen her hinkt, ist tragisch – und war vermutlich bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar.
Eine ganze Stadt für ausländische Investoren bauen zu wollen, hat auf mehreren Ebenen einen bitteren Beigeschmack. Zunächst einmal wäre es, gerade in einem von der Regierung gestützten Projekt, sinnvoller gewesen, etwas für die eigene Bevölkerung zu tun. Lebenswerten Wohnraum für die Leute zu schaffen, die jedes Jahr ihre Steuern in den Haushalt zahlen.
Von Anfang an war klar, dass sich kein normaler Bürger Malaysias eine der Wohnungen für 200.000 US-Dollar leisten kann. Also würden Investoren von außerhalb zuschlagen. Und hier haben die Verantwortlichen nicht weiter gedacht.
Denn für den Großteil dieser Investoren war es ausgeschlossen, dass sie jemals selbst in ihren erworbenen Immobilien leben würden. Eine Wohnung in Forest City war eine reine Geldanlage. Nicht mehr, nicht weniger. Daran konnte selbst das nachträgliche Schaffen einer gemütlichen Steueroase nichts ändern.
Und eine Vermietung? Uninteressant und viel zu teuer. Geisterstadt-Enthusiasten oder Menschen, die gerne viel Geld bezahlen wollen, um eine Zeit lang in Luxus ihre Ruhe zu haben, wären wohl die einzigen Zielgruppen. Und diese decken vermutlich schon die beiden Hotels vollumfänglich ab.
Wie geht es mit Forest City weiter? Laut neuesten Informationen aus 2023 und 2024 soll die Entwicklung der Stadt parallel zu ihrer Bedeutung und Auslastung weiterlaufen. Leider tritt diese völlig auf der Stelle. Wird Forest City für immer eine Geisterstadt bleiben? Blüht sie, überwuchert von Plastikpflanzen, vielleicht doch noch einmal richtig auf? Diese Fragen kann wohl nur die Zukunft beantworten.