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11. September 2025

Fritz Leonhardt: Ein Ingenieur bringt Brücken zum Schweben

Was haben Fernsehtürme, Autobahnbrücken und filigraner Beton gemeinsam? Nichts? Oh doch! Hinter einigen von Deutschlands bekanntesten Bauwerken steckt ein einziger Mann: Fritz Leonhardt. Er schuf Konstruktionen, die unser Bauen revolutionierten. Wir schauen uns nicht nur einige davon, sondern auch den Ingenieur selbst an: Als Pionier, Künstler und Treiber von Innovation setzte er im Bauwesen neue Maßstäbe. Klingt spannend? Dann lest rein!

In welcher Zeit lebte Fritz Leonhardt? Das 20. Jahrhundert war geprägt von gesellschaftlichen Veränderungen und großen Innovationen in der Baubranche. Viele bekannte Bauwerke Deutschlands entstanden in dieser Zeit. Ob erste große Autobahnbrücken, Fernsehtürme und Betonbauten, die noch heute zu schweben scheinen.

Gleichzeitig war diese Zeit überschattet von Kriegen. Der Erste Weltkrieg, auf den noch ein zweiter folgte. Selbst Mitte des Jahrhunderts war damit noch nicht Schluss. Denn beinahe bis ins letzte Jahrzehnt teilte im Kalten Krieg eine Mauer nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa.

Für die Baubranche standen alle Zeichen auf Aufbau. Das aufzubauen, was in den Kriegen zerstört worden war. Möglichst schnell und am besten günstig. Das erforderte kluge, kreative Köpfe und treibende Kräfte für Innovationen: neue Methoden, neue Baustoffe. Eine der Personen, die in dieser Zeit Großes geleistet haben, war Fritz Leonhardt.

Wer war Fritz Leonhardt?

Fritz Leonhardt wurde 1909 in Stuttgart geboren und verstarb 1999 in seiner Heimatstadt. Der Erste Weltkrieg prägte seine Kindheit, die er mit seiner Mutter und seinem Bruder auf dem Land bei seiner Großmutter verbrachte.

Sein Vater war Architekt und weckte schon früh sein Interesse an der Baukunst. Als Kind verbrachte er in seinen Ferien viel Zeit in der Schreinerei seines Onkels und sammelte dabei erste handwerkliche Erfahrungen.

Nach seinem Abitur studierte er Bauingenieurwesen an der TH Stuttgart und legte als einer der Jahrgangsbesten sein Diplom ab. Wie viele seiner Kollegen fand er zunächst keine Arbeitsstelle. Die Weimarer Republik war noch vom Ersten Weltkrieg gebeutelt und wenig stabil.

Im Jahr 1932 erhielt er die Möglichkeit, für den Aufbau eines Studienprogramms im Ausland. Genauer gesagt in den USA. Fritz Leonhardt nutzte diese Möglichkeit, bereiste neben Nordamerika auch Mexiko und interessierte sich dabei vor allem für Brückenbauten.

Leonhardt schuf sich in dieser Zeit ein breites Netz an Kontakten in die gesamte Baubranche. So erhielt er beispielsweise Einblick in die Pläne der Golden Gate Bridge, die damals gerade im Bau war. Ende 1933 kehrte er mit all diesen Erfahrungen im Gepäck nach Deutschland zurück.

Zunächst hatte er überlegt, in den USA zu bleiben, da seine Aussichten auf eine Anstellung in seiner Heimat noch immer nicht besonders gut aussahen. Mittlerweile hatte allerdings die NSDAP die Macht übernommen und es wurden schlagartig zahlreiche Jobs geschaffen, die sich um den Ausbau der Infrastruktur drehten.

Fritz Leonhardt trat der SA, der Sturmabteilung, bei, die für die Machtübernahme der NSDAP eine große Rolle gespielt hatte. Leonhardt beschönigte im Laufe seines Lebens nie seine Nähe zum NS-Regime, die am Ende notwendig gewesen war, um einen sicheren Job zu gewährleisten.

Demnach stand ihm von 1934 bis 1938 eine Anstellung als Brückenbauingenieur bei der Reichsautobahn-Gesellschaft offen. Hier wirkte er beispielsweise an der großen Sulzbachtalbrücke bei Denkendorf, der Donaubrücke Leipheim und der Rohrbachtalbrücke Stuttgart mit.

Im Jahr 1938 promovierte er mit dem Thema "Die vereinfachte Berechnung zweiseitig gelagerter Trägerroste." Außerdem wurde ihm die Projekt- und Bauleitung der Rheinbrücke Köln-Rodenkirchen übertragen. Dabei handelt es sich um eine Hängebrücke der Reichsautobahn, die über den Rhein führt. Hier waren seine Erfahrungen aus den USA mehr als nützlich. Nach seinen ersten erfolgreichen Aufträgen gründete er 1939 sein Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner. Noch heute existiert es unter diesem Namen.

Das Besondere an Bauwerken von Fritz Leonhardt

Im Nachfolgenden sehen wir uns einige seiner bekanntesten und interessantesten Bauwerke von Fritz Leonhardt genauer an. Dabei legen wir vor allem Wert auf die Besonderheiten für die damalige Zeit. Wie hat Fritz Leonhardt gearbeitet und was unterschied ihn von anderen Ingenieuren und Architekten seiner Zeit?

In der Öffentlichkeit mag der Name Fritz Leonhardt nicht allzu bekannt sein wie die großer Architekten. Was vor allem daran liegt, dass Ingenieure in der Regel die stillen Helden der Baubranche sind.

Fritz Leonhardt vereinte die guten Eigenschaften beider Gewerke in sich: Kreativität in Formensprache und Design, aber auch das Talent, Bauwerke mit innovativen Methoden erfolgreich umzusetzen. Mehr noch, er bezeichnete sich selbst als Baumeister, ein alter Begriff aus einer Zeit, in der beide Gewerke noch in einer Person vereint waren. Diese Verbundenheit zeigt sich vor allem in seinen Werken.

„Der Ingenieur muss mehr sein als ein Rechner – er muss Künstler sein.“ – Fritz Leonhardt

Besonders im Bereich Schrägseil- und Monokabelbrücken setzte er im deutschen Bauwesen neue Maßstäbe. Wofür er aber wohl bekannter ist: Fritz Leonhardt ist Schöpfer des ersten Fernsehturms. Des Prototyps für Stecknadeln aus Beton, die trotz des massigen Stahlbetons nicht zu wuchtig wirken.

Neben der Ästhetik legte er großen Wert auf eine effiziente Nutzung der Baumaterialien. Sparsamkeit war gerade in Nachkriegszeiten besonders wichtig. Sowohl in privaten Haushalten als auch in der Bauwirtschaft. Gleichzeitig blieb eine gewisse Eleganz aber nicht außen vor. Fritz Leonhardt betonte immer wieder, dass sowohl technisches Verständnis als auch ästhetisches Empfinden für gute Architektur notwendig sind.

Fritz Leonhardt: Meilensteine und Meisterwerke

Jetzt, wo wir uns mit den Besonderheiten der Bauwerke von Fritz Leonhardt vertraut gemacht haben, gehen wir einen Schritt weiter. Wir sehen uns seine wohl bekanntesten Konstruktionen genauer an. Welche Geschichten stecken dahinter? Und wie haben sie die Baubranche nachhaltig geprägt?

Stuttgarter Fernsehturm (1954–56)

Das erste Bauwerk, das wir mit dem Namen Fritz Leonhardt in Verbindung bringen, ist ganz klar der Stuttgarter Fernsehturm. Wusstet ihr, dass es sich dabei um den ersten Fernsehturm aus Stahlbeton weltweit handelt? Die Betonnadel, wie die Stuttgarter ihn liebevoll nennen, wurde nach seiner Fertigstellung zum Prototypen für zahlreiche Fernsehtürme weltweit.

Im Jahr 1953 war auch in Deutschland die neueste Freizeitbeschäftigung salonfähig geworden: das Fernsehen. Problem war nur, dass nur wenige Leute Fernsehen empfangen konnten. Im Stuttgarter Raum konnte man lediglich mit speziellen Antennen versuchen, den 100 km entfernten Sender Weinbiet des Südwestfunks (SWF) einzufangen. Aber das war unglaublich aufwändig. So wurde selbst das Empfangen der Krönung von Elisabeth II. am 2. Juni 1953 zum Glücksspiel.

Der Sender SWR schlug einen Sendemast auf dem Stuttgarter Frauenkopf vor. Diese Position sollte hoch genug sein, um auch das Tal entsprechend abzudecken. Etwa 200 m waren geplant: ein schlichter Stahlmast. Fritz Leonhardt hörte von diesen Plänen und wandte sich besorgt an die Verantwortlichen des Senders.

Er schlug aus ästhetischen und technischen Gründen eine Alternative vor: einen schlanken, konischen Stahlbetonturm mit einer Turmkugel, die Sendeanlagen und ein öffentlich zugängliches Restaurant beherbergen sollte. Ein Restaurant auf dieser Höhe sollte zusätzlich zu einer Aussichtsplattform Einnahmen bringen.

Nach einigem Hin und Her begann der Bau am 10. Januar 1954. Im Anschluss an die Fundamente kam die Turmsäule an die Reihe. Der Schaft aus Stahlbeton wurde mittels Gleitschalungsverfahren hochgezogen. Eine so hohe Schalung wäre schlicht nicht möglich gewesen. Es folgte die Turmkugel in etwa 150 m Höhe, welche in mehreren Etappen montiert wurde, sodass am 5. Februar 1956, nach nicht einmal zwei Jahren Bauzeit, der Turm fertiggestellt werden konnte.

Heute wäre so ein Bauvorhaben in Deutschland vermutlich eine mittlere Katastrophe. Schließlich haben wir noch den Berliner Flughafen oder Stuttgart 21 vor Augen. Können wir heute einfach keine Großprojekte mehr bauen? Dazu empfehlen wir euch unseren Blogbeitrag zum Thema Großbauprojekte in Deutschland . Klingt interessant? Dann schaut doch mal rein! Aber jetzt zurück zum Stuttgarter Fernsehturm.

Mit seinen 217 m Höhe und einem Gewicht von rund 3.000 t fußt die gigantische Betonnadel auf einem etwa 8 m tiefen Fundament. Und Leonhardts Vision zahlte sich aus. Denn der Turm war nicht nur eine einfache Sendestation. Er wurde zu einer architektonischen Sensation. Ob der Fernsehturm in Berlin, Johannesburg oder der CN Tower in Toronto – der geistige Urvater der Fernsehtürme aus Stahlbeton weltweit ist der Stuttgarter Fernsehturm.

Bereits 1956 erhielt der Turm einen Architekturpreis und wurde 1986 unter Denkmalschutz gestellt. Im Jahr 2013 wurde der Stuttgarter Fernsehturm modernisiert und war ab 2016 wieder für Besucher geöffnet. Aktuell steht die 70-Jahres-Feier an. Zu diesem Anlass stehen weitere Modernisierungsmaßnahmen in den Startlöchern. Etwa 1,5 Mio. € stehen für die Beseitigung feiner Risse im Schaft des Stahlbetonturms zur Verfügung, damit das Wahrzeichen der Stadt auch weiterhin erhalten bleibt.

Brückenbaukunst: Fritz Leonhardt als Herr der Brücken

Fast noch bekannter als für seinen Fernsehturm wurde Fritz Leonhardt für seine Brücken. Riesige Spannweiten bei sparsamem Materialverbrauch und einer ästhetischen Optik. Brücken aus Stahl und Beton, die zu schweben schienen.

Das brachte ihm den Ruf als wahrer Brückenbaumeister ein. Wir sehen uns einige seiner bekanntesten Brücken etwas genauer an. Was ist so besonders an ihnen und wie haben sie die Brückenkonstruktionen von heute beeinflusst?

Längste Hängebrücke Europas: Die Rheinbrücke Köln-Rodenkirchen

Die Rheinbrücke Köln-Rodenkirchen, oder auch Rodenkirchener Brücke genannt, war sein erster Auftrag, bei dem er die selbständige Bauleitung übernahm. Dadurch auch die erste Möglichkeit, sich in seinem Spezialgebiet zu profilieren.

Die 567 m lange Hängebrücke überspannt den Rhein und war bei ihrer Fertigstellung mit einer Hauptspannweite von 378 m die längste Hängebrücke Europas. Auch in Deutschland setzte Fritz Leonhardt damit neue Maßstäbe für den Brückenbau.

Bisher waren Brücken eher eine wuchtige, massive Angelegenheit. Schwerer Stahl für Hängebrücken und massiver Stein für Rundbogenbrücken, das war der Standard in Deutschland vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Fritz Leonhardt ging einen anderen Weg. Er nutzte sein Wissen aus den USA, um Europa zu zeigen, wie effizient und ästhetisch Brücken in Leichtbauweise aussehen können.

Das Fahrbahntragwerk der Rodenkirchener Brücke wirkte, ebenso wie die Fahrbahndicke von 19 cm, sehr schlank. Der Stahlhohlkasten mit Querträgern reduzierte ihr Eigengewicht deutlich. Nur dadurch war eine solche Spannweite überhaupt möglich. Die klaren Linien der Hängeseile und die schlanken Türme wirkten ungewöhnlich ästhetisch, gerade neben den anderen Brücken ihrer Zeit.

Die Brücke kombinierte internationale Einflüsse mit deutscher Ingenieurbaukunst. Damit wurde sie zu einer Inspiration für den Brückenbau in ganz Europa. Sie verbindet beide Teile des Kölner Autobahnrings miteinander und war mit 13,9 Mio. Reichsmark das teuerste Bauwerk der Reichsautobahn, das tatsächlich noch vor Kriegsende fertiggestellt wurde. Besonders auffällig sind die monumentalen Tore am Brückenkopf.

Im Laufe der Zeit wurde die Brücke erweitert und damit an die steigende Verkehrslast angepasst. Von 1990 bis 1994 wurden die vier Fahrstreifen auf sechs ausgebaut. Doch das war nicht die erste große Baumaßnahme, denn die erst 1940 fertiggestellte Brücke fiel am 28. Januar 1945, zwei Wochen nachdem Bomben sie getroffen hatten, in sich zusammen. Der Wiederaufbau erfolgte, das bereute Fritz Leonhardt nach eigenen Aussagen sehr, ohne seine Beteiligung, wohl aber nah am Original.

Erste große Schrägseilbrücke Deutschlands: Die Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf

Um den Verkehr durch die Düsseldorfer Innenstadt zu entlasten, erteilte die Stadt 1952 einen Auftrag für die Errichtung einer Brücke über den Rhein. Fritz Leonhardt arbeitete bei diesem Projekt an der Seite des Architekten Friedrich Tamm und setzte dessen Ideen in seinen Berechnungen um.

Bei den drei Jahre andauernden Bauarbeiten kam es zu einem Zwischenfall. Im März 1956 löste sich ein Brückenstück bei der Montage und fiel in den Rhein. Trotzdem wurden die Arbeiten bereits Ende 1957 beendet und die Brücke am 19. Dezember eingeweiht.

Die Schrägseilbrücke an sich hat eine Länge von 476 m. Auf einer Seite schließt sich die 462 m lange Vorlandbrücke über das Hochwasserbett an. Die Spannweite der Hauptöffnung direkt über dem Rhein misst 260 m, die beiden seitlichen Öffnungen ziehen sich über 108 m. Damit war die Theodor-Heuss-Brücke die erste große Schrägseilbrücke Deutschlands.

Die Nordbrücke, wie sie noch heute im Volksmund heißt, erhielt ihren endgültigen Namen am 31. Januar 1964. Benannt wurde sie nach dem Deutschen Bundespräsidenten und Düsseldorfer Ehrenbürger Theodor Heuss, der 1963 verstorben war.

Wie die meisten Brücken dieser Zeit wurde der Verkehr in den vergangenen Jahrzehnten zu einer großen Belastung. Täglich überquerten die Theodor-Heuss-Brücke etwa 100.000 Fahrzeuge – das war im Jahr 2002. Mit der Freigabe der Flughafenbrücke entspannte sich die Lage allerdings recht schnell.

Seit dem 24. November 2016 steht die Theodor-Heuss-Brücke unter Denkmalschutz. Etwa drei Jahre später machte sich die zunehmende Verkehrslast bemerkbar und der Brücke erging es wie vielen anderen alten Infrastruktur-Projekten.

Sie wurde wegen zu geringer Traglast gesperrt, zumindest für Fahrzeuge mit über 30 t zulässigem Gesamtgewicht. So geht es vielen Brücken in Deutschland. Wollt ihr wissen, woran das liegt? Dann schaut euch doch diesen Blogbeitrag etwas genauer an: Marode Brücken in Deutschland .

Fritz Leonhardt und der Aufstieg des Spannbetons

Erste Versuche, mit Spannbeton zu arbeiten, gab es schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Doch da hatte man noch genug Stahl. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sah das anders aus. Auch in Deutschland. Viele Brücken waren zerstört worden und Stahl war mehr als knapp. Es galt, die kaputten Brücken schnell und kostengünstig wieder hochzuziehen.

Für dieses Vorhaben, das erkannte nicht nur Fritz Leonhardt, war Spannbeton wie geschaffen. Was bedeutete der Umstieg auf Spannbeton im Vergleich zum herkömmlichen Stahl oder Stahlbeton?

  • hohe Vorspannung des Betons
  • hohe Vorspannkraft durch Verkürzung dank Kriechen und Schwinden
  • kleinere Querschnittsabmessungen
  • Einsparung an Eigengewicht
  • größere Spannweiten möglich

Nachdem Fritz Leonhardt den Aufsatz eines französischen Kollegen zum Spannbeton gelesen hatte, widmete auch er sich diesem Thema. Unter seiner Leitung entstand die Elzbrücke Bleibach 1948 als erste deutsche Spannbetonbrücke im Schwarzwald. Doch dabei blieb es nicht.

Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Willi Baur entwickelte er ab 1949 das Konzentrierte Spannverfahren Baur-Leonhardt. Zum ersten Mal wandten sie es bei der Elzbrücke Emmendingen an. Vier Jahre später, 1953, gab Fritz Leonhardt seine Abhandlung zu Spannbeton für die Praxis heraus. In Ländern, die nicht französisch sprachen, erlangte diese eine große Bedeutung und gilt noch heute als relevant für die Baupraxis.

Ebenfalls mit seinem Kollegen Willi Baur schuf Leonhardt bei der Errichtung einer Brücke über den Río Caroní in Venezuela das Taktschiebeverfahren. In Deutschland angewandt wurde es erstmals im Jahr 1967 bei der Taubertalbrücke.

Fritz Leonhardt: Beteiligung an Großprojekten

Nicht nur seine eigenen Projekte erregten weltweit Aufsehen. Fritz Leonhardt arbeitete an etlichen Großprojekten mit – und das äußerst erfolgreich. Ein Beispiel dafür, das wir euch näher vorstellen möchten, ist die Konstruktion des Olympiastadions in München.

Olympiastadion München

Eines der bekanntesten Bauwerke des letzten Jahrhunderts ist das Olympiastadion in München. Nur drei Jahre dauerte der Bau und endete in einer enormen technischen Leistung der damaligen Ingenieurskunst.

Das Architekturbüro Behnisch & Partner übernahm den Entwurf des Gebäudes, während sich Frei Otto und das Büro Leonhardt + Andrä der gigantischen Zeltdachkonstruktion widmeten. Mit unglaublichen 74.800 m² Fläche ist dieser Überbau zweifellos beeindruckend.

Das Zeltdach besteht aus einer vorgespannten Seilnetzkonstruktion, gehalten von zwölf Pylonen. Dieses Netz aus Stahlseilen trägt sozusagen eine Haut aus Glas. Das Acrylglas hat die Eigenschaft, transluzent zu sein. Es lässt zwar Licht hindurch, wirkt dabei aber nicht transparent. Dadurch entstehen keine starken Schlagschatten unten im Stadion, die Veranstaltungen beeinflussen könnten.

Das Seilnetz ist nicht nur dehnbar, sondern wurde in höchster Präzision vorgefertigt, gehalten von Erdankern. Außerdem war das Dach des Olympiastadions der erste große Einsatz von CAD-Software. Viele der hier angewandten Techniken wurden speziell für den Bau des Olympiastadions entwickelt. All diese neuen Erkenntnisse stellten die Weichen für neue, moderne Wege im Ingenieurwesen.

Ursprünglich war das Stadion nur für die Olympischen Spiele geplant, blieb allerdings auch danach noch bestehen. Die beeindruckende Konstruktion an sich hat da mit Sicherheit ihren Teil beigetragen. Bis 2005 war das Olympiastadion München Heimstadion des FC Bayern München, dann zog die Mannschaft in die Allianz-Arena um.

Nach zwei umfangreichen Sanierungen wird das Stadion heute vor allem für Veranstaltungen wie Open Air Konzerte genutzt. Im Jahr 2023 wurde das unter Denkmalschutz stehende Bauwerk als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland ausgezeichnet.

Der Ingenieur Fritz Leonhardt

Auch abseits seiner Bauwerke war Fritz Leonhardt nicht untätig – im Gegenteil. Beispielsweise war er von 1957 bis 1974 Professor für Massivbau der TH Stuttgart. Von 1967 bis 1969 arbeitete er dort sogar als Rektor. In den Jahren 1966 bis 1968 war er Vorstandsmitglied des VDI (Verein Deutscher Ingenieure) und gründete 1961 zusammen mit Volker Hahn (Züblin) und Friedrich Wilhelm Bornscheuer die Firma RIB Software. Gemeinsam entwickelten sie Softwarelösungen für das Bauwesen.

Außerdem war Fritz Leonhardt maßgeblich daran beteiligt, Typentürme zu entwerfen, die für das Richtfunknetz unentbehrlich waren. Er interessierte sich in seinen Forschungen und Lehren vor allem für den Leichtbau, besonders im Bereich Hoch- und Brückenbau. Wann immer er an herausragenden Projekten mitgearbeitet hatte, wuchs die weltweite Nachfrage an der Arbeit seines Ingenieurbüros. So plante sein Team nach der Theodor-Heuss-Brücke weltweit weitere Schrägseilbrücken.

Fritz Leonhardt verstarb am 30. Dezember 1999. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Stuttgart. Und sein Büro? Das existiert heute noch. Vielmehr hat er der Baubranche aber seine Haltung zur Vereinbarkeit der Rollen Ingenieur und Gestalter vermacht.

Fazit zu Fritz Leonhardt als Ingenieur

Was nehmen wir also für unser modernes Bauen mit? Schließlich ist Leonhardt bereits seit über einem Vierteljahrhundert tot. Die Antwort ist so simpel wie auch komplex: eine ganze Menge! Denn Leonhardt hat das Bauen in Deutschland nachhaltig geprägt.

Leonhardts Bauwerke zeigen uns, dass sich Ästhetik und Funktionalität keinesfalls gegenseitig ausschließen. Eine andere Persönlichkeit der Baubranche hat ebenfalls versucht, diese zwei Aspekte – Architekt und Ingenieur – in sich zu vereinen. Den Blogbeitrag dazu findet ihr hier: Zwischen Eleganz und Eskapade: Santiago Calatrava .

Im Falle von Fritz Leonhardt hat diese Synergie allerdings funktioniert, mehr als erfolgreich. Er wusste, dass Ingenieure nicht nur einfach die Infrastruktur prägen, sondern ganze Kulturlandschaften. Viele seiner Bauwerke stehen noch heute und haben längst einen Platz im Herzen jedes Menschen, der sich für Architektur und Ingenieurskunst interessiert.

Schließlich beginnt Nachhaltigkeit mit einer guten Konstruktion. Ist ein Bauprojekt von Anfang an entsprechend geplant, wird es auch halten und überdauern. Und nichts ist nachhaltiger als ein Bauwerk, das auch nach Jahrzehnten noch steht. Die Konstruktionen von Fritz Leonhardt bleiben im Gedächtnis. Nicht nur das, sie haben schon tausende weitere Ingenieure inspiriert – und werden es auch noch in Zukunft tun.


Autor

Frau Ruthe ist im Marketing als Copywriterin zuständig für die Erstellung kreativer Texte und packender Headlines.



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