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001866
22. Dezember 2023

Bestimmung des Empfindlichkeitsbeiwertes zur Untersuchung der Notwendigkeit der Theorie II. Ordnung für dynamische Analysen

Für die Beurteilung, ob bei einer dynamischen Berechnung auch die Theorie II. Ordnung berücksichtigt werden muss, stellt die EN 1998-1 Abschnitt 2.2.2 und 4.4.2.2 den Empfindlichkeitsbeiwert der gegenseitigen Stockwerksverschiebung θ zur Verfügung. Dieser kann mit RFEM 6 und RSTAB 9 berechnet und untersucht werden. Der Beiwert θ lautet:$$\mathrm\theta\;=\;\frac{\displaystyle{\mathrm P}_\mathrm{tot}\;\cdot\;{\mathrm d}_\mathrm r}{{\mathrm V}_\mathrm{tot}\;\cdot\;\mathrm h}\;$$

Empfindlichkeitsbeiwert θ

Der Empfindlichkeitsbeiwert θ ist wie folgt definiert [1]:
$$\mathrm\theta\;=\;\frac{\displaystyle{\mathrm P}_\mathrm{tot}\;\cdot\;{\mathrm d}_\mathrm r}{{\mathrm V}_\mathrm{tot}\;\cdot\;\mathrm h}\;$$
mit

  • θ = Empfindlichkeitsbeiwert der gegenseitigen Stockwerksverschiebung
  • Ptot = Gesamtgewichtskraft im und oberhalb des betrachteten Geschosses, betrachtet in der Be­messungssituation Erdbeben
  • dr = gegenseitige Stockwerksverschiebung ermittelt als Differenz der horizontalen Verschiebungen dS oben und unten im betrachteten Geschoss, dabei werden die Verschiebungen mit Hilfe des linearen Bemessungsantwortspektrums mit q = 1,0 ermittelt
  • Vtot = Gesamterdbebenkraft des betrachteten Geschosses, ermittelt mit Hilfe des linearen Bemessungsantwortspektrums
  • h = Geschosshöhe

Im Folgenden wird anhand des Beispiel eines Stahlbetongebäudes mit einem Erdgeschoss und sechs Obergeschossen die Vorgehensweise zur Berechnung des Empfindlichkeitsbeiwertes aufgezeigt.

Für die Berechnung des Empfindlichkeitsbeiwertes werden die Add-Ons Modalanalyse, Antwortspektrenverfahren und Gebäudemodell verwendet.
Nach der Modellierung des Gebäudes müssen mit Hilfe des Add-Ons Gebäudemodell Geschosse definiert werden.

Dann wird nur noch eine Berechnung nach dem Antwortspektrenverfahren benötigt.

Sind die Eingaben abgeschlossen, so können nach der Berechnung auch schon die Ergebnisse untersucht werden. Dabei sind wichtige Kennwerte für die dynamische Analyse in der Ergebnistabelle der Spektralanalyse zu finden. Im Reiter "Ergebnisse nach Geschossen" kann auch der Empfindlichkeitsbeiwert der einzelnen Geschosse untersucht werden.

Nach der Berechnung des Empfindlichkeitsbeiwertes der gegenseitigen Stockwerksverschiebung erfolgt nach DIN EN 1998-1 Abschnitt 2.2.2 und 4.4.2.2 [1] eine Fallunterscheidung zur Relevanz der Theorie II. Ordnung:

Fallunterscheidung Theorie II. Ordnung

1. Empfindlichkeitsbeiwert θ ≤ 0,1

Theorie II. Ordnung muss nicht berücksichtigt werden.

2. Empfindlichkeitsbeiwert 0,1 < θ ≤ 0,2

Die Theorie II. Ordnung darf näherungsweise mit einem Faktor 1 / (1-θ) berücksichtigt werden.

3. Empfindlichkeitsbeiwert 0,2 < θ ≤ 0,3

Die Theorie II. Ordnung muss direkt berücksichtigt werden. Dies kann durch eine Anpassung der geometrischen Steifigkeitsmatrix in RFEM 6 und RSTAB 9 umgesetzt werden. Genauere Informationen hierzu finden Sie im Fachbeitrag KB 001867, "Berücksichtigung der Theorie II. Ordnung in einer dynamischen Analyse in RFEM 6 und RSTAB 9" .

4. Empfindlichkeitsbeiwert 0,3 < θ

Der Tragwerksentwurf ist unzulässig und erfordert eine Überarbeitung.


Autor

Herr Eichner betreut die Entwicklung im Bereich Dynamik und unterstützt unsere Anwender im Kundensupport.

Links
Referenzen
  1. Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben - Teil 1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für Hochbauten; EN 1998-1:2004/A1:2013
  2. Eurocode 0: Grundlagen der Tragwerksplanung; DIN EN 1990:2010-12
  3. Werkle, H.: Finite Elemente in der Baustatik, 3. Auflage. Wiesbaden: Vieweg & Sohn, 2008