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7. September 2023

Baustil Barock: Prunk, Pracht und Dramatik

Die sogenannte Epoche der Gegensätze brachte die prunkvollsten Schlösser und Kirchen Europas hervor. Der Absolutismus und die katholischen Kirche demonstrierten ihre Macht in Form der barocken Architektur. Was macht den Baustil des Barock aus und können wir für modernes Bauen sogar etwas daraus lernen?

In der Renaissance blickten Baumeister zurück auf die Vergangenheit. Sie nutzten das alte Wissen der Antike und entwickelten die Ideen sowie antike Techniken weiter. Dadurch schufen sie beeindruckende Bauwerke. Oft ging es darum, die Erhabenheit und Macht des jeweiligen Herrschers zu demonstrieren.

In der darauf folgenden Epoche verstärkte sich dieser Effekt noch einmal. Das 17. und 18. Jahrhundert war von Umschwung und Rebellion geprägt. Erbfolgekriege, Revolutionen gegen die absolutistischen Herrscher: In dieser Epoche der Gegensätze standen vanitas und memento mori direkt der opulenten Lebensfreude carpe diem gegenüber.

Viele Monarchien schwankten gefährlich auf ihren Abgrund zu. Das Volk hinterfragte die gottgegebene Herrschergewalt der Königshäuser. Auch die katholische Kirche war nach der Reformation durch Martin Luther deutlich angeschlagen. Grund genug, sich mehr dem Volk zuzuwenden, um das Vertrauen der Leute zu gewinnen? Weit gefehlt.

Viel mehr sollte der Herrschaftsanspruch des Absolutismus und der katholischen Kirche so deutlich wie möglich hervorgehoben werden. Kein Wunder also, dass in dieser Epoche die prunkvollsten Schlösser und Kirchen entstanden. Was macht den Baustil des Barock also aus?

Merkmale der Barock-Architektur

Wer einmal vor einem barocken Prachtbau steht, der weiß um die weitläufigen Anlagen rund um das oder die Hauptgebäude. Symmetrisch angelegte Gärten warten mit aufwendigen Wasserspielen auf, die dank hydraulischer Anlagen ein Kunstwerk für sich sind.

Statt Schlichtheit oder Demut zu zeigen, besticht der Barock mit einem starken Hang zur Opulenz. Ob Kunst oder Architektur: Überall fallen aufwändige Dekorationen, reich verzierte Skulpturen und kostbare Materialien wie Marmor und Gold ins Auge.

Fassade und Innengestaltung waren stets geprägt von geschwungenen dynamischen Linien und geradezu theatralischen Inszenierungen auf detaillierten Fresken oder in Form von kunstvollen Verzierungen. Die Gegenreformation wurde von der katholischen Kirche mit allen Mitteln vorangetrieben, so auch durch Kunst und Architektur. Viele dieser Inszenierungen zeigten also kirchliche Motive. Als würde sie kritische Stimmen einfach verstummen lassen, wenn sie nur laut genug nach Prunk schreien.

Barocke Gebäude sind oft bereits durch ihre Fassade zu erkennen. Starke Symmetrie und ein zentraler, betonter Eingang prägen den ersten Eindruck. Was als nächstes auffällt, sind möglichst große Kuppeln und hohe Türme, welche vor die allem Macht von Monarchie und Kirche nach außen demonstrieren sollen.

Außerdem ist die geradezu inflationäre Verwendung von Gold und Marmor auffällig. Dazu kommt noch die starke Farbgebung der Gebäude. Zurückhaltende Pastellfarben oder harmonische Erdtöne suchen Besucher dieser Bauwerke oft vergeblich.

Im Innenbereich sorgen zusätzlich illusionistische Kunstwerke, Spiegel und Stuckarbeiten an Decken und Wänden dafür, dass sich Besucher gleichzeitig verloren und erschlagen fühlen: eine reine Machtdemonstration. Die meisterhafte Verwendung von Licht und Schatten durch großflächige Fenster verstärkt diesen Effekt noch weiter. Eine gewisse Dramatik zieht sich durch das gesamte Bauwerk.

Beispiele für barocke Baukunst

Viele bekannte Bauwerke aus Zeiten von Absolutismus und Gegenreformation sind im markanten Stil des Barock errichten worden. Wir stellen euch einige von ihnen etwas genauer vor und sehen uns die jeweiligen Besonderheiten an. Jede Region zeigt dabei spezielle Eigenarten und Interpretationen des barocken Stils. Eines haben sie jedoch gemeinsam: Prunk, Pracht und einen Hang zur Dramatik.

Schloss Versailles

Versailles, Frankreich

Den Anfang macht das wohl berühmteste Bauwerk dieser Epoche. Das Schloss Versailles wurde zahlreiche Male als Vorbild weiterer Schlösser und Musterbeispiel für die hohe Schlossbaukunst genommen. An Eleganz und Prunk ist es kaum zu übertreffen, dabei waren die Anfänge relativ bescheiden.

Das kleine Jagdschloss wurde im Jahr 1623 für den französischen König Ludwig XIII erbaut. Allein die Größe sorgte beim übrigen Adel für Spott und Häme. Also wurde es zwischen 1631 und 1634 zu einem Schloss mit drei Flügeln erweitert. Als Versailles 1667 zum zukünftigen Regierungssitz des Königs Ludwig XIV. erklärt wurde, musste sich etwas ändern.

Zwischen 1678 und 1697 erfolgten drei Erweiterungen des Schlosses zu einer riesigen Palastanlage. Etwa drei Prozent des Staatshaushalts verwendete der Sonnenkönig allein für Wasserversorgung und Wasserspiele der Schlossanlage.

Besonders berühmt ist der 75 m lange und 10 m breite Spiegelsaal mit 30 dem König gewidmeten Deckengemälden und insgesamt 357 Spiegeln. Bis heute war Versailles etliche Male Schauplatz besonderer Ereignisse. Hier wurde am 29. Juni 1919 der Friedensvertrag zwischen Deutschland und Frankreich unterzeichnet.

Heutzutage finden hinter den vergoldeten Toren des Palasts außerordentliche Parlamentssitzungen statt oder es werden hier hohe Staatsgäste empfangen. Im Juni 2021 eröffnete in einem Nebengebäude das Luxushotel „Grand Contrôle“.

Schloss Sanssouci

Potsdam, Deutschland

Erbaut in Auftrag von Friedrich dem Großen ist das Schloss Sanssouci ein wahres Kunstwerk. Hierhin zog sich der preußische König mit seinen Hunden am liebsten zurück. Verständlich, denn das ebenerdig gebaute Schloss und unter ihm die berühmten Weinbergterrassen sind ein echter Blickfang.

Der Name des Schlosses – ohne Sorge – geht auf den innigen Wunsch des Königs zurück, einen Ort zu schaffen, an dem er nur Ruhe und Frieden um sich hatte. Geplant war das eingeschossige Bauwerk lediglich als Sommerresidenz, allerdings verbrachte Friedrich der Große hier die meiste Zeit seines Lebens.

Nachdem der Hügel, auf dem die Anlage heute steht, für den Weinanbau terrassiert worden war, ließ Friedrich der Große dort von 1745 bis 1747 das Schloss errichten. Dabei lehnte er einen Unterkellerung oder ein weiteres Stockwerk strikt ab. Anders als viele andere barocke Bauwerke fanden hier kaum Umbauten statt. Im 19. Jahrhundert wurden lediglich ein westlicher Hofdamenflügel und ein östlicher Seitenflügel für Küche und Weinkeller angebaut.

Die barocke Vorliebe für geschwungene Linien und Kuppelbauten lässt sich hier besonders gut erkennen. Die Liebe für sein Schloss ging so weit, dass Friedrich der Große sich auf der obersten Weinbergterrasse in einer Gruft beisetzen lassen wollte. Dieser Wunsch ging jedoch erst 1991 endlich in Erfüllung, als seine Überreste dorthin überführt wurden.

Dresdner Zwinger

Dresden, Deutschland

Ebenfalls in Deutschland steht ein Palastbau, dessen Name immer mal wieder für Verwirrung sorgt: der Dresdner Zwinger. Gemütlich oder ästhetisch klingt das nicht, was wohl daran liegt, dass es sich ursprünglich um einen Platz handelte, der zwischen der inneren und äußeren Befestigungsmauer der Stadt lag. Hier wurde der eindringende Feind durch „Einzwingen“ festgesetzt. Daher stammt also der Name. Heute erinnern nur Reste der Befestigungsmauern im Zwingergraben an diese Vergangenheit.

Die Geschichte des Palastbaus begann mit August dem Starken. Dieser hatte ein sehr prägnantes Hobby: Er sammelte Orangenbäumchen und andere mediterrane Kübelpflanzen. Also erteilte er 1709 den Auftrag, auf dem Zwingerplatz eine Orangerie zu errichten, die den zarten Pflänzchen als Winterquartier dienen sollte.

Später fanden dort auch Festlichkeiten des Hofes statt, barocktypisch nicht nur als Belustigung und Unterhaltung der Hofgesellschaft, sondern vordergründig, um Reichtum und herrschaftliche Macht zu demonstrieren. Der Ausbau zu einer barocken Palastanlage zog sich über einige Jahre. Von 1712 bis 1728 wurden zahlreiche Unterbringungen und Bereiche angebaut, unter anderem eine Langgalerie und das Kronentor.

Im zweiten Weltkrieg wurde der Zwinger fast vollständig zerstört. Die Aufbau- und Restaurierungsarbeiten dauerten genau genommen bis 2017 an. Denn erst dann zogen wieder Orangenbäumchen ein und komplettierten den Palastbau in alter Schönheit. Auch heute ist gerade der Innenhof eine wahre Ruheoase inmitten der Stadt.

Schloss Schönbrunn

Wien, Österreich

Wir verlassen Deutschland und werfen einen Blick auf das Nachbarland Österreich. Hier ist ein barockes Schloss Wahrzeichen der Hauptstadt Wien: das Schloss Schönbrunn. Wie die meisten berühmten Barockanlagen wurde es im 17. Jahrhundert unter Leopold I. zunächst als Jagdschloss errichtet. Kaiserin Maria Theresia ließ es nach 1743 zu einer prächtigen Residenz ausbauen.

Gerade an der Fassade zeigt sich der bereits angesprochene Herrschaftsanspruch der Habsburger als typisches Merkmal des Barocks. Kaiser Joseph II. verordnete in 1780er-Jahren, alle Bauwerke des Staates Österreich und des Hauses Habsburg in diesem speziellen Ocker-Farbton zu streichen. Noch heute wird dieser als „Schönbrunner Gelb“ bezeichnet.

Schönbrunn ist ein geschichtsträchtiger Ort. Im Jahr 1762 verhandelten die europäischen Mächte in den Räumen des Schlosses über die Neuordnung Europas, bekannt als Wiener Kongress. Napoleon Bonaparte residierte hier und unterzeichnete 1805 den Frieden von Schönbrunn mit Österreich.

Mit dem Ende der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg wurde Schönbrunn zu einem öffentlichen Museum umgewandelt, erlitt während des Zweiten Weltkriegs allerdings schwere Schäden und wurde sorgfältig restauriert.

Heute ist Schönbrunn eine der schönsten Barockanlagen Europas. Die Anlage zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe und umfasst neben dem Schloss Schönbrunn einen Tierpark, den Gloriette-Pavillon, ein Wüstenhaus sowie den berühmten Neptunbrunnen.

Königspalast Madrid

Madrid, Spanien

Wer den Königspalast in Madrid besuchen möchte, sollte eine Sonnenbrille mitnehmen. Nicht nur wegen der Sonne, denn die Außenmauern des Palastes sind aus Granit und Kalkstein errichtet: strahlendes Weiß, so strahlend, dass es beinahe blendet. Mit seinen 135.000 Quadratmetern Grundfläche und 3.418 Räumen sichert sich der Königspalast die Position als größtes königliches Schloss in Europa.

Bevor hier der Königspalast stand, befand sich am gleichen Platz die Festung Alcázar. Diese galt zwar als offizielle Residenz des spanischen Königs, war diesem Titel allerdings kaum würdig. Beinahe ein Glücksfall also, dass am Heiligabend 1734 die gesamte Festung niederbrannte. Ein Ersatz musste her, barocktypisch natürlich so prunkvoll wie möglich!

Philipp V. gab den Neubau in Auftrag und 1738 begannen die Arbeiten, welche erst im Jahr 1764 beendet waren. Es entstand ein opulenter Barockbau mit Einflüssen der italienischen Renaissance. Ausschließlich Spezialisten dieser Zeit legten Hand an dieses bauliche Kunstwerk. Wie die meisten barocken Residenzen wurde auch der Königspalast erweitert. König Karl III. gab Umbauten und den weiteren Ausbau des Palastes in Auftrag.

Über das riesige Palastgelände verteilt sind zahlreiche Skulpturen verschiedener Mitglieder der königlichen Familie sowie historischer Persönlichkeiten zu finden. Nach wie vor ist es die offizielle Residenz der Spanischen Königsfamilie. Heute sind im Palast Museen zuhause. Genutzt wird er außerdem für Empfänge, Zeremonien und offizielle Anlässe. Die Könige von Spanien haben ihren Wohnsitz im Zarzuela-Palast.

Fazit: Baukunst des Barock

Wir können zusammenfassen, dass sich im Barock ähnliche Motive zeigen, wie bereits in der Gotik und Renaissance. Durch die Architektur sollte vor allem Macht demonstriert werden. Markante Merkmale des Barock sind die bunten Farben und opulenten Verzierungen aus Gold, Marmor und anderen kostenintensiven Materialien.

Reichtum, Macht und Ruhm: Das waren die Leitmotive hinter dem Großteil barocker Prunkbauten. In unserer modernen Baubranche denken wir natürlich oftmals etwas anders. Was aber können wir uns für unser Bauwesen von den Baumeistern des Barock mitnehmen?

Was wir aus dem Barock lernen können

Visuelle Harmonie in der Architektur wurde im Barock großgeschrieben. Die ästhetischen Verzierungen schmiegten sich an gebogene, organische Linien und schufen damit ein dynamisches Gesamtbild, das Blicke auf sich zieht. Bauen war zu Zeiten des Absolutismus eine Kunst und das wurde in jedem dieser Gebäude mehr als deutlich. Etwas mehr Ästhetik, gerade bei Fassaden an öffentlichen Gebäuden, wäre auch in unserer heutigen Zeit wünschenswert. Schmucklose Betonquader sehen nun einmal nicht schön aus, egal aus welcher Perspektive.

Damit barocke Bauwerke in sich funktionieren konnten, arbeiteten etliche Berufsgruppen zusammen. Dazu gehörten auch Künstler, wie Maler und Bildhauer sowie Gartenbauer und Techniker, die sich um die hydraulischen Anlagen für die Bewässerung kümmerten. Nur gemeinsam konnte es ihnen gelingen, eine in sich abgeschlossene, einzigartige Anlage zu erschaffen. Sie hatten das große Ganze, das Ziel im Auge.

Dieses Denken fehlt heute in der Bauindustrie. Viele Berufsgruppen arbeiten nebeneinander am gleichen Bauprojekt, das am Ende scheitert oder bei dem es es zu Problemen kommt, wenn keine klaren Absprachen getroffen werden. Das könnten wir verhindern, indem von Beginn an alle Beteiligten in die Planung einbezogen werden würden.

Auch in Sachen Haltbarkeit und Nachhaltigkeit waren barocke Baumeister besser aufgestellt. Die Verwendung von langlebigen Materialien wie Sandstein hielt die Bausubstanz auch unter der Last von Jahrhunderten stabil. Umbauten war ebenso wenig ein Problem. Es wurden keine Gebäude abgerissen, um sie neu zu bauen, sondern mit dem Bestand gearbeitet.

In unserer modernen Welt werden leider viel zu viele Bauwerke einfach abgerissen. Nicht, da sie am Ende ihrer Lebenszeit angekommen waren, sondern schlicht aus dem Unwillen heraus, mit dem Bestand als Grundlage an einer Lösung zu arbeiten. Etwas mehr Kreativität, Flexibilität und innovatives Denken würde sicherlich zu wunderschönen umgenutzten Gebäuden führen. Ohne dass wir unsere Umwelt weiter unnötig belasten müssten.


Autor

Frau Ruthe ist im Marketing als Copywriterin zuständig für die Erstellung kreativer Texte und packender Headlines.



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