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17. April 2024

ASCE 7-22 und NBC 2020 Berücksichtigung seismischer P-Delta in RFEM 6

Die Norm ASCE 7-22 [1], Abschn. 12.9.1.6 legt fest, wann P-Delta-Effekte berücksichtigt werden sollten, wenn ein multimodales Antwortspektrenverfahren für die Erdbebenbemessung durchgeführt wird. Im NBC 2020 [2], Sent. 4.1.8.3.8.c stellt nur eine kurze Anforderung dar, dass Schwingungseffekte aufgrund der Wechselwirkung von Gewichtskräften mit der verformten Struktur berücksichtigt werden sollten. Daher kann es Situationen geben, in denen Auswirkungen nach Theorie II. Ordnung, auch P-Delta genannt, bei der Erdbebenanalyse berücksichtigt werden müssen.

ASCE 7-22 und P-Delta-Effekte

Norm ASCE 7-22 [1], Abschn. 12.9.1.6 verweist weiter auf Abschnitt 12.8.7 [1], in dem festgehalten ist, dass P-Delta nicht berücksichtigt werden muss, wenn der Stabilitätskoeffizient (θ), der durch die folgende Gleichung bestimmt wird, gleich oder kleiner als 0,10 ist.

Dabei ist
Px = gesamte vertikale Bemessungslast im und oberhalb des Stockwerks x gemäß Abschn. 12.8.6.1 [1] (alle Lastfaktoren gleich oder kleiner als 1,0)

Vxse = Geschosssteifigkeit im Stockwerk x, berechnet als seismischer Bemessungsschub Vx, geteilt durch die entsprechende elastische Geschossverschiebung Δse

hsx = Stockwerkshöhe unter dem betrachteten Geschoss x

Die Norm schreibt weiterhin vor, dass θ den in der folgenden Gleichung angegebenen Wert von θmax nicht überschreiten sollte, da die Struktur möglicherweise unsicher ist und neu bemessen werden sollte.

Dabei ist
Cx = Verformungsverstärkungsfaktor nach Tabelle 12.2-1

β = Verhältnis der Schubanforderung zur Bemessungsschubtragfähigkeit für das Geschoss zwischen den Stockwerken X und x-1 (konservativ als 1.0 angenommen, aber nicht weniger als 1.25/Ω0 )

Wenn θx kleiner als 0,10 ist, können P-Delta-Effekte ignoriert werden. Wenn θx größer als 0,40 ist, sollte die Struktur neu bemessen werden, da sie bei extremen Erdbeben als unsicher gilt. Für 0,10 ≤ θx ≤ 0,40 können die durch Erdbeben verursachten Kräfte und Momente mit einem Vergrößerungsfaktor von (1+θx ) multipliziert werden, um P-Delta zu berücksichtigen. Dieser Vergrößerungsfaktor muss nicht auf Verschiebungen angewendet werden.

NBC 2020 und P-Delta-Effekte

In S. 4.1.8.3.8.c des NBC 2020 [2] wird nur eine kurze Anforderung an die Berücksichtigung von Schwingungseffekten aufgrund der Wechselwirkung von Gewichtskräften mit der verformten Struktur genannt. Der Kommentar zu NBC 2015 [3] enthält jedoch ähnliche Erklärungen wie die Norm ASCE 7, wonach der Stabilitätsfaktor (θx ) im Stockwerk x mit der unten angegebenen Gleichung berechnet werden sollte.

Dabei ist

Ro = Kraftmodifikationsbeiwert aufgrund Überfestigkeit

Δmx = maximale inelastische gegenseitige Stockwerksdurchbiegung

hs = Zwischengeschosshöhe

Wenn θx kleiner als 0,10 ist, können P-Delta-Effekte ignoriert werden. Wenn θx größer als 0,40 ist, sollte die Struktur neu bemessen werden, da sie bei extremen Erdbeben als unsicher gilt. Für 0,10 ≤ θx ≤ 0,40 können die durch Erdbeben verursachten Kräfte und Momente mit einem Vergrößerungsfaktor von (1+θx ) multipliziert werden, um P-Delta zu berücksichtigen. Dieser Vergrößerungsfaktor muss nicht auf Verschiebungen angewendet werden.

Ungefähre Berücksichtigung von P-Delta-Effekten mit Vergrößerungsfaktoren

Der Wert des Stabilitätsfaktors sollte in beiden orthogonalen horizontalen Richtungen berechnet werden, um zu bestimmen, ob P-Delta ein Problem darstellt. Die erforderliche Geschossverschiebung Δ, die zur Berechnung des Stabilitätskoeffizienten sowohl in ASCE 7-22 als auch in NBC 2020 erforderlich ist, wird jetzt in RFEM 6 mit dem Add-On Gebäudebemessung automatisch gegeben. Für jede Geschossebene wird die relevante Geschossverschiebung wie in Bild 01 gezeigt tabellarisch ausgegeben.

Wenn für eine oder beide Richtungen der Einfluss der Theorie II. Ordnung in den angegebenen Bereichen berücksichtigt werden muss, kann der Faktor 1.0/(1-θ) aus der Norm ASCE 7-22 oder (1+θx ) aus der Norm NBC 2020 problemlos berücksichtigt werden RFEM 6 und das Add-On Antwortspektrenverfahren. Alle resultierenden Kräfte und/oder Durchbiegungen werden um den eingestellten Wert verstärkt.

Genauere Berücksichtigung von P-Delta-Effekten mit der geometrischen Steifigkeitsmatrix

Obwohl Nebeneffekte mit den oben genannten Verstärkungsfaktoren geschätzt werden können, ist dies ein konservativerer Ansatz. Für Szenarien, in denen große Stockwerksverschiebungen auftreten oder P-Delta-Effekte genauer berechnet werden müssen, kann der Einfluss von Normalkräften im Add-On Antwortspektrenverfahren aktiviert werden.

Wenn eine dynamische Analyse durchgeführt wird, sind die typischen nichtlinearen iterativen Berechnungen für Einflüsse aus Theorie II. Ordnung bei Berücksichtigung einer statischen Analyse nicht mehr anwendbar. Das Problem muss linearisiert werden, indem die geometrische Steifigkeitsmatrix während der Berechnung aktiviert wird. Bei diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass sich vertikale Lasten aufgrund horizontaler Effekte nicht ändern und dass die Verformungen im Vergleich zu den Gesamtabmessungen der Struktur gering sind [2].

Das Konzept hinter der geometrischen Steifigkeitsmatrix ist der Spannungsversteifungseffekt. Axiale Zugkräfte führen zu einer erhöhten Biegesteifigkeit eines Stabes, während axiale Druckkräfte zu einer verringerten Biegesteifigkeit führen. Dies kann am Beispiel eines Seils oder eines schlanken Stabes leicht demonstriert werden. Wenn der Stab einer Zugkraft ausgesetzt ist, ist die Biegesteifigkeit signifikant größer als wenn der Stab einer Druckkraft ausgesetzt ist. Bei Druck weist der Stab eine sehr geringe oder gar keine Biegesteifigkeit auf, um einer aufgebrachten seitlichen Belastung standzuhalten.

Die geometrische Steifigkeitsmatrix Kg kann aus den statischen Gleichgewichtsbedingungen abgeleitet werden.

Zur Vereinfachung werden nur die Freiheitsgrade der horizontalen Verschiebungen dargestellt. Die gezeigte Herleitung beruht dem Ansatz des Versatzmomentes auf Basis eines linearen Verschiebungsansatzes. Dies ist für das Biegeelement eine Vereinfachung, beim Fachwerkelement eine exakte Annahme. Es gilt zu beachten, dass die Matrix nur von der Länge des Elements und der Normalkraft abhängt.

Eine genauere Ermittlung der geometrischen Steifigkeitsmatrix für Biegebalken kann unter Verwendung eines kubischen Verschiebungsansatzes oder mit Hilfe der analytischen Lösung der Differentialgleichung der Biegelinie erfolgen. Genauere Informationen und Herleitungen werden von Werkle [4] bereitgestellt.

Die geometrische Steifigkeitsmatrix Kg wird der Systemsteifigkeitsmatrix K hinzugefügt und ergibt die modifizierte Steifigkeitsmatrix Kmod:

Kmod = K + Kg

Im Falle von Drucknormalkräften führt dies folglich zu einer Verringerung der Steifigkeit.

Beispiel für eine geometrische P-Delta-Steifigkeitsänderung in RFEM 6

Die Anwendung der Steifigkeitsreduzierung unter Verwendung der geometrischen Steifigkeitsmatrix zur Berücksichtigung von Einflüssen aus Theorie II. Ordnung (P-Delta) in einer Antwortspektrenverfahren wird in RFEM 6 an einer einfachen Auslegerkonstruktion durchgeführt. Der Stab hat einen Querschnitt W 12x26 und das Material A992 mit Iy = 204 in4 und E = 29000 ksi. Jedes der (5) Stockwerkshöhen ist 1,5 m bei einer Gesamthöhe von 7,6 m.

Unter Vernachlässigung des Eigengewichts wird eine Eigenlast von 1,5 kip auf jeder Ebene unter LF 1 aufgebracht: Eigengewicht sowie 3 kip Nutzlast auf jeder Ebene unter LF2: Live. Die Zusätzliche Einstellungen unter LF2 sind aktiviert, um 25 % der Nutzlast automatisch bei der Massenkombination zu berücksichtigen.

Die Bemessungssituation BS1: Zur automatischen Erzeugung der Massenkombination LK1 wird das Effektive seismische Gewicht definiert: D + 0,25L. Nach der Massenumwandlung werden insgesamt 1050 kg in jeder Ebene in X-Richtung für die weitere Erdbebenanalyse berücksichtigt.

Mit dem Add-On Modalanalyse können Eigenformen und effektive Modalmassen einer Struktur ermittelt werden. Es ist möglich, einen Anfangszustand zu berücksichtigen, der eine Steifigkeitsmodifizierung basierend auf definierten Lastfällen und Lastkombinationen vornimmt. Zwei Modalanalyse-Lastfälle sind definiert. Das erste ist LF3: Modal – ohne Steifigkeitsänderungen, um die Modalanalyse ohne Steifigkeitsänderungen durchzuführen.

Für LF4: Modal – mit Steifigkeitsänderungen ist die Option Anfangszustand berücksichtigen aktiviert. Der hier importierte Lastfall oder die Lastkombination soll die höchsten Drucknormallasten auf dem Tragwerk berücksichtigen. Für dieses Beispiel wird die Massenkombination LK1 zur Näherung der Einflüsse aus Theorie II. Ordnung mit geometrischen Steifigkeitsänderungen verwendet.

In der folgenden Tabelle sind die berechneten Eigenfrequenzen (f)[Hz] und Eigenperioden (T)[sec] mit und ohne Berücksichtigung der geometrischen Steifigkeitsmatrix Kg dargestellt.

Beim multi-modalen Antwortspektrenverfahren wird auf die Eigenfrequenzen des Bauwerks zurückgegriffen, um die Beschleunigungswerte aus dem definierten Antwortspektrum zu ermitteln. Aus diesen Beschleunigungswerten wird das Antwortspektrenverfahren ermittelt. Für das folgende Beispiel ist ein benutzerdefiniertes Antwortspektrum definiert. Die aus dem benutzerdefinierten Antwortspektrum für jeden Eigenwert bestimmten Beschleunigungswerte Sa [ft/s2 ] werden in der obigen Tabelle aufgelistet.

Um eine richtige Zuordnung der modifizierten Frequenzen sicherzustellen, muss bei der Definition eines Antwortspektrum-Lastfalls die gewünschte Modalanalyse ausgewählt werden. Dies bedeutet, wenn das Antwortspektrenverfahren die geometrischen Steifigkeitsänderungen berücksichtigen soll, sollte die betreffende Modalanalyse mit den zuvor definierten Steifigkeitsänderungen referenziert werden.

Beim Ansatz von Drucknormalkräften führt die Berücksichtigung der geometrischen Steifigkeitsmatrix zu niedrigeren Eigenfrequenzen der Struktur. Dies kann, wie in diesem Beispiel, zu geringeren zugehörigen Beschleunigungswerten Sa führen. Die Änderung der Eigenfrequenzen alleine reicht zur Berücksichtigung der Theorie II. Ordnung nicht aus. Tatsächlich kann das zu kleineren Ergebnissen führen, die auch falsch sein können. Daher ist es wichtig, auch bei der Berechnung der Schnittgrößen und Verformungen der Struktur die modifizierte Steifigkeitsmatrix zu verwenden. Beim RFEM-Antwortspektrenverfahren wird bei Auswahl automatisch die modifizierte Steifigkeit aus der Modalanalyse zur Ermittlung der Ergebnisse des Antwortspektrenverfahrens verwendet. Die im Antwortspektrenverfahren ermittelten Verformungen, Schnittgrößen und Lagerreaktionen mit und ohne Berücksichtigung der geometrischen Steifigkeitsmatrix sind in Bild 8 dargestellt.

Die Berücksichtigung der geometrischen Steifigkeitsmatrix führt zu größeren Verformungen und Schnittgrö­ßen. Die resultierenden Auflagerlasten hingegen sind etwas kleiner unter Berücksichtigung der geometrischen Steifigkeitsmatrix.


Autor

Amy Heilig ist CEO unserer Niederlassung in den USA mit Sitz in Philadelphia. Außerdem leistet sie vertrieblichen und technischen Support und hilft bei der Entwicklung von Dlubal-Softwareprogrammen für den nordamerikanischen Markt.

Referenzen
  1. ASCE/SEI 7-22, Minimum Design Loads and Associated Criteria for Buildings and Other Structures. (2022) ausreichend sind. Amerikanische Gesellschaft der Bauingenieure.
  2. National Forschungsrat von Kanada. (2020) angewendet. National Building Code of Canada (Bd. 1). Ottawa, ON, Kanada.
  3. Structural commentaries (User's guide - NBC 2015: part 4 of division B)
  4. Werkle, H.: Finite Elemente in der Baustatik, 3. Auflage. Wiesbaden: Vieweg & Sohn, 2008
  5. Edward L. Wilson. Three-Dimensional Static and Dynamic Analysis of Structures. Computer and Structures, Inc. Berkeley, California, USA, edition = 3rd, 2002.