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2. Januar 2020

Frage

Ich erhalte Schnittgrößen, die ich so nicht erwarte, da diese z. B. nicht den Gelenkdefinitionen entsprechen. Was ist die Ursache?


Antwort:
In den Berechnungsparametern von RFEM und RSTAB gibt es für jede Lastkombination und für jeden Lastfall die Option „Schnittgrößen auf verformte Struktur beziehen“. Voraussetzung hierfür ist die Berechnung nach Theorie 2. Ordnung.

Welche Bedeutung das hat, soll am einfachen Beispiel eines belasteten Kragarms erläutert werden (siehe Bild).
Die Belastung des Kragarms bewirkt am Knoten 3 eine kleine Verdrehung. Wenn nach Theorie II. Ordnung gerechnet wird, dann entscheiden Sie mit dieser Option, ob die Schnittgrößen an diesem Knoten auf das ursprüngliche oder auf das gedrehte Koordinatensystem bezogen werden. Wird das System zunächst nach Theorie I. Ordnung gerechnet, dann ergeben sich folgende Schnittgrößen (RO 101,6×3,6, S235):

Nx = 0
Vy = 0
Vz = 3,00 kN

Mx = 0
My = 9,00 kNm
Mz = 0

Die Kräfte und die Momente können jeweils als Vektor aufgefasst werden (Formel 1 und Formel 2). Am Knoten 3 ergibt sich eine Verdrehung gemäß Formel 3.

Das lokale Stabachsensystem ist also an dieser Stelle um den Winkel φy gedreht. Jetzt sollen die Schnittgrößen auf das gedrehte Koordinatensystem umgerechnet werden. Das geschieht, indem der Vektor mit der sogenannten Drehmatrix (http://de.wikipedia.org/wiki/Drehmatrix) multipliziert wird. Die Drehmatrix für die Rotation um die y-Achse ist in Formel 4 dargestellt. Die Umrechnung erfolgt durch die Formeln 5 und 6. Durch Einsetzen der Zahlen erhält man Formel 7.

Es zeigt sich, dass ein kleiner Teil der Querkraft zu einer Zugkraft wird:

Nx = 0,4326 kN
Vy = 0
Vz = 2,969 kN

Der Momentenvektor bleibt unverändert.

Kontrollieren kann man die Rechnung für diesen einfachen Fall so, wie in Formel 8 dargestellt.

Damit ist geklärt, was der Haken in den Berechnungsoptionen bewirkt. Welches sind aber nun die „richtigen“ Schnittgrößen? Genauer sind auf jeden Fall die Schnittgrößen, die auf das gedrehte Koordinatensystem bezogen sind. Voraussetzung für die Berechnung nach Theorie II. Ordnung sind aber kleine Verdrehungen. Also dürfen die Ergebnisse nicht nennenswert abweichen. Tun sie das doch, dann muss nach Theorie III. Ordnung gerechnet werden. Dabei sind auch große Verdrehungen zugelassen und die Ergebnisse immer auf das gedrehte Koordinatensystem bezogen. Bei Berechnungen nach Theorie I.&nbs;Ordnung sind die Schnittgrößen immer auf das ursprüngliche Koordinatensystem bezogen.