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31. August 2015

BIM in der Tragwerksplanung: Planungsablauf, Möglichkeiten und Chancen

Durch den zunehmenden Einsatz der BIM-Methode in der Planung von Gebäuden ergeben sich auch für Tragwerksplaner neue Möglichkeiten. Wurde erst einmal ein umfassendes 3D-Modell eines Gebäudes erstellt, so möchte man das auch für die statische Berechnung weiter nutzen und den größtmöglichen Vorteil daraus erzielen. Dabei entstehen aber auch einige neue Herausforderungen an den Tragwerksplaner und die verwendete Software, auf welche in diesem Beitrag eingegangen wird.

Eliminierung von nichttragenden Bauteilen

Einer der wesentlichen Vorteile von 3D-BIM-Modellen liegt darin, dass alle Informationen zentral in einer Datenbank vorliegen. Geht man davon aus, dass zunächst ein Entwurf eines Gebäudes vom Architekten erstellt wird, liegt der Fokus nicht in erster Linie auf dem statischen Tragwerk. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in erster Linie auf der Nutzung und Formgebung des Gebäudes sowie der Einhaltung eines Kostenrahmens in enger Zusammenarbeit mit dem Bauherrn. Darauf aufbauend werden dann notwendige tragende Strukturen für das Gebäude entworfen. Dieses Strukturmodell stellt sozusagen das tragende Gerippe eines Gebäudes dar und ist für den Tragwerksplaner von besonderem Interesse. Die restlichen nichttragenden Teile des Gebäudes sind für ihn entweder unbedeutend (zum Beispiel Detailausführungen von Türen und Fenstern, genauer Fußbodenaufbau, Elektro- und Sanitärinstallation etc.) oder maximal für die Lastannahmen wichtig. Daher ist nur ein Teil des BIM-Modells für den Statiker auszuwerten und er muss statisch relevante Objekte von nicht relevanten trennen. Die Information, ob ein im BIM-Modell vorhandenes Bauteil zur Statik des Tragwerks beiträgt oder nicht, steckt aber nicht notwendigerweise in jedem BIM-Modell und muss vom Tragwerksplaner dem Modell entweder mitgegeben werden oder er muss durch entsprechende Filter diese für ihn nicht wesentlichen Elemente aus dem Tragwerksmodell entfernen. Es gibt auf dem Markt BIM-Software, welche bereits im Architekturmodell erlaubt, Bauteile als tragend zu markieren. Unter der Voraussetzung, dass der Architekt es als seine Aufgabe sieht, diese Markierung vorzunehmen, erleichtert dies eine automatisierte Modellübergabe an die Statiksoftware.

Physikalisches Strukturmodell und idealisiertes Analysemodell

Sind die tragenden Bauteile einmal aus dem globalen BIM-Modell eliminiert, so liegt das physikalische Strukturmodell vor, welches in Lage und Form dem späteren realen (Volumen-)Modell entspricht. Aufgrund beschränkter Rechenkapazitäten und notwendiger Vereinfachungen für die Berechnungen werden aber in der Regel nicht alle Bauteile als Volumenmodelle berechnet, sondern auf Stab- und Flächenelemente reduziert, auf deren Ergebnisse (beispielsweise Stab- und Flächenschnittgrößen) sich auch die aktuellen Normen beziehen. Die Verwendung von Volumenmodellen beschränkt sich in der Regel auf sehr dicke Bauteile oder auf die Analyse von speziellen Teilbereichen wie zum Beispiel einer Stahlbauverbindung, in der auch Details wie Schrauben, Schweißnähte oder Kontaktbedingungen abgebildet werden. Durch die Reduktion auf Stäbe und Flächen stellt sich die Frage nach der Lage der Schwerachsen dieser Bauteile und wie diese aneinander angeschlossen werden. Durch unterschiedliche Bauteilhöhen, Zuschnitte und Verbindungen entstehen zunächst unter Umständen keine konsistenten, in einem Punkt verbundene Schwerelinienmodelle, welche weiter angepasst werden müssen, um als analytisches Rechenmodell dienen zu können. Daraus ergeben sich weitere Fragen für den Tragwerksplaner.
  • Wo sollen die Systemlinien liegen?
  • Wie geht man mit eventuellen Stab- und Flächenexzentrizitäten um?
  • Müssen Systemlinien gekürzt oder verlängert werden und welchen Einfluss hat das auf die Belastung (Eigengewicht, Linienlasten, Flächenlasten etc.)?
  • Reicht die Modellierung mittels einfacher analytischer Knoten aus oder müssen eventuell ingenieurmäßig angepasste erweiterte Modelle gebildet werden (Stütze schließt zum Beispiel nur in einem Knoten an Decke an: Problem von Singularitäten)?
  • Sind die Anschlüsse der Stäbe und Flächen gelenkig, nachgiebig oder biegesteif?
  • Welche Stellen sind als Auflager mit welchen Lagerungsbedingungen aufzufassen?
  • Sind Stäbe oder Flächen gegebenenfalls zu unterteilen, um ein sinnvolles Analysemodell zu bekommen.

Bei der Entscheidungsfindung für all diese Fragen kann eine Software in der Regel nur wenig Unterstützung leisten und diese Entscheidungen müssen letztendlich vom Tragwerksplaner getroffen werden. Ein neuer Trend in der Architektur- und Konstruktionssoftware besteht aber darin, dass innerhalb der Programme bereits statische Systeme mitgeführt und zum Teil auch automatisch gebildet werden. Der Vorteil besteht darin, dass einmal richtig definierte statische Grundsysteme im Idealfall inklusive Belastung dann ohne größere Nacharbeit in ein Statikprogramm überführt werden können.

Voraussetzung dafür ist aber, dass diese BIM-Software von Anwendern bedient wird, die auch über entsprechende Kenntnisse in der Statik und in der Anwendung des Berechnungsprogramms verfügen. Dieser Umstand ist aus traditioneller Sicht der üblichen Zuständigkeiten für Architekturbüros und Statikbüros in Deutschland häufig ein Grund dafür, dass der Datenaustausch und somit der BIM-Workflow ins Stocken geraten. Schließlich wird der Architekt auch nicht für die Erstellung des Statikmodells bezahlt.

Besondere Gesichtspunkte der Modellbildung

Bei der Anfertigung von Finite-Elemente-Modellen können an Übergängen von Flächen zu Stabelementen oder zum Beispiel bei Unterzügen besondere Hilfskonstruktionen erforderlich werden. Diese Hilfskonstruktionen erfordern eine manuelle Nacharbeit von importierten Strukturen. Dies führt zwangsweise dazu, dass das initiale BIM-Modell und das idealisierte Analyse-Modell weiter auseinanderdriften und eine Zuordnung zusammengehöriger Bauteile in den Anwenderprogrammen unterschiedlicher Disziplinen erheblich erschwert wird.

Diese Problematik spiegelt sich insbesondere beim Abgleich der Änderungen in beiden Modellen wieder. Häufig werden zur Kopplung von fest verbundenen Bauteilen in der statischen Modellbildung starre Koppelstäbe verwendet. Diese besonderen Stabtypen können aber je nach Implementation in der Statiksoftware zu numerischen Problemen führen, wenn diese Stäbe sehr kurz und sehr steif sind. Daher ist bei automatischer Bildung solcher Koppelelemente aus einer BIM-Software heraus besondere Aufmerksamkeit geboten. Ein großes und mitunter nicht einfach zu erkennendes Problem können vermeintlich verbundene Bauteile in einem Analysemodell darstellen. Durch Ungenauigkeiten in der Modellierung in der BIM-Software oder durch numerische Genauigkeitseinschränkungen können auch sehr nahe beieinanderliegende FEM-Knoten entstehen. Diese bereiten entweder Schwierigkeiten bei der Vernetzung oder geben verbundene Bauteile vor, die aber dann im Rechenmodell nicht verbunden sind. Daraus resultieren falsche Berechnungsergebnisse. Deshalb ist auf die Kontrolle des importierten Modells ein besonderes Augenmerk zu legen.

Lastannahmen und Lastkombinationen

In einigen BIM-Applikationen ist auch die Vorgabe von Lasten und Lastkombinationen möglich. Die Ermittlung von zum Beispiel Windlastprofilen, Schneelasten oder Lasten aus Erddruck wurde durch die in den letzten Jahren neu eingeführten Eurocodes erheblich komplexer. Gleiches gilt für die Regeln zur Bildung von Lastkombinationen nach unterschiedlichen Bemessungssituationen. Naturgemäß sind die Statikprogramme für diese Aufgaben besser geeignet, vielseitiger aufgestellt und bieten umfassende Generierungstools an. Daher liegt es nahe, dass Lasteingabe und Kombinatorik in der Statikapplikation erledigt werden. Werden die resultierenden Lasten und Kombinationen in ein BIM-Modell zurückgeschrieben, gehen die der automatischen Generierung zugrunde liegenden Parameter meist verloren und somit fehlt die Intelligenz der Lastobjekte bei weiteren Änderungen.

Gesichtspunkte der Berechnung der Tragwerke

Ist ein adäquates Analysemodell aus dem BIM-Modell abgeleitet, so kann es in der Statiksoftware berechnet werden. Es ist zu entscheiden, welche Berechnungstheorie und Materialmodelle verwendet werden. Nach der Berechnung muss das Modell eventuell angepasst werden und es entstehen Varianten der Modellierung beziehungsweise es kommen neue Elemente dazu oder werden entfernt. Gelenke und Auflager sind zu prüfen. Für die Bemessung des Tragwerkes sind weitere Annahmen zu treffen und Parameter einzugeben. Querschnitte und Abmessungen können sich ändern. Der klassische BIM-Gedanke würde erfordern, dass diese Vorgaben und Annahmen auch in dem zentralen BIM-Modell gespeichert werden. Dies ist aber aktuell nicht vollständig realisierbar und wird auch in den üblichen Schnittstellen nicht unterstützt oder ist nur unter Verlust der Intelligenz der Objekte möglich.

Die Berücksichtigung von Bauphasen spielt bei räumlichen Modellen eine mitunter sehr wichtige Rolle und entscheidet über die Brauchbarkeit von Berechnungsergebnissen. Daher ist es zwingend erforderlich, sich vor der Berechnung zu vergewissern, ob eine Berechnung am Gesamtmodell die Berücksichtigung von Bauphasen erfordert oder gegebenenfalls abschnittsweise Teilmodelle berechnet werden sollten. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass BIM nicht automatisch bedeutet, dass man immer das ganze Gebäudemodell räumlich rechnet. Eine gute Strategie kann auch darin bestehen, sich sukzessive die einzelnen Statikpositionen aus einem BIM-Gesamtmodell herauszulösen und separat zu berechnen.

Änderungen im BIM-Modell aufgrund der statischen Berechnung

Nach Abschluss der Berechnung können sich Material- und Querschnittsänderungen ergeben beziehungsweise es werden Bauteile wie Verbände oder Unterzüge verschoben, entfernt oder hinzugefügt. Diese Änderungen müssen sich im BIM-Modell wiederspiegeln und aktualisiert werden. Was geschieht aber, wenn am ursprünglichen BIM-Modell auch Änderungen vorliegen und abgeglichen werden müssen? Wie entscheidet man, welcher Änderungsstand der letzte ist? Dieser Prozess muss bestimmten Regeln unterliegen und die vorliegenden Änderungen müssen von den zuständigen Mitarbeitern genehmigt werden. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass Änderungen im BIM-Modell nach Import in die Statiksoftware nachgezogen werden. Unter Umständen ergeben sich Änderungen am gleichen Bauteil zur gleichen Zeit im BIM-Modell und im Analysemodell. Solche Situationen können über Sperrungen im Modell oder Absprachen der Beteiligten entschärft werden. Eine automatisierte Übergabe von Profiländerungen, Flächendicken oder das Hinzufügen und Entfernen von neuen Bauteilen im jeweils anderen Modell ist in der Regel machbar und wird zum Beispiel von der Dlubal-Software unterstützt. Dabei ist zu beachten, dass aus der Statik resultierende Updates nicht anderweitige Informationen im BIM-Modell überschreiben, die nicht statikrelevant sind.

IFC-Schnittstelle und direkte Kopplung von Software

Für eine durchgängige Planung sind funktionierende Schnittstellen notwendig. Hat man über programmierbare Schnittstellen offenen Zugang auf die Daten der austauschenden Programme, dann können diese direkt gekoppelt werden, ohne dass Dateien ausgetauscht werden müssen. Dabei müssen beide Programme auf dem gleichen Rechner installiert werden. Die Realisierung solcher Schnittstellen ist sehr flexibel gestaltbar und nicht an die Syntax und Datenmodelle von allgemeinen Schnittstellenformaten gebunden, wie diese für einen Dateiaustausch notwendig sind. Beim Austausch von Daten über neutrale, herstellerunabhängige Dateiformate spielt das IFC-Format eine große Rolle.

Ist eine Software IFC-zertifiziert bedeutet das aber noch nicht zwangsläufig, dass auch die Übergabe zu Statiksoftware möglich ist. Eine Zertifizierung gibt es aktuell nur für den "Coordination View". Dieser beschreibt in erster Linie die Geometrie der Struktur auf Basis von Volumenmodellen, also dem oben angesprochen physikalischen Strukturmodell. Für das Statikmodell ist der sogenannte "Structural Analysis View" vorgesehen, der auch die Übergabe von Lagern, Gelenken und Lasten erlaubt. Beim IFC-basierten Datenaustausch ausgehend von einem Architekturprogramm ist daher zu prüfen, welcher View exportiert werden kann.

Zusammenfassung und Fazit

3D-BIM-Modelle helfen dem Tragwerksplaner, komplexe Tragwerke zu verstehen und Analysemodelle schneller durch eine Datenübernahme zu erzeugen. In der Regel sind BIM-Modell und Analysemodell unterschiedlich und geometrisch nicht identisch. Automatisch erzeugte Analysemodelle sind einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen und die Berechnung am Gesamtmodell kann die Berücksichtigung von Bauphasen erfordern. Die Statik kann besondere Modellierungen an spezifischen Punkten erfordern und in der Regel zusätzliche Angaben benötigen, die nicht oder nur begrenzt im BIM-Modell hinterlegt werden können. Aufgrund möglicher Änderungen während der Planungsphase sind Regeln zu definieren, wer Änderungen wann und wo am Modell vornehmen kann. BIM und BIM-Software erfordern ein breiteres und umfassenderes Wissen über alle Planungsphasen bei Architekten und Statikern, die Bereitschaft, traditionelle Arbeitsteilungen neu zu überdenken und die Planungsaufgabe als Teamwork zu verstehen. Akzeptiert man einen anfänglichen, überschaubaren Mehraufwand, indem man auch an den nachfolgenden Planungsschritt denkt, können sich in der Summe erhebliche Einsparungen und bessere Planungsergebnisse ergeben. Planungsbüros, die sich in den letzten Jahren dem BIM-Prozess verschrieben haben, bestätigen dies. Nicht zuletzt deswegen, sondern auch weil öffentliche Auftraggeber BIM als Planungsmethode vorschreiben, wird sich BIM in den nächsten Jahren immer weiter verbreiten. Die Tragwerksplanung ist integraler und wesentlicher Bestandteil von Building Information Modeling und deswegen werden auch BIM-fähige Statiksoftware und der Umgang mit Gesamtmodellen an Bedeutung gewinnen.

Dlubal-Software ist auf den BIM-basierten Planungsprozess ausgerichtet, bietet eine Vielzahl von Schnittstellen-Formaten und direkte Anbindungen an verbreitete BIM-Software-Produkte. Durch eine offene, programmierbare Schnittstelle kann die Software nahtlos in firmenspezifische Planungsabläufe eingebunden werden. Dies erlaubt eine Automatisierung von Modellierungsaufgaben und der Verarbeitung von Berechnungsergebnissen.


Autor

Herr Wopperer betreut den Bereich Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere den Bereich der sozialen Medien.

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