Querschnittsklassen
Der Eurocode 3 [1] definiert vier Querschnittsklassen:
In die Querschnittsklassifizierung gehen folgende Parameter und Randbedingungen ein:
- Lagerung des Querschnittsteils (ein- oder zweiseitig gehalten)
- Länge des Querschnittsteils c
- Dicke des Querschnittsteils t
- Streckgrenze des verwendeten Stahls in Form des Faktors epsilon
- Verteilung der Spannungen über das betrachtete Querschnittsteil
Die Klasse des am ungünstigsten bewerteten Querschnittsteils wird für den gesamten Querschnitt maßgebend. Bei I- und H-Profilen ist das in der Regel der vergleichsweise schlanke Steg.
Spannungsverteilung
Die Spannungsverteilung wird durch die Parameter alpha (plastisch, Klasse 1 und 2) bzw. psi (elastisch, Klasse 3) erfasst. Dabei stellt alpha die prozentuale Länge der Druckspannung im Querschnittsteil dar, psi dagegen das Verhältnis der Randspannungen.
Wichtig:
- Die vorhandenen Spannungen werden immer auf die Streckgrenze hoch- oder heruntergerechnet.
- Druckspannungen sind immer positiv anzusetzen, Zugspannungen negativ.
Bei ausschließlich einachsiger Biegung an einem doppeltsymmetrischen Querschnitt ist die Bestimmung von alpha und psi trivial. Wirkt zusätzlich eine Normalkraft, müssen weitere Überlegungen angestellt werden. Interessant ist, in welcher Höhe die Normalkraft angesetzt wird. Es gibt zwei Herangehensweisen, die beide in RF-/STAHL EC3 implementiert sind.
Zunächst soll auf die zweite Option "NEd und MEd gleichmäßig erhöhen" eingegangen werden, welche in RF-/STAHL EC3 voreingestellt ist. Bei einer elastischen Spannungsverteilung werden die vorhandenen Spannungen um das Verhältnis Streckgrenze/größte Druckspannung im Querschnittsteil erhöht. Der Parameter psi ergibt sich aus der Beziehung Druckspannung/Zugspannung. Ist die Spannungsverteilung plastisch, werden Moment und Normalkraft so weit vergrößert, bis eine der in [1] aufgeführten Interaktionsbedingungen und damit der plastische Grenzzustand erreicht ist. Siehe dazu auch die Ausführungen in [2], Seite 13.
In RF-/STAHL EC3 wird die Interaktionsbedingung nach Formel 6.2 verwendet, weil sie leicht nachvollziehbar und für alle Querschnittstypen gültig ist. In der folgenden Grafik ein Beispiel für einen IPE 360, S 235, mit folgenden Schnittgrößen und plastischen Tragfähigkeiten:
My,Ed = 125,0 kNm NEd = 300,0 kN
My,Rd = 239,5 kNm NRd = 1.709,0 kN
Die Hochrechnung der vorhandenen Beanspruchungen ergibt folgende Grenzschnittgrößen:
MN,y,Rd = 179,2 kNm NMy,Rd = 430,1 kN
Aus der Grenznormalkraft wird nun die Größe des Spannungsblocks ermittelt und in der Flächenhalbierenden des Querschnitts angesetzt. Zusammen mit den verbleibenden Spannungsblöcken des Biegemomentes kann nun die Länge der Druckspannung im Querschnittsteil und damit der Parameter alpha bestimmt werden.
Die erste Option "NEd fest, MEd erhöhen, um fyd zu erreichen" lässt sich am besten mit der plastischen Spannungsverteilung erklären. Die Normalkraft wird nicht hochgerechnet, sondern in der einwirkenden Größe angesetzt. Demzufolge sind mit dieser Option der Druckbereich und alpha in der Regel etwas kleiner.
Auf die Ermittlung der c/t-Grenzwerte für die einzelnen Querschnittsklassen soll hier nicht weiter eingegangen werden. Diese können [1], Tabelle 5.2 entnommen werden.
Literatur
[1]
Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; EN 1993-1-1:2005 + AC:2009
[2]
SEMI-COMP+: Berechnungsrichtlinie für die Querschnitts- und Stabbemessung nach Eurocode 3 mit Schwerpunkt auf semi-kompakten Querschnitten. Graz: TU Graz - Institut für Stahlbau, Juli 2011