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23. April 2023

Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Simulation eines strukturellen Einsturzes mit RFEM und Bullet Constraints Builder (BCB) in Blender

Der Einsatz von RFEM 6 und Blender mit dem Bullet Constraints Builder Add-on zielt darauf ab, den Einsturz eines Modells auf der Grundlage echter physikalischer Eigenschaftsdaten grafisch darzustellen. RFEM 6 dient dabei als Geometrie- und Simulationsdatenquelle. Der Beitrag behandelt ein weiteres Beispiel, das zeigt, warum es wichtig ist, unsere Programme als sogenanntes BIM Open zu pflegen, um eine Zusammenarbeit über viele Softwarebereiche hinweg zu erreichen.

Einführung

Notfallsituationen können mitunter herausfordernde Arbeitsbedingungen für Arbeiter und Helfer bei Rettungseinsätzen im städtischen Umfeld (Urban Search and Rescue - USaR) mit sich bringen. Ein wichtiges Ziel ist es, eine deutliche Zeitverkürzung in Bezug auf die USaR-Phase zu erreichen, indem Beschlüsse auf den Weg gebracht werden, die großflächig auf die Situation aufmerksam machen, und darauf abzielen, das Auffinden und Lokalisieren von eingeklemmten und verschütteten Personen zu verbessern, unter Zuhilfenahme von Simulationsprogrammen zur Vorhersage von Tragwerksausfällen; darüber hinaus braucht es einen ganzheitlichen Mechanismus zur Entscheidungsunterstützung, der die Arbeitsabläufe und Ressourcen der maßgeblichen Beteiligten einbezieht.

Mit dem Ansatz "Extreme Loading for Structures" (ELS) können Statiker den fortschreitenden Zusammenbruch, der durch extreme Belastungssituationen wie Erdbeben, starken Wind, Explosion, dynamische Lasten sowie Stoßbelastung und Anprall verursacht wird, korrekt simulieren, analysieren und visualisieren. Sie können auch die Anfälligkeit eines Tragwerks gegenüber einem fortschreitenden Zusammenbruch abschätzen, indem sie das Versagen verschiedener Komponenten simulieren und bestimmen, ob der resultierende Einsturz teilweise oder vollständig ist. Modellverstärkungen, Stahlquerschnitte und Spannglieder, die üblicherweise vorausgesetzt oder ausgeklammert werden, können einfach zum ELS-Modell hinzugefügt werden, wodurch das Modell und seine Ergebnisse erheblich verbessert werden. Im Laufe der Zeit auftretende Korrosionseffekte können mithilfe automatischer Rissbildung, plastischer Gelenke und der Berücksichtigung von Versagensmechanismen implementiert werden.

Die anzusetzenden Lasten sind im Grunde grenzenlos und können in einem Multi-Hazard-Ansatz, der möglichst viele Gefahren erfasst, mit gestuften Belastungen sequenziert werden, um wiederholte Ereignisse bzw. eine Folge von Ereignissen wie Erdbeben, Brand, Explosion, Anprall, Tsunami, starker Wind und allmählicher Einsturz zu simulieren. ELS kann eine präzise Simulation und Analyse von geplanten Abrisskonzepten mittels Sprengstoffen, einer Abrissbirne, Schub- oder Ziehkräften sowie Abbrucharbeiten von Hand ermöglichen.

Eine neue Analysemethode, die Applied Element Method (AEM), kombiniert Elemente der Discrete Element Method (DEM) mit der Finite-Elemente-Methode (FEM). Einfach ausgedrückt ist AEM in der Lage, die Modellierung vom Auseinanderfall der Bauteile bis zum Einsturz automatisch durchzuführen sowie eine Vorhersage zu treffen, ab wann die Struktur in Trümmern liegt. FEM kann dagegen nur bis zum Versagen des Tragwerks genau sein, und DEM kann beim Auseinanderfallen der Elemente verwendet werden. In mehr als zwei Jahrzehnten kontinuierlicher Forschung und Entwicklung hat sich gezeigt, dass AEM die einzige Methodik ist, die das strukturelle Einsturzverhalten über alle Laststufen hinweg verfolgen kann, einschließlich elastischem Materialverhalten, Rissbildung und -ausbreitung in zugschwachen Materialien, Nachgiebigkeit von Verstärkungen, Auseinanderfall von Bauteilen, Kollision von Elementen (Kontakt) und Aufprall auf dem Boden sowie Zusammenstoß mit benachbarten Strukturteilen [1].

Der Einsatz von RFEM 6 und Blender mit dem Bullet Constraints Builder Add-on zielt darauf ab, den Einsturz eines Modells auf der Grundlage echter physikalischer Eigenschaftsdaten grafisch darzustellen. RFEM 6 dient dabei als Geometrie- und Simulationsdatenquelle. Der Beitrag behandelt ein weiteres Beispiel, das zeigt, warum es wichtig ist, unsere Programme als sogenanntes BIM Open zu pflegen, um eine Zusammenarbeit über viele Softwarebereiche hinweg zu erreichen.

Implementierung

Schritt 1: Modellierung in RFEM

Das vorliegende RFEM 6-Modell (eine 3D-Stahlsilokonstruktion ) wird als Fallbeispiel für die Einsturzsimulation herangezogen. Zuerst sind die Strukturgeometrie sowie die Materialkennwerte und Randbedingungen (Auflager) festzulegen, die in Bild 1 dargestellt sind.

Im nächsten Schritt muss das IFC-Format aus RFEM exportiert und in Blender importiert werden (Bild 2).

Schritt 2: Modellierung in BCB Blender

1) Blender Software Version 3.5 und Blender Software Version 2.79 herunterladen und installieren.

2) Bullet Constraints Builder für Blender Version 2.79 herunterladen und installieren (Bild 3).

3) Laden Sie das  BlenderBIM Add-on herunter und installieren Sie es, um den Import des .IFC-Formats in Blender Version 3.5 (Bild 3) zu aktivieren. Die Option zum Importieren des IFC-Modellformats ist erst nach Aktivierung des BIM-Add-ons in den Blender-Einstellungen verfügbar (Bild 4).

4) Exportieren Sie das Modell als .OBJ-Format aus Blender Version 3.5 und importieren Sie es in Blender Version 2.79 (Bild 6).

5) Einordnung der Modellelemente in "Gruppen" und Einteilung nach Typ - Träger, Platten, Fundamente usw. Für diese Gruppen können Sie Eigenschaften in der Tabelle und der Liste der Elementgruppen hinzufügen (Bild 7). Um die Parameter für einzelne Gruppen einzustellen, können auch die in der Tabelle voreingestellten Werte für Grundmaterialarten verwendet werden, beispielsweise für Stahlbeton- und Stahltragwerke (Bild 8).

6) Beim Einrichten der Gruppen ist es wichtig, dass die Gruppen in der Tabelle genauso bezeichnet werden wie die Gruppen, die im Blender-Modell angelegt sind (Bild 9).

7) Die Informationen für die eingerichteten Träger sind hier im Bild 10 dargestellt.

8) Die Flächeninformationen sind in Bild 11 dargestellt.

9) Die angenommene Randbedingung (Lagerung) und die Fundamentangaben sind in Bild 12 dargestellt.

10) Die Informationen zum runden Teil des Silos sind hier in Bild 13 dargestellt.

11) Außerdem sind die Informationen zu allgemeinen Einstellungen in Bild 14 dargestellt.

12) Laden Sie das  Earthquake Time History Pattern herunter und laden Sie es in BCB Blender 2.79 wie in Bild 15 gezeigt ein.

13) Der Grenzwert für die Mindestgröße (Minimum Size Limit) ist bei dem einzelnen Querschnitt mit 1,50 festgelegt (Bild 16).

14) Um sicherzugehen, dass die Tools zur Vorbearbeitung im Automatikbetrieb enthalten sind, vergewissern Sie sich, dass das Häkchen beim Eingabefeld "Run On Automatic Mode" in der Kopfzeile der Vorverarbeitungstools gesetzt ist. Damit werden die Vorverarbeitungswerkzeuge Teil des Automatikmodus (Bild 17).

15) Es wird empfohlen, die Elementkonfiguration zu speichern, bevor Sie hier fortfahren, wie in Bild 8 gezeigt. Jedes Mal, wenn die Blender-Datei geöffnet wird, ist es nun möglich, die Einstellungen neu zu laden (Bild 18).

16) Der Fortschritt der Simulation kann über das Fenster der Systemkonsole überwacht werden (Bild 19), das immer geöffnet sein sollte. Der Systemmonitor kann auch dazu verwendet werden, hilfreiche Daten bei der Fehlersuche zu sammeln; drücken Sie dann die Taste "A" auf Ihrer Tastatur, um das komplette Modell auszuwählen.

17) Danach müssen Sie auf Build klicken (Bild 20), wodurch automatisch die Tools zur Vorverarbeitung ausgeführt werden, bevor die Simulation gestartet wird.

18) Das eingestürzte Modell ist schließlich in Bild 21 dargestellt. Zum finalen Rendern können Sie wieder die neueste Version von Blender verwenden. Unter diesem Beitrag finden Sie unsere endgültige Datei mit einer Demonstration des Zusammenbruchs in Blender 2.79 sowie eine Datei mit den Einstellungen für das finale Animations-Rendering in Blender 3.5.

Fazit

Im aktuellen Fachbeitrag wurde beschrieben, wie der Einsatz von RFEM 6 und Blender mit dem Bullet Constraints Builder Add-on darauf abzielt, den Einsturz eines Modells auf der Grundlage echter physikalischer Eigenschaftsdaten grafisch darzustellen. RFEM 6 dient dabei als Geometrie- und Simulationsdatenquelle. Der Beitrag ist ein weiteres Beispiel dafür, warum es wichtig ist, unsere Programme als sogenanntes BIM Open zu pflegen, um eine Zusammenarbeit über viele Softwarebereiche hinweg zu erreichen.


Autor

Herr Kazemian ist verantwortlich für die Produktentwicklung und das Marketing für die Dlubal-Software, insbesondere für das Programm RWIND 2.

Referenzen
  1. Angewandte Elementmethode. AEM, 2008 (2021, 18. https://www. Appliedelementmethod.org
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