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23. August 2023

Verwendung von Nichtlinearitäten im Antwortspektrenverfahren in RFEM 6

Sowohl die Ermittlung von Eigenschwingungen als auch das Antwortspektrenverfahren werden stets an einem linearen System durchgeführt. Sind Nichtlinearitäten im System vorhanden, werden diese linearisiert und somit nicht berücksichtigt. Dies können z.B. Zugstäbe, nichtlineare Auflager oder nichtlineare Gelenke sein. In diesem Beitrag soll gezeigt werden, wie diese in einer dynamischen Analyse behandelt werden können.

Zuerst einmal sollte bedacht werden, ob eine Berücksichtigung von Nichtlinearitäten überhaupt notwendig ist oder ob eine Linearisierung ausreichend ist. Das Antwortspektrenverfahren stellt dabei ein Verfahren dar, welches die Erdbebeneinwirkung auf das nötigste reduziert, um einen Nachweis mit geringem Aufwand zu führen. Die Linearisierung und somit Vereinfachung der Struktur sollte bei einem solchen Nachweis also auch immer die erste Wahl sein.

Das untersuchte Beispiel stellt eine Rahmenstruktur mit Zugstäben dar. Wenn diese im System vorhanden sind, werden sie in den dynamischen Add-Ons Modalanalyse und Antwortspektrenverfahren linearisiert und als Fachwerkstäbe interpretiert, welche Druck- und Zugkräfte gleichermaßen aufnehmen können. An dieser Struktur soll untersucht werden, welche Ergebnisunterschiede resultieren, wenn die Zugstäbe linearisiert bzw. berücksichtigt werden. Außerdem wird erläutert, wie die Zugstäbe näherungsweise berücksichtigt werden können.

Näherungsweise Berücksichtigung der Zugstäbe bei der Ermittlung von Eigenschwingungen und beim Antwortspektrenverfahren

Eine Möglichkeit ist es, die Eigenschwingungen an einem System zu ermitteln, bei dem einige Zugstäbe bereits ausgefallen sind (also ein definierter Anfangszustand). Dazu muss eine Vorverformung in eine Richtung gewählt werden. Um diesen vordefinierten Anfangszustand zu erzeugen, gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen können die zugehörigen Zugstäbe manuell deaktiviert werden, um einen Ausfall zu simulieren. Zum anderen kann eine sehr geringe horizontale Kraft in einem Lastfall definiert werden, welche zum Ausfall der gewünschten Zugstäbe führt.

In diesem Beispiel eines zweidimensionalen Rahmens wird eine Vorverformung in positiver X-Richtung angenommen. Es werden die Stäbe 5, 8 und 11 deaktiviert. Diese Strukturmodifikation wird dann im Lastfall „Modalanalyse“ aktiviert. Es werden 3 Eigenformen in X-Richtung berechnet. An den Ergebnissen, welche detaillierter im letzten Abschnitt dieses Artikels diskutiert werden, kann gesehen werden, dass die deaktivierten Stäbe sich nun nicht mehr verformen.

Der definierte Modalanalysefall wird nun dem Antwortspektrenverfahren zugewiesen. Dazu wird ein neuer Lastfall erstellt, bei dem die voreingestellten Einstellungen beibehalten werden. Es wird ein Antwortspektrum nach Norm in X-Richtung zugewiesen. Weitere Einstellungen sind nicht nötig. Um die Ergebnisse vergleichen zu können, werden die Modalanalyse und das Antwortspektrenverfahren erneut ohne Deaktivierung der Zugstäbe durchgeführt.

Auswertung und Vergleich der Ergebnisse

Die Eigenschwingungen der Struktur unterscheiden sich in dem Wert der Eigenfrequenz, die Richtung und Form sind jedoch ähnlich. Durch die Deaktivierung der Zugstäbe wird die Struktur deutlich weicher und die Frequenzen sind durch die niedrigere Steifigkeit kleiner. In beiden untersuchten Fällen ist die erste Eigenform dominant (der effektive Ersatzmassenfaktor liegt in etwa bei 80 %).

Die Ergebnisse des Antwortspektrenverfahrens unterscheiden sich erkennbar. Vergleicht man die Normalkräfte in den Zugstäben, wird deutlich, dass diese unter Berücksichtigung der Zugstäbe stark ansteigen. Dies resultiert aus dem Ausfall der auf Druck belasteten Stäbe, welche im ersten untersuchten Fall mitwirken können und zur Stabilisierung beitragen. Ebenfalls wird hier ein Problem der Linearisierung sichtbar: auch im Falle der deaktivierten Zugstäbe, bilden sich die Normalkräfte in positiver und negativer Richtung gleich aus, es entstehen also auch Druckkräfte. Dies ist durch die quadratische Überlagerung zu erklären.

Die Gesamterdbebenkraft ist jedoch bei Vernachlässigung der Nichtlinearitäten größer und liegt damit auf der sicheren Seite. Zur Auswertung kann dabei entweder ein Ergebnisstab verwendet werden oder das Add-On „Gebäudemodell“.

Falls also nur eine Untersuchung der Gesamterdbebenkraft erfolgen soll (z.B. zum Vergleich mit anderen horizontalen Einwirkungen) läge die Vernachlässigung der Zugstäbe auf der sicheren Seite. Für die tatsächliche Bemessung der Zugstäbe im Erdbebenfall sollten diese dann jedoch berücksichtigt werden. Im Falle einer unsymmetrischen Struktur, müsste die Vorverformung jeweils in positiver und negativer Richtung untersucht werden.


Autor

Frau Effler betreut die Entwicklung im Bereich Dynamik und unterstützt unsere Anwender im Kundensupport.

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