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11. April 2018

Biegedrillknicken eines Hauptträgers nach EN 1993-1-1 unter Berücksichtigung von Querträgern

Dieses Beispiel wurde in der Fachliteratur [1] als Beispiel 9.5 sowie in [2] als Beispiel 8.5 behandelt. Für den betrachteten Bühnenhauptträger ist der Biegedrillknicknachweis zu führen. Es handelt sich um ein gleichförmiges Bauteil. Der Stabilitätsnachweis kann daher nach Abschnitt 6.3.2 der DIN EN 1993-1-1 erfolgen. Aufgrund der einachsigen Biegung wäre alternativ auch ein Nachweis über das Allgemeine Verfahren nach Abschnitt 6.3.4 möglich. Ergänzend soll die Ermittlung des Verzweigungslastfaktors am idealisierten Stabmodell im Rahmen der oben genannten Verfahren mit einem FEM-Modell validiert werden.

System

Profile:
Bühnenhauptträger = IPE 550
Querträger = HE-B 240
Material:
Baustahl S235 nach DIN EN 1993-1-1, Tabelle 3.1


Bemessungslasten

LF 1 Eigengewicht:
gd = 1,42 kN/m
LF 2 Nutzlast:



Bemessungsschnittgrößen


Stabilitätsnachweis ohne Berücksichtigung der Querträger nach [3] Abschnitt 6.3.2

Unter Annahme einer Gabellagerung am Stabanfang und -ende wird mit dem Add-On "Stahlbemessung" im Rahmen des Nachweises nach [3] Abschnitt 6.3.2 ein ideales Biegedrillknickmoment Mcr von 365 kNm ermittelt. Der Nachweis nach Gleichung 6.55 ergibt sich damit zu 1,65. Der Tragsicherheitsnachweis kann somit ohne den stabilisierenden Effekt der Querträger nicht erbracht werden.


Stabilitätsnachweis mit Berücksichtigung der Querträger nach [3] Anhang BB.2.2

Die Regelungen der DIN EN 1993-1-1 Anhang BB.2.2 setzen eine kontinuierliche Drehbettung über die Trägerlänge voraus. Die vorliegende diskrete Drehbettung wird daher in eine kontinuierliche Drehbettung "verschmiert".

Ermittlung der vorhandenen kontinuierlichen Drehbettung:
Die Werte werden aus [2] übernommen und lediglich an die Notation von Anhang BB.2.2 angepasst.
Cθ,R,k = 11.823 kNm (Anteil aus Biegeverformung der Querträger)
Cθ,D,k = 359 kNm (Anteil aus Profilverformung des Hauptträgers, Anschluss am Steg ist berücksichtigt)

Umrechnung in kontinuierliche Drehbettung Cθ aufgrund der Querträger mit mittlerem Abstand der Querträger:


Ermittlung der erforderlichen Drehbettung:


mit:
Kυ = 0,35 für die elastische Querschnittsausnutzung
Kθ = 10 nach DIN EN 1993-1-1/NA, Tabelle BB.1

Es ist eine Abminderung von Cθ,min um (MEd / Mel,Rd)² möglich:

Nachweis:
Cθ,vorh = 134 kNm/m < Cθ,min = 200,9 kNm/m

Der Nachweis in Form des Nachweises einer ausreichenden Behinderung der seitlichen Verformung des Hauptträgers nach Anhang BB.2.2 kann nicht erbracht werden.


Stabilitätsnachweis mit Berücksichtigung der Querträger nach [3] Abschnitt 6.3.2 mit kontinuierlicher Drehbettung

Da der Nachweis einer ausreichenden seitlichen Behinderung nach Anhang BB.2.2 nicht erbracht werden konnte, wird die vorhandene Drehbettung im Weiteren in den Nachweis des Systems nach Abschnitt 6.3.2 integriert, um zu überprüfen, ob diese ausreichend ist. 

Durch die angesetzte kontinuierliche Drehfedersteifigkeit von Cθ,vorh = 134 kNm/m erhöht sich das idealisierte Biegedrillknickmoment auf Mcr = 982 kNm. Dieses ergibt sich aus der Multiplikation mit dem Bemessungsbiegemoment und dem Vergrößerungsfaktor αcr, mit welchem die kleinste ideale Verzweigungslast mit Verformungen aus der Tragwerksebene erreicht wird. Der Faktor acr beträgt unter kontinuierlicher Drehbettung 2,169. Der Ansatz einer Drehbettung wirkt sich folglich günstig auf die Bemessung auf, sodass sich der Nachweis nach Gleichung 6.55 schließlich zu 0,979 ergibt. 


Stabilitätsnachweis mit Berücksichtigung der Querträger nach [3] Abschnitt 6.3.2 mit diskreter Drehbettung

Im Folgenden soll der Ansatz einer diskreten Drehbettung untersucht werden. 

Ermittlung der vorhandenen diskreten Drehbettung:
Die Werte werden aus [2] übernommen und lediglich an die Notation von Anhang BB.2.2 angepasst.
Cθ,R,k = 11.823 kNm (Anteil aus Biegeverformung der Querträger)
Cθ,D,k = 359 kNm (Anteil aus Profilverformung des Hauptträgers, Anschluss am Steg ist berücksichtigt)

Beim Nachweis nach 6.3.2 wird mit der diskreten Drehbettung ein Vergrößerungsfaktor von αcr = 2,196 ermittelt. Damit ergibt sich ein Mcr von 452,65 kNm ∙ 2,196 = 994,09 kNm.

Der Nachweis nach Gleichung 6.55 ergibt sich für das System folglich zu 0,975. 


Stabilitätsnachweis mit Berücksichtigung der Querträger nach Theorie II. Ordnung mit 7 DOF (Wölbkrafttorsion)

Für diesen Nachweis müssen die Add-Ons "Strukturstabilität" und "Wölbkrafttorsion" in den Basisangaben aktiviert werden. Außerdem ist es wichtig, die Durchführung der Stabilitätsnachweise in den Bemessungskonfigurationen zu deaktivieren, da die Nachweise in Form von Querschnittsnachweise nach Theorie II. Ordnung unter Berücksichtigung der Imperfektion und Ansatz vom γm1 geführt werden sollen. Anschließend werden die Stabendgelenke der Querträger modifiziert. Bei der Ermittlung der vorhandenen diskreten Drehbettung entfällt der Anteil aus der Biegeverformung der Querträger Cθ,R,k, da die Interaktion aus Haupt- und Querträger in dem Modell mit 7 Freiheitsgraden bereits inbegriffen ist. Somit muss nur noch die Feder aus der Profilverformung des Hauptträgers mit Cθ,D,k = 359 kNm berücksichtigt werden. Mit dieser Federkonstante werden nun die Stabendgelenke der Querträger modifiziert. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass alle angreifenden Lasten an der Profiloberkante bzw. in ungünstiger, exzentrischer Lage angesetzt werden.

Da nach Theorie II. Ordnung gerechnet wird, müssen im Weiteren noch die Imperfektionen berücksichtigt werden. Dies geschieht durch die Ermittlung der Knick- bzw- Drillknickfigur mithilfe des Add-Ons "Strukturstabilität". Dafür wird in der angesetzten Lastkombination (hier: LK1) die Verzweigungslast nach Theorie I. Ordnung berechnet und anschließend die Imperfektion auf Grundlage der entstandenen Eigenform erzeugt. 

Um diese Imperfektion zu erzeugen, muss zunächst ein neuer Imperfektionsfall angelegt werden, der auf der Knickfigur infolge einer Lastkombination basiert. Hier muss unter anderem ein Imperfektionsstichmaß angegeben werden, welches sich durch Multiplikation der Querschnittsausnutzung e0/L und der Länge L des Querschnitts ergibt. Die Querschnittsausnutzung ist von der Art des Profils und dessen Abmessungen abhängig. Da die Hauptträger des Modells aus gewalzten I-Profilen mit den Abmessungen h/b > 2 bestehen, wird für die Querschnittsausnutzung e0/L = 1/400 angesetzt. Mit der Profillänge von L = 7,20 m ergibt sich das Imperfektionsmaß schließlich zu 0,018 m in y-Richtung. 

Dieser Imperfektionsfall muss nun noch einer Lastkombination zugewiesen werden. Um einen Zirkelbezug zu vermeiden, wird eine neue Lastkombination erzeugt, indem die LK, auf der die Imperfektion basiert, kopiert und nach Theorie II. Ordnung berechnet wird. 

Bei Ausführung der Stahlbaubemessung erfolgt der Querschnittsnachweis nun nach Theorie II. Ordnung unter Berücksichtigung der Imperfektion. Es ergibt sich auf Basis der ermittelten Schnittgrößen schließlich nach Gl. 6.1 eine Auslastung von 0,987.


Überprüfung der Korrektheit der Bemessung anhand eines FEM-Modells

Bei der Stabilitätsanalyse der LK 1 am Modell mit 7 Freiheitsgraden wurde ein Verzweigungslastfaktor von 2,535 ermittelt, welcher im Folgenden mithilfe eines FEM-Modells validiert werden soll. 

Mit dem FEM-Modell soll geprüft werden, ob das System mit 7 Freiheitsgraden in Kombination mit der Stabilität korrekt gerechnet wurde. Das FEM-Modell bildet das System wie bisher ab, so wurden auch hier die Anschlüsse der Querträger gelenkig mit Stirnplatten modelliert und die Lasten auf den Obergurt der Träger angesetzt. An diesem System wird nun eine Stabilitätsanalyse durchgeführt. Als Ergebnis erhält man ebenfalls das Drillknicken des Obergurtes mit einem Verzweigungslastfaktor von 2,557, also nahezu identisch zu jenem des Systems mit 7 Freiheitsgraden. 


Literatur

[1] Kuhlmann, U.: Stahlbau-Kalender 2013 - Eurocode 3 - Anwendungsnormen, Stahl im Industrie- und Anlagenbau. Berlin: Ernst & Sohn, 2013
[2] Lindner, J.; Scheer, J.; Schmidt, H.: Stahlbauten - Erläuterungen zu DIN 18800 Teil 1 bis Teil 4. Berlin: Beuth, 1993
[3] Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; EN 1993-1-1:2010-12
[4] Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; DIN EN 1993-1-1/NA:2015-08
[5] Schulungshandbuch EC3. Leipzig: Dlubal Software, September 2017

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