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25. Juli 2018

Definition der Spannungsverluste aus Relaxation für die Spannbetonbemessung

Bei der Bemessung von Spannbetonbauteilen sind die zeitabhängigen Spannungsverluste aus Kriechen, Schwinden und Relaxation zu berücksichtigen. Im Folgenden wird auf die Berücksichtigung der Relaxationsverluste bei der Spannbetonbemessung in RF-TENDON und RF-TENDON Design näher eingegangen.

Allgemeines

Bei Kriechen und Schwinden handelt es sich um zeitabhängige Eigenschaften des Betons. Während die Verluste aus Betonschwinden belastungsunabhängig sind, spielt bei Kriechen die aufgebrachte Druckbelastung eine erhebliche Rolle. Kriechen stellt eine zusätzliche negative Dehnung (Stauchung) des Betons bei konstanter Druckspannung dar. Kriechen und Schwinden verursachen durch die negative Dehnung des Betonquerschnittes eine Verringerung der aufgebrachten Zugdehnung im Spannglied.

Relaxation ist eine Materialeigenschaft des Spannstahls und verhält sich umgekehrt zum Betonkriechen. Mit dem Begriff Relaxation wird die Abnahme der vorhandenen Spannung bei konstant aufgebrachter Materialdehnung bezeichnet. In Bild 01 ist der Einfluss von Kriechen und Relaxation auf die Spannungs-Dehnungs-Linie des Spannstahls grafisch dargestellt.

Relaxationsverluste nach EN 1992-1-1 [1]

Das Relaxationsverhalten von Spannstählen wird unter den Vorgaben der EN 15630 bei einer konstanten Dauertemperatur von 20 °C ermittelt. Bezüglich des zeit- und spannungsabhängigen Relaxationsverhaltens werden die Spannstähle in unterschiedliche Klassen eingeteilt. Kaltgezogene Drähte und Litzen werden heutzutage mit entsprechender Wärmebehandlung mit niedriger und sehr niedriger Relaxation hergestellt. Spannstäbe werden meistens warmgewalzt und vergütet und haben in der Regel höhere Relaxationsverluste.

In welcher Höhe die Spannungsverluste aus Relaxation in der Spannbetonbemessung anzusetzen sind, hängt von der jeweils gültigen Bemessungsnorm des jeweiligen Landes ab. So kann es durchaus sein, dass ein Spannstahl eines Herstellers in den europäischen Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz mit unterschiedlichen Relaxationsverlusten bemessen werden muss [4]. Der Eurocode 2 [1] teilt die Spannstähle in drei unterschiedliche Relaxationsklassen ein:

  • Klasse 1: Spanndrähte oder Spannlitzen mit normaler Relaxation
  • Klasse 2: Spanndrähte oder Spannlitzen mit niedriger Relaxation
  • Klasse 3: warmgewalzte oder vergütete Spannstahlstäbe

In Kapitel 3.3.2 nennt die EN 1992-1-1 [1] Rechenansätze, mit denen die relaxationsbedingten Spannstahlverluste in Abhängigkeit der Zeit nach dem Vorspannen, der aufgebrachten Spannung im Spannstahl und des Referenzwertes ρ1000 bestimmt werden können. Der Referenzwert ρ1000 definiert dabei die Relaxationsverluste nach 1.000 Stunden Anspannzeit bei einer Durchschnittstemperatur von 20 °C und einer Vorspannung von 0,7 ∙ fp. Hierbei ist fp die tatsächliche, experimentell ermittelte Zugfestigkeit des Spannstahls. Die anzusetzenden Referenzwerte ρ1000 sind entweder aus dem Prüfzeugnis des verwendeten Spannstahls zu entnehmen oder können mit den in [1] angegebenen Werten abgeschätzt werden. Bild 02 zeigt den grafischen Verlauf der Relaxationsverluste nach EN 1992-1-1, Absatz 3.3.2 [1] für die drei möglichen Relaxationsklassen bei einer Vorspannung von 0,7 ∙ fpk.

Wählt man in RF-TENDON einen Spannstahl aus der Materialbibliothek aus, so ist bei diesem standardmäßig "Nach Norm" in der Zeile für "Relaxationsdefinition" voreingestellt. Dies bedeutet, dass die Berechnung der Relaxationsverluste je nach definierter Relaxationsklasse nach EN 1992-1-1 [1] mit den Gleichungen 3.28 bis 3.30 und mit den in [1] abgeschätzten Referenzwerten ρ1000 für die Relaxationsverluste nach 1.000 Stunden erfolgt. Bild 03 zeigt im linken Dialog eine aus der Materialbibliothek von RF-TENDON ausgewählte Spannlitze mit niedriger Relaxation. Die voreingestellte Relaxationsklasse (Klasse 2) und der Referenzwert ρ1000 = 2,5 stimmen mit den Angaben in Kapitel 3.3.2, Absätze (6) bis (7), aus [1] zusammen. Im rechten Dialog des Bildes 03 wurde für die Relaxationsdefinition "Benutzerdefiniert ρ1000" ausgewählt. Dadurch ist es möglich, die Relaxationsklasse und den Referenzwert ρ1000 aus der Zulassung des Spannstahls vorzugeben. Der zeitliche Verlauf der Relaxationsverluste wird auch in diesem Eingabefall mit den Gleichungen 3.28 bis 3.30 aus [1] bestimmt.

Relaxationsverluste nach bauaufsichtlicher Zulassung des Spannstahls

Der deutsche nationale Anhang [2] zur EN 1992-1-1 legt fest, dass die Verluste aus Relaxation der bauaufsichtlichen Zulassung des Spannstahls zu entnehmen sind. Für die Angabe der Relaxationsverluste gibt es mehrere Möglichkeiten.

Eine in Europa weit verbreitete Art und Weise zur Angabe der Spannungsverluste aus Relaxation ist die Angabe mittels zwei Tabellen. Dabei werden in einer ersten Tabelle die maximalen Relaxationsverluste zum Zeitpunkt unendlich (laut 3.3.2 (9) von [1] darf der Endwert für den Zeitpunkt t = 500.000 Stunden bestimmt werden) in Abhängigkeit der aufgebrachten Spannung angegeben. In einer zweiten Tabelle wird der zeitliche Verlauf der Relaxationsverluste als Verhältniswert zum maximalen Spannungsverlust aus der ersten Tabelle definiert. Diese zweigeteilte Vorgabe von Relaxationsverlusten findet man auch in RF-TENDON, indem man unter der Eingabemöglichkeit für die Relaxationsdefinition die Möglichkeit "Mittels Benutzertabelle" auswählt. Dabei steht dem Anwender die Möglichkeit zur Verfügung, den zeitlichen Verlauf als globale Vorgabe für alle Spannungsverhältnisse zu definieren (= eine Zeittabelle für die gesamte Tabelle der Gesamtrelaxationsverluste) oder als lokale Eingabe für jedes Spannungsverhältnis separat vorzugeben (= eine Zeittabelle für jede Zeile der Tabelle für die Gesamtrelaxationsverluste). In Bild 04 ist die benutzerdefinierte Definition der Spannungsverluste für eine Spannstahllitze mit niedriger Relaxation beispielhalft gezeigt.

In Deutschland ist es auch üblich, dass die Relaxationsverluste in den Zulassungen der Spannstähle in einer Matrix angegeben werden. Dabei werden in Abhängigkeit von der aufgebrachten Spannstahlspannung und der Standzeit die Spannungsverluste angegeben. Bild 05 zeigt einen Auszug aus der deutschen bauaufsichtlichen Spannstahlzulassung Z-12.3-107.

Für die Eingabe der in Bild 05 gezeigten Matrix der Relaxationsverluste in die zweiteilige Tabelleneingabe von RF-TENDON sind die Gesamtspannungsverluste aus der letzten Spalte der Matrix zu entnehmen. Der zeitliche Verlauf der Relaxationsverluste ist in RF-TENDON als Verhältniswert zum maximalen Wert vorzugeben. Das heißt, dass die zeitlichen Zwischenwerte aus der Matrix in Relativwerte, bezogen auf den Maximalwert, umzurechnen sind. Bild 05 zeigt symbolisch die Zuordnung der Matrixwerte in die einzelnen Eingabetabellen von RF-TENDON.

Am Ende dieses Beitrags ist eine Excel-Datei downloadbar, mit Hilfe derer die Transformation der Zulassungsmatrix in die zweitteilige Tabelleneingabe automatisch erfolgt. Die einzelnen Tabellen können mittels der Zwischenablage in RF-TENDON übertragen werden. Dieses Werkzeug erleichtert die Umrechnung der Relaxationsmatrix in die zweiteilige Tabelleneingabe.


Autor

Herr Meierhofer leitet die Entwicklung im Bereich Massivbau und unterstützt das Kundensupport-Team bei Anfragen zur Stahlbeton- und Spannbetonbemessung.

Links
Referenzen
  1. EN 1992-1-1: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2004
  2. Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; DIN EN 1992-1-1/NA:2013-04
  3. Navrátil, J.: Prestressed Concrete Structures, 2. Auflage. Ostrava:Technical University of Ostrava, Faculty of Civil Engineering, 2014
  4. ČSN 73 6206: Navrhování betonových a železobetonových mostníchkonstrukcí
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