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27. März 2017

Stabilitätsbetrachtung von flächigen Bauteilen am Beispiel einer Brettsperrholzwand 1

Grundsätzlich können Bauteile aus Brettsperrholz mit dem Zusatzmodul RF-LAMINATE bemessen werden. Da es sich bei der Bemessung um einen rein elastischen Spannungsnachweis handelt, muss das Stabilitätsproblem (Biegeknicken und Biegedrillknicken) zusätzlich berücksichtigt werden.

In diesem Beispiel wird eine vierseitig gehaltene Brettsperrholzwand mit zwei Türöffnungen auf Biegeknicken untersucht (siehe Bild 1). Dabei kann als maßgebender Fall der Wandabschnitt zwischen den Türen angesehen werden.

Der Biegeknicknachweis kann gemäß [1] mit dem Ersatzstabverfahren nach Kapitel 6.3.2 mit Schnittgrößen nach Theorie I. Ordnung geführt werden oder nach Kapitel 5.4.4 unter Berücksichtigung von Imperfektionen. In beiden Fällen muss Kapitel 2.2.2 beachtet werden. Dabei sind für die Schnittgrößenermittlung nach Theorie II. Ordnung die durch den Teilsicherheitsbeiwert γM dividierten Mittelwerte der Steifigkeitskennwerte (Elastizitätsmodul sowie Schubmodul) gemäß 2.4.1(2)P zu verwenden. Des Weiteren wird in [2] NCI NA.9.3.3 für ebene flächige Bauteile festgelegt, ab wann die Stabilitätsnachweise nach Theorie II. Ordnung zu berechnen sind. Ist Gleichung NA.150 erfüllt, so dürfen die Stabilitätsnachweise sowohl mit dem Ersatzstabnachweis als auch mittels Theorie II. Ordnung berechnet werden. Andernfalls sind die Nachweise ausschließlich mittels Theorie II. Ordnung zu führen.

Zunächst wird überprüft ob Gleichung NA.150 erfüllt ist. Dafür werden die Einwirkende Normalkraft Nd, die Biegesteifigkeit E∙I entlang der lokalen y-Achse, der Teilsicherheitsbeiwert γM für Brettsperrholz sowie die Knicklänge des betrachtenden Wandabschnittes zwischen den Türen benötigt. Näherungsweise wird die Lasteinzugslänge auf 0,5 m + 1,0 m + 0,5 m = 2,0 m angenommen. Daraus resultiert eine Druckkraft Nd von 200 kN/m ∙ 2 m = 400 kN (ohne Berücksichtigung des Eigengewichts). Alternativ kann die genaue Druckkraft unter Berücksichtigung des Eigengewichts mittels Schnitt-Resultierender in RFEM ermittelt werden (siehe Bild 2). Bedingt durch die Orthotropie und das Eigengewicht resultiert dadurch eine Druckkraft von 412 kN.

Die Biegesteifigkeit kann direkt aus der Steifigkeitsmatrix der Fläche abgelesen werden (siehe Bild 3). Hier wurde eine Wandscheibe von Stora Enso des Typs CLT 100 C5s gewählt. Die Biegesteifigkeit in y-Richtung resultiert zu 826,16 kNm ∙ 1,0 m = 826,16 kNm².

Der Teilsicherheitsbeiwert wurde gemäß [2] mit 1,3 angesetzt. Für die Ermittlung der Knicklänge sollte für Brettsperrholz auch die Schubsteifigkeit in y-Richtung berücksichtigt werden (siehe Bild 3). Als Knicklängenbeiwert β wird gemäß Euler-Fall 2 1,0 verwendet.

lef = β · l · 1 + E · I · π²(β · I)² · κ · G · A = 1,0 · 3,0 m · 1 + 826,16 kNm² · π²(1,0 · 3,0 m)² · 7.976,19 kN = 3,17 m(NA.150)lef · Nd · γME · I  1,003,17 m · 412,16 kN · 1,3826,16 kNm² = 2,55 > 1,00

Das Abgrenzkriterium wurde mit 2,55 > 1,00 nicht eingehalten und es muss somit streng genommen der Stabilitätsnachweis nach Theorie II. Ordnung geführt werden. Da es sich hierbei um ein nahezu stabförmiges Bauteil handelt, werden in den kommenden Beiträgen beide Methoden untersucht.

Um die Knickproblematik in diesem Fall besser abschätzen zu können, werden zunächst die kritische Knicklast sowie der Verzweigungslastfaktor nach Theorie I. Ordnung für den Wandabschnitt am ideellen Einfeldträger ermittelt (siehe Bild 4). Dazu wurde der Verzweigungslastfaktor analytisch sowie mit dem Zusatzmodul RF-STABIL ermittelt. Für die FEM-Lösung wurde ein Lastfall angelegt ohne Eigengewicht und direkt die Last der Resultierenden aufgebracht. Die Reduktion der Steifigkeit bezüglich des Teilsicherheitsbeiwertes γM, wurde in den Berechnungsparametern des Lastfalls aktiviert. Das Ergebnis beider Berechnungen stimmt exakt überein.

Unter Berücksichtigung der zusätzlichen Steifigkeiten, welche aus dem Türsturz resultieren, ergibt sich am Gesamtsystem ein, wie zu erwartender, leicht größerer Verzweigungslastfaktor von 1,67.

Der Verzweigungslastfaktor gibt an, mit welchem Faktor die Belastung multipliziert werden muss, damit das Modell unter der zugehörigen Last instabil wird (ausknickt). Daraus folgt: Ein Verzweigungslastfaktor kleiner 1,00 bedeutet, dass das System instabil ist. Nur ein positiver Verzweigungslastfaktor größer 1,00 lässt die Aussage zu, dass die Belastung infolge der vorgegebenen Normalkräfte multipliziert mit diesem Faktor zum Knickversagen des stabilen Systems führt. Es ist jedoch zusätzlich der Stabilitätsnachweis gemäß EN 1995-1-1 zu führen, weil der Verzweigungslastfaktor beziehungsweise die kritische Knicklast in der Praxis auf der unsicheren Seite liegen, da Einflüsse aus Imperfektionen (kein Stab oder Fläche ist gerade), Ausmittigkeiten der Lasteinleitung und das vom Hookeschen Gesetz abweichende Materialverhalten nicht berücksichtigt werden. Die Nachweise erfolgen im nächsten Beitrag dieser Reihe.

Literatur

[1]  Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten - Teil 1-1: Allgemeines - Allgemeine Regeln und Regeln für den Hochbau; DIN EN 1995-1-1:2010-12
[2]  Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 5: Bemessung und Konstruktion von Holzbauten - Teil 1-1: Allgemeines - Allgemeine Regeln und Regeln für den Hochbau; DIN EN 1995-1-1/NA:2013-08

Autor

Herr Rehm engagiert sich in der Entwicklung im Bereich Holzbau und im Kundensupport.

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