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1. Januar 0001

2.4.5.2 Längs-, Schub- und Torsionssteifigkeit

Längs-, Schub- und Torsionssteifigkeit

Die Ermittlung der Biegesteifigkeit als Eingangsgröße für die nichtlineare Berechnung wurde in den vorherigen Kapiteln erläutert. Die noch fehlenden Steifigkeitsparameter können wie folgt bestimmt werden.

Längssteifigkeit

Die Längssteifigkeit E ⋅ A wird ähnlich dem Vorgehen bei Biegung aus der Relation der Dehnung ε0 zur wirkenden Normalkraft bestimmt. Bei gleichzeitigem Auftreten von Biegemoment und Normalkraft kann diese Beziehung nicht mehr direkt angewendet werden, da sich aus konsequenter Auslegung des Vorgehens bereichsweise negative Steifigkeiten ergeben würden. Dies resultiert aus der vereinfachten Betrachtung ohne Berücksichtigung der Verschiebung der Dehnungsnulllinie. Diese fällt bei nichtlinearen Berechnungen nicht mehr mit dem Querschnittsschwerpunkt zusammen. Allgemein kann dies durch eine Entkopplung der Steifigkeitsmatrix vom Schwerpunkt beachtet werden. Daraus resultiert dann allerdings auch ein direkter Zusammenhang zwischen Moment und Normalkraft in den Termen der Steifigkeitsmatrix. RF-BETON Stäbe berücksichtigt die durch die Rissbildung bzw. physikalische Nichtlinearität bedingte Achsdehnung nicht.

Betrachtet man den Zusammenhang zwischen Normalkraft und Biegemoment, ist ein direkter Zusammenhang beider Steifigkeitsterme erkennbar. Zur Verdeutlichung stelle man sich eine Stütze mit konstanter Druckkraft vor: Wirkt nun zusätzlich zur Normalkraft ein ansteigendes Moment, so wird sich zum reinen konstanten Dehnungsverlauf eine Krümmung einstellen, die zu einer Verschiebung der resultierenden Normalkraft aus dem Schwerpunkt führt. Damit reduziert sich unter plastischem Gesichtspunkt auch die Wirkungsfläche der Resultierenden, was zwangsläufig zu größeren Dehnungen und damit fallenden Steifigkeiten führt. Deshalb stellt die näherungsweise Berücksichtigung über eine Affinität zwischen Biege- und Dehnsteifigkeit bei Biegung mit Längskraft eine praktisch sinnvolle Lösung dar.

Schubsteifigkeit

Eine detaillierte Erfassung der Schubsteifigkeit ist im Stahlbetonbau sehr schwierig und bei diversen Geometrie- und Lastkonstellationen ein kaum überschaubares Unterfangen. Die Balkentheorie stößt schnell an die Grenzen, da zur Abbildung bei mäßiger Querkraftbeanspruchung die Tragwirkung über die Fachwerkwirkung erfasst werden sollte. Zwar wurden mit derartigen Modellen verschiedene Ansätze entwickelt, die in ihrer Anwendung im allgemeinen Fall allerdings nicht oder nur teilweise geeignet sind.

Pfeiffer [8] mindert in einem einfachen Ansatz die Schubsteifigkeit affin zur vorhandenen Biegesteifigkeit ab. Mag dieser Gedanke auf den ersten Blick etwas befremdlich wirken, so steckt doch ein recht einfacher und plausibler Grundgedanke hinter diesem Ansatz. Man stelle sich die Biege- und Schubbeanspruchung als unabhängige Größen vor. Bei Betrachtung der veränderten Momenten- und Längskraftbeanspruchung ändert sich die Biegesteifigkeit entsprechend des Dehnungs- und Krümmungsverlaufs. Hiervon wird jedoch nicht nur die Steifigkeit in Trägerlängs-, sondern auch die in Trägerquerrichtung beeinflusst, die zur Abtragung von Querkräften dient.

Dieser Ansatz ist als eine Näherung zu verstehen, der eine ausreichende Schubtragfähigkeit voraussetzt und geneigte Risse, Zugkrafterhöhung etc. nicht oder nur vage erfasst. Trotz dieser Vereinfachungen kann der Ansatz nach Pfeiffer für mäßig schlanke Balken als ausreichend genaue Näherung bezeichnet werden. Alternativ kann in RF-BETON Stäbe auch die linear elastische Schubsteifigkeit der Berechnung zugrunde gelegt werden.

Torsionssteifigkeit

Im Vergleich zur Biegesteifigkeit wird die Torsionssteifigkeit bei Rissbildung sehr stark abgebaut. Dies hat einerseits den positiven Aspekt, dass Torsionsmomente aus Zwang, die im Hochbau recht häufig vorkommen, bei Laststeigerung bis zum Bruch fast gänzlich abgebaut werden. Auf der anderen Seite steht die sogenannte Gleichgewichtstorsion, bei welcher der starke Abfall der Torsionssteifigkeit schon im Gebrauchszustand zu erheblichen Verdrehungen und somit zu einer Minderung des Gebrauchszustandes führen kann.

Bild 2.27 Abbildung aus [9] zum Abfall der Torsionssteifigkeit bei Rissbildung

Für die Berechnung mit RF-BETON Stäbe stehen zwei unterschiedliche Vorgehensweisen zur Berücksichtigung der Torsionssteifigkeit zur Verfügung.

Torsionssteifigkeit nach Leonhardt [9]
Torsionssteifigkeit im ungerissenen Zustand I

Bei der Torsionssteifigkeit im Zustand I wird berücksichtigt, dass sich bis zum Erreichen des Rissmoments die Steifigkeit um 30 und 35 % abbaut. Als Gründe hierfür gibt Leonhardt an, dass sich der Betonkern der Beanspruchung entzieht und die Spannungen sich nach außen verlagern. Zum Teil ist auch eine Mikrorissbildung an der Abnahme beteiligt.

Gc · IT xI = 0.8 · Gc · IT,0 x      als Mittelwert 

mit

    • IT : Torsionsträgheitsmoment
    • Gc : Schubmodul
Torsionssteifigkeit im gerissenen Zustand II

Die Torsionssteifigkeit im Zustand II leitet sich aus einem räumlichen Fachwerkmodell her. Zur Vereinfachung kann die Neigung der Druckstrebe unter 45° angenommen werden. Nach Leonhardt ist diese Annahme auch legitim, wenn Längs- und Querbewehrungsgrad nicht übereinstimmen. Aus der Gleichgewichtsbetrachtung bzw. aus der Bemessungsannahme ergeben sich geringere Strebenneigungen, falls der Bewehrungsgrad der Bügel geringer ist als der der Längsbewehrung. Allerdings ist in Versuchen zu beobachten, dass die angenommene flachere Neigung der Risse erst bei hoher Beanspruchung auftritt.

Versuche haben gezeigt, dass das Fachwerkmodell einen guten Algorithmus zur Erfassung der Torsionsbeanspruchung für den Versagenszustand bietet. Für den Gebrauchszustand ist allerdings festzustellen, dass die Stahlspannungen in der Bügel- und Längsbewehrung auch bei mehrmaliger Lastwiederholung nicht die Werte nach der Fachwerkanalogie erreichen.

Bügelneigungen von 90°:

Gc · ITxII = 4 Es · Ak3uk2 · 1kT 1μL + 1μ + 4α · Akuk · t · 1 + φ 

Bügelneigungen von 45°:

Gc · ITxII = Es · Ak2 · tuk2 · 1 kTμ + α 4 · 1 + φ 

mit

Tabelle 2.4

kT =1 - Ted - 0.7 · TcrTRd,sy - 0.7 · Tcr 

bei 90° Druckstrebenneigung

kT =1 - TEd - 0.9 · TcrTRd,sy - 0.9 · Tcr 

bei 45° Druckstrebenneigung

μL = AslAk 

auf Kernfläche bezogener Längsbewehrungsgrad

μBü  = asw · ukAk 

auf Kernfläche bezogener Querbewehrungsgrad

TRd,sy = min  Asw/sw · fy · 2 · AkAsl/uk · fy · 2 · Ak                            

Ermittlung des Rissmoments für Vollquerschnitt:

Tabelle 2.4

Beginn:

fctr1 = 0.55 · fck2/3 

Abschluss:

fctr2 = 0.65 · fck2/3 

Ermittlung des Rissmoments für Hohlquerschnitt:

Tabelle 2.4

Beginn:

fctr1 = 0.45 · fck2/3 

Abschluss:

fctr2 = 0.55 · fck2/3 

Tabelle 2.4

TRd,sy

Torsionsmoment, bei dem die Stahlspannung im Fachwerkmodell die Fließgrenze erreicht (aufnehmbares Torsionsmoment)

Tcr

Torsionsmoment bei Übergang zum Zustand II (Rissmoment)

min WT · fctr1 2 · Ak · t · fctr1

Ak

durch Mittellinie der Wände eingeschlossene Fläche

Asl

Querschnittsfläche der Längsbewehrung

Asw

Querschnittsfläche der Bügelbewehrung

α

Verhältnisse der E-Moduln Es / Ec

uk

Umfang der Fläche Ak

sw

Bügelabstand

t

effektive Dicke der Wand

φ

Kriechbeiwert zur Berücksichtigung

Eine gegenseitige Beeinflussung von Torsions- und Biegesteifigkeit erfolgt nicht.

Pauschale Abminderung der Torsionssteifigkeit

Alternativ kann auch mit einer prozentual abgeminderten, linear elastischen Torsionssteifigkeit im gerissenen Bereich gerechnet werden.

Literatur
[8] Pfeiffer, Uwe. Die nichtlineare Berechnung ebener Rahmen aus Stahl- oder Spannbeton mit Berücksichtigung der durch das Aufreißen bedingten Achsendehnung. Cuviller Verlag, Göttingen, 2004.
[9] Leonhardt, Fritz. Vorlesungen über Massivbau - Teil 1 bis 4. Springer Verlag, 3. Auflage, 1984
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